Die Spionage-Affäre belastet die AfD kurz vor der Europawahl. Im Bundestag stellt sich die AfD vor ihren Spitzenkandidaten Krah – im Wahlkampf versteckt sie ihn.
München/Berlin – Es ist erstaunlich ruhig auf der rechten Seite, zumindest für AfD-Verhältnisse. Nur gelegentlich dringt ein Zwischenruf durch die empörten Reden der anderen, sodass man fast meinen könnte, es habe sich Demut bei den Populisten breitgemacht. Dann aber geht einer von ihnen, Stefan Keuter, ans Pult und redet sich in Rage. Kurzfassung: Nicht Petr Bystron und Maximilian Krah seien das Problem, sondern eine „Regierung, die gegen die Opposition hetzt“.
Spionage-Affäre in der AfD: SPD wirft „geheuchelte Vaterlandsliebe“ vor
Die AfD im Opfermodus, selbst angesichts der massiven Vorwürfe, die gegen die beiden Europawahl-Spitzenkandidaten Bystron und Krah im Raum stehen. Es geht um mögliche Geldzahlungen aus Russland und Spionage für China. Es gebe keine „gerichtsfesten Beweise“, sagt Keuter dazu. Dann beklagt er sich noch darüber, dass die Sicherheitsbehörden seine Partei nicht vor dem mutmaßlichen Peking-Spion im Büro des AfD-Spitzenkandidaten Krah gewarnt hätten.
Man kann diesen Nachmittag im Bundestag auf zwei Arten betrachten. Einerseits ist er vorhersehbar, weil sich die anderen Fraktionen schonungslos an der AfD und ihren mutmaßlichen China- und Russland-Kontakten abarbeiten. Der Grüne Konstantin von Notz etwa wirft der Partei „devotes Hofschranzentum“ gegenüber beiden Diktaturen vor. Bystron und Krah seien „nicht trotz, sondern wegen ihrer Diktaturnähe zu Spitzenkandidaten geworden“. SPD-Mann Dirk Wiese spricht von „geheuchelter Vaterlandsliebe“. Und der CDU-Abgeordnete Marc Heinrichmann zeigt auf die Parteispitze. Die Causa Krah und Bystron sei „längst auch eine Causa Weidel und Chrupalla“.
AfD-Spitzenkandidat Krah unter Druck: Mitarbeiter soll für China spioniert haben
Andererseits ist dieser Nachmittag auch aufschlussreich. Er zeigt: So sehr wie jetzt war die AfD schon lange nicht mehr in der Defensive. Tatsächlich ist die Situation ziemlich verzwickt. Rein formal kann die AfD ihre beiden Spitzenleute nicht mehr von der Wahlliste nehmen. Andererseits will sie zumindest Krah so gut wie eben möglich aus dem EU-Wahlkampf heraushalten. Es soll keine Plakate mit ihm geben, keine Videos, die Auftritte werden stark eingeschränkt. Beim Wahlkampfauftakt am Samstag in Donaueschingen wird Krah zum Beispiel fehlen. In Dresden, seiner Heimatstadt, soll er dagegen auftreten dürfen. Was mit den zahlreichen restlichen Terminen ist: unklar.
Völlig klar dagegen: Auch die Parteichefs, die Krah als Spitzenmann durchsetzten, haben jetzt ein Problem. „Man duckt sich weg und übernimmt nicht die politische Verantwortung“, sagte Krahs EU-Parlamentskollegin Sylvia Limmer gestern im Deutschlandfunk. Dessen China- und Russland-Nähe sei seit Langem bekannt gewesen. Auch Nicolaus Fest, ebenfalls AfD-Europaparlamentarier, greift die Parteichefs an. Sie hätten sich über Warnungen hinweggesetzt und seien mehrfach darauf hingewiesen worden, „dass Herr Krah, ich sag‘s mal so, ein Blindgänger ist, der jederzeit hochgehen kann“.
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„Erwartbar und routinemäßig“: Krah zeigt sich unbeeindruckt über Ermittlungen
Krah selbst gibt sich unberührt. Dass die Staatsanwaltschaft nach der Festnahme seines Mitarbeiters Jian G. auch Vorermittlungen gegen ihn eingeleitet hat, sei „erwartbar und routinemäßig“. Man sei „im Bereich der Vermutungen und Unterstellungen“. Freilich sind es solche, die er selbst am besten aufklären könnte.
Auch in China macht die Causa übrigens Wind. Nach der Festnahme von vier Spionage-Verdächtigen, Jian G. eingeschlossen, wurde die deutsche Botschafterin einbestellt. Dies sei ein „aufschlussreicher Schachzug“ gewesen, sagte Patricia Flor, aber eine gute Gelegenheit, Dinge zu erklären. „Wir dulden in Deutschland keine Spionage.“ (mmä/dpa)