Tief im Elsass schlummert eine "tickende Zeitbombe" für unser Trinkwasser

Nur wenige Kilometer von der deutschen Grenze entfernt, im elsässischen Wittelsheim, schlummert tief unter der Erde eine tickende Zeitbombe: In der stillgelegten Kalimine Stocamine lagern rund 42.000 Tonnen hochgiftiger Industrieabfälle, darunter Quecksilber, Arsen, Zyanide und Schwermetalle. Jahrzehntelang galt das unterirdische Endlager als sichere Lösung. Doch heute schlagen Wissenschaftler Alarm: Die Mine ist instabil und liegt direkt unter einem der größten Trinkwasserreservoirs Europas.

Eine tickende Zeitbombe für das Grundwasser

Die Stollen von Stocamine befinden sich unter dem elsässischen Grundwasserleiter, einem riesigen natürlichen Wasserspeicher. Dieser speist nicht nur den Oberrhein, sondern versorgt auch Millionen Menschen in Frankreich, der Schweiz und Süddeutschland mit Trinkwasser. Sollte kontaminiertes Wasser in diesen Aquifer eindringen, hätte das katastrophale Folgen für Menschen, Tiere und ganze Ökosysteme.

Der Umweltaktivist Yann Flory, der sich seit Jahrzehnten gegen das Lager einsetzt, warnt eindringlich gegenüber dem britischen Medium "The Guardian": „Wir sind überzeugt, dass unser Trinkwasser eines Tages unwiderruflich verschmutzt sein wird.“ 

Der Zerfall beginnt bereits

Die Warnungen kommen nicht ohne Grund: Die Schächte der alten Kalimine verformen sich jedes Jahr um mehrere Zentimeter. Bei konstant hohen Temperaturen um die 30 Grad korrodieren Metalle. Erste Wasserzuflüsse wurden bereits festgestellt, sogar in betonierten Abschnitten. Dennoch bestätigte ein französisches Gericht am 17. Juni die Entscheidung der Regierung, den Müll nicht zu bergen, sondern die Schächte endgültig mit Beton zu verfüllen. Die Befürworter der Müll-Entfernung bezeichneten diese Entscheidung als „Zeitbombe für zukünftige Generationen“.

Auch der Schweizer Geologe und Gift- und Atommüll-Spezialist Marcos Buser kritisiert dies scharf: „Es ist am besten, den Müll jetzt zu entfernen. Die Geschichte der unterirdischen Abfalllagerung ist eine Geschichte des Scheiterns", berichtet "The Guardian". 

Gefahr für Mensch und Natur

Die Risiken sind enorm: Schon kleinste Mengen von Zyanid oder Schwermetallen im Trinkwasser können schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben, die von Krebs über Nierenversagen bis hin zu neurologischen Erkrankungen reichen. Auch die Ökosysteme der vom Grundwasser gespeisten Flüsse wären massiv bedroht. Zyanid ist extrem toxisch für Wasserorganismen und kann innerhalb kürzester Zeit ganze Flüsse in tote Zonen verwandeln.

Bereits im Jahr 2002 hatte ein Brand in der Mine giftige Gase freigesetzt – ein Vorbote des drohenden Desasters. Seit den 1980er Jahren protestieren Bürger, Wissenschaftler und Umweltorganisationen gegen das Projekt. Die Gebietskörperschaft Elsass geht gegen die vom Verwaltungsgericht Straßburg genehmigte Endlagerung von Giftmüll an der französisch-deutschen Grenze in Berufung. 

Während Politik, Justiz und Fachwelt über Lösungen streiten, schreitet der Zerfall unter Tage unaufhaltsam voran.