Manipulierte Bilder von Münchner Hauswänden tauchen auf: „Sollen Unfrieden und Chaos stiften“
In sozialen Medien kursieren angebliche Street-Art-Kunstwerke. Doch diese hat es nie gegeben. Fotos mehrerer Hauswände in München wurden manipuliert.
München – Wenn Fassaden für politische Propaganda herhalten müssen: Ein Graffiti, das den ultrakonservativen US-Fernsehjournalisten Tucker Carlson zeigt, kursierte im Februar 2024 in den sozialen Medien. Darauf zu sehen ist Carlson mit gestrecktem Mittelfinger in Richtung des US-Präsident Joe Biden. Angeblich sei das Foto vor der ukrainischen Botschaft in Berlin entstanden.
Das Mehrparteienhaus auf dem Foto steht allerdings nicht in der deutschen Hauptstadt. Sondern in München. Und das vermeintliche Graffiti gibt und gab es dort überhaupt nicht. Reporter der Deutschen Presse-Agentur (dpa), die sich an der entsprechenden Straßenecke im Stadtteil Giesing umsahen, stießen auf eine unbefleckte Wand. Ein frischer Anstrich war nicht zu erkennen, wie die Reporter berichteten. Auch eine kürzliche Reinigung konnten sie mit Blick auf den Dreck in den Fugen ausschließen.
Hauswand in München für Fake-Bild genutzt – Anwohnerin: Graffiti hat es nie gegeben
„Fälschungen können eine simple Möglichkeit sein, um bestimmte Positionen zu verstärken“, erklärt Pia Lamberty im Gespräch mit der dpa. Sie arbeitet für das Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), das sich unter anderem mit Desinformation und Verschwörungstheorien im Netz beschäftigt. Bereits in der Vergangenheit hätten sich ähnliche Fake-Bilder in den sozialen Medien verbreitet.
Ende des Jahres 2023 erfuhr eine andere Münchner Hauswand plötzlich ungewohnte Aufmerksamkeit. An einem Mehrfamilienhaus im Stadtteil Berg am Laim soll im Stil des britischen Street-Art-Künstlers Banksy das Bild eines Mannes in orangefarbener Latzhose zu sehen gewesen sein, der mit einem Hochdruckreiniger eine blau-gelbe Flagge der Ukraine entfernt.
Ein wesentliches Ziel von Desinformation ist es, Unfrieden und Chaos zu stiften und für Destabilisierung zu sorgen.
Doch auch hier ergab ein Ortsbesuch: Das angebliche Bild war dort nie zu sehen. Eine Anwohnerin und Mitglied der Eigentümergemeinschaft versicherte der dpa, dass es an der fraglichen Stelle nie ein solches Graffiti gegeben habe. „Ein wesentliches Ziel von Desinformation ist es, Unfrieden und Chaos zu stiften und für Destabilisierung zu sorgen“, erklärt Lamberty die Absicht solcher Beiträge.
Abfotografierte Wände in München: Vermeintliche Bilder vor Ort nicht zu finden
Der CeMAS-Expertin zufolge kursierten auch schon antisemitische Fake-Darstellungen von Davidsternen in Öfen. t-online-Recherchen zufolge gab es dabei einen Zusammenhang zu der sogenannten Doppelgänger-Kampagne – einem prorussischen Netzwerk von echt wirkenden, aber gefälschten Nachrichtenseiten. Verwendet wurden Bilder von Flächen im Münchner Stadtteil Hasenbergl.
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In sozialen Netzwerken sind weitere Fake-Graffitis aus München zu finden. Die dafür abfotografierten Wände liegen teils nur wenige Schritte voneinander entfernt. Gerade einmal zwei Gehminuten von der Hauswand für den Carlson-Fake wurde ein weiteres Giesinger Wohnhaus abgelichtet. Auf diese Fläche wurde dann eine Darstellung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyjs im Clownskostüm gephotoshoppt. In unmittelbarer Nähe wurde eine leere Fassade genutzt für ein angebliches Graffiti, das einen von der Ukraine verursachten Leichenberg zeigt. Für ein erfundenes Gemälde, das den ukrainischen Präsidenten als Ratte darstellt, wurde die Seitenwand einer Garage im Bezirk Ramersdorf-Perlach verwendet.
Auch in diesen Fällen ließen sich die vermeintlichen Bilder vor Ort nicht finden. Bei der Münchner Polizei seien in den vergangenen Wochen keine Anzeigen wegen Graffitis oder Schmierereien in den entsprechenden Straßen eingegangen, wie die dpa berichtet. (dpa)