Auf dem Weg zur Energie-Revolution: Diese Nation kommt schon jetzt ohne Gas, Öl und Kohle klar
Mit dem Auslaufen des russischen Gasvertrags sucht Europa nach Alternativen. Die Slowakei hat bereits eine Lösung: Ihre Kernkraftwerke.
Bratislava – In der aktuellen Zusammenarbeit mit der Ukraine bemüht sich die Slowakei, das ab 2025 ausbleibende russische Gas zu ersetzen. Ein bedeutender Liefervertrag zwischen der Ukraine und Russland läuft Ende 2024 aus und aufgrund der fortgesetzten russischen Aggression innerhalb der ukrainischen Grenzen, plant das Land, diesen Vertrag nicht zu erneuern. Dies bedeutet einen erheblichen Verlust für Russland. Gleichzeitig müssen einige europäische Länder nach Alternativen suchen. Die Slowakei hat jedoch einen besonderen Trumpf: Kernenergie.
Die Slowakei als Kernkraft-Pionier – „Produziert sauber und zuverlässig Strom“
Die Slowakei bezieht derzeit etwa 60 Prozent ihrer Energie aus Kernkraft, laut LowCarbonPower. Trotz ihrer relativ kleinen Größe ist sie damit weltweit führend in Bezug auf den Anteil von Atomstrom am Energiemix. Der erste kommerzielle Nuklearreaktor der Slowakei nahm laut der World Nuclear Association bereits 1972 seinen Betrieb auf und seitdem hat die Nuklearenergie stetig zugenommen. Im Jahr 1986 soll das Wachstum der Kernenergie etwa 2,3 Terawattstunden betragen haben. In den Jahren 1993 und 1994 begann die Wasserkraft sich zu entwickeln (plus 1,5 und 0,7 Terawattstunden), während die Kernenergie um 1,1 TWh wuchs.
Bis 2024 waren fünf slowakische Reaktoren in Betrieb und einer wurde gebaut. Drei Reaktoren wurden im Zuge des Atomausstiegs stillgelegt. Der 2023 in Betrieb genommene dritte Reaktor des Atomkraftwerks Mochovce spielt eine besondere Rolle. „Dieses Kernkraftwerk ist in der Tat eines der interessantesten auf dem europäischen Kontinent. Es produziert sauber und zuverlässig Strom für die Slowakei – und ich würde sogar sagen, für Europa“, zitierte die Tagesschau den IAEA-Chef Rafael Grossi.
Der dritte Block sollte eigentlich schon seit zehn Jahren in Betrieb sein – zusammen mit einem vierten, der derzeit noch im Bau ist. „Nach diesem schrittweisen Hochfahren des dritten Blocks konnten wir seit Februar schon 1,3 Terawattstunden Strom ins slowakische Netz einspeisen“, erklärte Branislav Strycek, der Chef der Slowakischen Stromwerke. In der Vergangenheit gab es immer wieder Sicherheitsprobleme bei den Blöcken 3 und 4 von Mochovce, weshalb der Bau von 1993 bis 2009 unterbrochen wurde, um diese zu beheben. Die Bauarbeiten an Block 3 begannen bereits 1987. Experten warnen jedoch, dass es immer noch Schwachstellen gibt, da das Reaktormodell noch aus der Sowjetzeit stammt.
Öl und Gas sind für die Slowakei von geringer Bedeutung – Kernkraft hingegen spielt eine große Rolle
Obwohl die slowakische Regierung die Notwendigkeit einer grünen Transformation anerkannt hat, spielten Solar- und Windenergie 2023 noch keine große Rolle im Energiemix des Landes. Stattdessen setzt das Land stark auf Flüsse und das Meer. 20 Prozent des Energiemixes entfällt auf Wasserkraft. Es gibt Potenzial für den Ausbau in den Bereichen Biomasse und Geothermie, berichtete das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Dezember 2023. Zusammen machen Wasserkraft und Kernkraft mehr als 81 Prozent des slowakischen Energiemixes aus.
Meine news
Reaktorname | Kapazität (MWe) | Datum der Netzanbindung |
Bohunice 3 | 466 | August 1984 |
Bohunice 4 | 466 | August 1985 |
Mochovce 1 | 408 | Juli 1998 |
Mochovce 2 | 408 | Dezember 1999 |
Mochovce 3 | 440 | Januar 2023 |
Quelle: World Nuclear Association
Fossile Brennstoffe spielen mit einem Anteil von weniger als zehn Prozent eine untergeordnete Rolle für die Slowakei. Gas, Öl und Kohle machen zusammen weniger als ein Zehntel des Stromverbrauchs aus. Laut LowCarbonPower ist die Slowakei auch ein wichtiger Exporteur von Elektrizität, was den Nachbarländern hilft, ihre Emissionen zu reduzieren. Die Ukraine spielt dabei eine besondere Rolle – die beiden Länder planen eine engere Zusammenarbeit im Energiebereich, was unter anderem daran liegt, dass die Ukraine nach 2024 kein russisches Gas mehr nach Europa durchleiten will. Dies betrifft die Slowakei direkt.
EU-Länder kehren zur Atomkraft zurück – NZIA stuft Kernenergie als „grüne“ Energie ein
Die Slowakei hat ihren Kohleausstieg kürzlich von 2030 auf 2023 vorgezogen, hauptsächlich aufgrund der Kosten. Für das Land war die Kohleverstromung einfach nicht mehr rentabel, berichtete die Tagesschau. Die Regierung hatte Kohlestrom lange Zeit subventioniert, aber seit Ende 2023 ist damit Schluss. Auf dem Gelände des Kohlekraftwerks Novaky, einst einer der größten Stromproduzenten des Landes, soll ein Solarpark entstehen, der den Strom für die Produktion von grünem Wasserstoff liefern soll.
Zuletzt gab es in mehreren europäischen Ländern eine Abkehr vom Atomausstieg, angeheizt durch die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Energiekrise. Die Schweiz hat ihre Atomverbote umgekehrt, die Niederlande und Belgien haben ihre Ausstiegspläne für Atomstrom verschoben oder ganz aufgehoben, Polen will einsteigen, Frankreich, bereits jetzt ein nukleares Powerhouse, will weitere Anlagen bauen. Auf EU-Ebene gilt Kernenergie seit dem NZIA als „grüne“ Energie, da sie wenig bis keine Treibhausgase verursacht. Kritiker weisen jedoch immer wieder auf die lange Halbwertszeit von atomarem Abfall und die Frage der Endlagerung hin.