Nur vier Minuten bis Tel Aviv: Der Iran droht mit High-Tech-Raketen

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Israels gefürchteter Gegner: die Sejil 2 – eine iranische Mittelstrecken-Rakete, die Tel Aviv in rund sieben Minuten erreichen könnte. © IMAGO / UPI Photo

Israel schaut gebannt gen Himmel: Vergeltung für die zerstörte Botschaft droht. Wenn der Iran Raketen zündet, bleiben zwölf Minuten. Oder nur vier.

Teheran – „Warum brauchen wir teure Raketen mit 2.000 Kilometern Reichweite, wenn Tel Aviv nur 150 Kilometer von Südlibanon entfernt ist?“, soll Hasan Moghaddam gesagt haben; so jedenfalls zitiert ihn die Neue Zürcher Zeitung. Der ehemalige iranische Brigadegeneral der Luftwaffe entwickelte das iranische Raketenprojekt und gilt daher als dessen „Vater“. Mit offenbar bescheidenen Zielen, die jetzt allerdings Raum greifen – möglicherweise bis nach Europa. Die USA gehen davon aus, dass der Iran Israel unmittelbar angreifen, und damit der Krieg in Israel eskalieren wird.

Joe Biden redet Klartext und erklärt seinen Willen, in eine vermeintliche Katastrophe einzugreifen: „Don‘t“ hat er in Richtung Teheran geäußert, was im Deutschen so viel bedeutet wie „Tut das nicht“ oder „Lasst es“. Der amtierende Präsident der USA geht davon aus, dass der Iran in den kommenden Tagen mehrere Ziele innerhalb Israels attackieren wird, und hat signalisiert, zu helfen, alle auf seinen Verbündeten abgefeuerten Waffen abzufangen – das berichten Quellen gegenüberCNN.

Anscheinend hat sich der Iran auch ausgiebig darauf vorbereitet – dessen Raketenarsenal scheint unerschöpflich. Neben Russland soll der Iran inzwischen Hyperschall-Raketen haben, also Waffen, die mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit anfliegen und ihre Ziele korrigieren können. Mit dem Ende des Iran-Irak- beziehungsweise Ersten Golfkriegs im August 1988 und dem Ende von Saddams Kriegsmaschinerie wandelte sich Teherans Bedrohungswahrnehmung: weg von Saddams Panzerkolonnen, hin zu den hoch gerüsteten Feinden Israel und USA, die im Iran als größte Bedrohung von dessen Integrität gelten. Allerdings sah sich das Regime in Teheran einer massiv überlegenen Luftwaffe unterlegen – und begann aufzurüsten. Mit Raketen. Anstatt Raketen wie bisher einfach zu kaufen, begann es, zunächst nordkoreanische Raketen selber in Lizenz zu produzieren und schliesslich eigene, auf Irans Bedürfnisse zugeschnittene Systeme zu entwickeln. 

„Teheran ist in der Lage, militärische Macht auch weit über 1. 000 Kilometer vom eigenen Land entfernt zu entfalten.“

In den letzten zehn Jahren erlebte Irans Raketenprogramm in qualitativer Hinsicht geradezu einen Quantensprung. Maß man die Genauigkeit von Irans Raketen zuvor in Hunderten von Metern, so entwickelte das Land nun präzise Lenkwaffen, die auf wenige Meter genau treffen. Ballistische Raketen waren nicht mehr rein politisch-psychologische Druckmittel, sondern zugleich hocheffektive Waffensysteme“, notiert die NZZ. Die Times of Israel prophezeit deshalb ein düsteres Zukunfts-Szenario aufgrund der verschiedenen Medienberichte: Demnach würden vom Iran abgefeuerte ballistische Raketen zwölf Minuten brauchen, um Israel zu erreichen, Marschflugkörper würden zwei Stunden ins Ziel benötigen und von der Islamischen Republik aus gestartete Drohnen neun Stunden.

Kurz- und Mittelstrecken-Raketen: Der Iran verfügt über fast zwei Dutzend Typen

„Nur ganz wenige Staaten auf der Erde besitzen derartige Möglichkeiten. Damit wird der Iran nicht zu einer globalen Supermacht, doch er wächst aus dem Rahmen einer begrenzten Regionalmacht heraus. Denn Teheran ist in der Lage, militärische Macht auch weit über 1. 000 Kilometer vom eigenen Land entfernt zu entfalten“, schreibt der Stern – dies entweder mit Raketen oder Marschflugkörpern, von denen der Iran auch mehr als ein Dutzend verschiedene Typen entwickelt hat.

Nach Angaben der Arms Control Association (ACA) gehören zu Irans ballistischen Kurz- und Mittelstreckenraketen fast zwei Dutzend Typen mit verschiedenen Kompetenzen – beispielsweise:

  • Shahab-1 („Komet-1“) ist die erste vom Iran modifizierte Kurzstreckenrakete. Sie basiert auf der nordkoreanischen Hwasong-5 mit einer geschätzten Reichweite von 300 Kilometern; als Shahab-2 und Shahab-3 fliegt sie mehr als 2.000 Kilometer;
  • Das Fateh-System („Eroberer“) – ein eher leichtes, straßenmobiles System mit Typen für mehrere Reichweiten;
  • Zolfaghar (benannt nach einem berühmten Schwert) mit 700 Kilometern Reichweite;
  • Emad-1 („Säule-1“), eine in Entwicklung befindliche Rakete, die eine Nutzlast von 750 Kilogramm bei einer Reichweite von bis zu 1.700 Kilometer mit einer Genauigkeit von rund zehn Metern ins Ziel transportieren können soll;
  • Die Sejil-Familie („gebackener Ton“)– eine in der Entwicklung befindliche Rakete, mit 1.500 bis 2.500 Kilometern Reichweite – laut dem Magazin Breaking Defense behauptet der Iran, dass diese Rakete, gestartet aus der Stadt Natanz, Tel Aviv in weniger als sieben Minuten erreichen könnte.

Ein hochrangiger Kommandeur des Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) hatte darüberhinaus Ende 2022 die Entwicklung einer ersten iranischen Hyperschall-Rakete vom Typ Fattah-1 („Sieger“) angekündigt, wie Breaking Defense berichtet hat. „Die Rakete hat eine große Geschwindigkeit und kann sowohl in die Erdatmosphäre hinein als auch aus ihr heraus manövrieren“, sagte Amir Ali Hajizadeh, der Leiter der Luft- und Raumfahrtabteilung des IRGC, gegenüber Reportern. Hyperschallwaffen können mit mehr als der fünffachen Schallgeschwindigkeit fliegen und sich auf komplexen Flugbahnen fortbewegen, die eine Abwehr gegen sie erschweren. Die Fattah-Rakete soll bis zu 14-fache Schallgeschwindigkeit erreichen können.

Hyperschall-Raketen: Der Iran könnte in vier Minuten ein israelisches Ziel erreichen

Diese Waffe wäre eine weitreichendere Bedrohung als die ballistische Mittelstreckenrakete Sejil, die als erste Option Irans für einen Angriff auf Israel angesehen wird, wie Breaking Defense berichtet: „Der Iran hat behauptet, dass der Sejil die Stadt Tel Aviv in weniger als sieben Minuten erreichen könnte, wenn es von der Stadt Natanz aus gestartet würde; Eine Hyperschallrakete könnte viel schneller einschlagen, möglicherweise im Vier-Minuten-Bereich“, wie das Magazin einen anonymen israelischen Militär zitiert.

Die Neue Zürcher Zeitung sieht darin weniger eine militärische Machtverschiebung, sondern eine politische, wie deren Autor Fabian Hinz vermutet: „Vielleicht hilft es, das iranische Raketenprogramm weniger als spezifisches Waffenprogramm und mehr als Symptom des globalen machtpolitischen und technologischen Wandels zu verstehen. Jahrzehntelang garantierte die Überlegenheit des Westens die Herrschaft über seine Lufträume und damit die Sicherheit seines eigenen Hinterlandes. Bis zu einem gewissen Grad galt dies auch für die Sicherheit seiner Verbündeten. Abgesehen von asymmetrischen Gefahren wie Terror wurde die Sicherheit des Hinterlandes geradezu zu einer Selbstverständlichkeit, die niemand hinterfragte.“

Jetzt ist das Hinterland massiv bedroht – möglicherweise sogar Europa. Vom nordiranischen Täbris aus läge plötzlich auch Istanbul in Reichweite der Hyperschall-Raketen. Präsident Ebrahim Raisi erklärte während der Präsentation des Entwurfs, die Rakete werde „das Land stärker machen“ und „den Ländern der Region Sicherheit und stabilen Frieden bringen“, wie die Tagesschau Mitte vergangenen Jahres berichtet hat. Im November 2022 hatte der Iran die Produktion der Rakete angekündigt, die auch Atomsprengköpfe tragen können soll.

Israel ist jedenfalls seitdem extrem aufgeschreckt; bereits 2021 hatte Israel angekündigt, sein Luftverteidigungs-System Arrow zu modernisieren – jetzt, wo die Nato die Generation Arrow-3 als Folge des Ukraine-Krieges zu stationieren plant, baut Israel schon an der Generation Arrow-4. Die iranischen Raketensysteme Fattah und Sejil bereiten den Militärs jedenfalls aktuell Kopfzerbrechen, wie Breaking Defense aus dem Arrow-Entwicklungsstab erfahren haben will: „Viele Augen am Himmel achten auf jedes kleine Zeichen, das das Ausmaß der Bedrohung durch diese beiden Waffensysteme anzeigen kann.“

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