Atomkraft-Wende in Europa: Deutschland allein auf weiter Flur – diese Länder kehren zur Kernenergie zurück
Wie andere Länder in Europa auch ist Deutschland vollständig aus der Kernenergie ausgestiegen. Während Berlin standhaft bleibt, wollen einige das Rad zurückdrehen.
München – Nach Angaben der EU liefern Nuklearrektoren etwa 25 Prozent des im Staatenbund erzeugten Stroms. Dieser Anteil könnte in Zukunft steigen. Ein Grund dafür ist, dass die EU-Länder beschlossen haben, bis 2050 klimaneutral zu wirtschaften. Zwar setzen sie auf erneuerbare Energien, doch wird auch eine weitere Energiequelle benötigt, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. In vielen Fällen wird Atomkraft als die Lösung angesehen.
Doch die Haltung dazu ist bei Weitem nicht einheitlich. Einige Länder haben die Nuklearenergie niemals genutzt oder ihr abgeschworen, andere setzen voll auf sie oder überdenken eine Wiedereinführung. Das zeigt der folgende Überblick. Die im Folgenden genannten Zahlen und Entwicklungen basieren auf Angaben der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS), einer Fachorganisation auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit.
Europa und die Atomkraft: Diese Länder produzieren keinen Strom aus Kernenergie
Deutschland hat im Frühjahr 2023 die letzten Nuklearreaktoren vom Netz genommen. Damit endete nach einigen Jahrzehnten die Nutzung der Atomkraft. Dabei soll es auch bleiben. In Österreich wurde das AKW Zwentendorf zwar fast fertiggestellt, aber nie genutzt. Ein Gesetz schließt nun die Energiegewinnung durch Kernspaltung aus.

Auch Portugal, Irland, Zypern, Malta und Luxemburg betreiben keine Nuklearreaktoren.
Europa und die Atomkraft: Diese Länder setzen auf Kernenergie
Eine Mehrheit der europäischen Länder steht der Atomkraft offen gegenüber. Einige setzen sogar vornehmlich auf Nuklearenergie. Ein Vorreiter ist Frankreich, wo die Atomkraft die bedeutendste Energiequelle ist. Frankreich betreibt 57 Kernkraftwerke an 18 Standorten. Bis 2050 könnten bis zu 14 neue Reaktoren hinzukommen. Auch die Laufzeit bestehender Kernkraftwerke soll verlängert werden.
Tschechien betreibt derzeit an zwei Standorten sechs Reaktorblöcke; vier weitere sollen hinzukommen. Rumänien verfügt über zwei Reaktoren; zwei weitere Blöcke sollen bis voraussichtlich 2031 fertiggestellt werden. In Bulgarien sind derzeit zwei Kernkraftwerke in Betrieb; zwei weitere Blöcke sollen dort gebaut werden.
Finnland betreibt fünf Reaktoren an zwei Standorten. Im Frühjahr 2023 nahm das Land einen neuen Reaktor in Betrieb – der erste in Westeuropa seit den 1990er-Jahren. Für die bestehenden Anlagen sollen eine Verlängerung der Betriebsgenehmigungen und eine Leistungserhöhung geprüft werden.
In Polen werden derzeit keine Kernkraftwerke betrieben. Allerdings ist der Bau von Kernkraftwerken geplant: Der erste von sechs Blöcken soll 2036 in Betrieb gehen.
In der Slowakei sind fünf Reaktoren am Netz, ein weiterer befindet sich in der Inbetriebnahmephase. In den Niederlanden wird aktuell ein Kernkraftwerk betrieben. Die Regierung strebt für dieses eine Betriebsverlängerung an und plant den Bau von zwei weiteren Reaktoren.
Im Vereinigten Königreich werden derzeit neun Kernkraftwerksblöcke an vier Standorten betrieben. Aktuell sind zwei neue Reaktoren im Bau und drei weitere sind geplant. Bis 2050 sollen bis zu elf neue Kernkraftwerke gebaut werden.
Europa und die Atomkraft: Diese Länder haben Ausstieg revidiert
Eigentlich hat Schweden den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen. Es wurden bereits mehrere Blöcke abgeschaltet. Doch 2023 kam die Wende. Bis 2033 sollen zwei neue Reaktoren gebaut werden, bis 2045 zehn weitere. Zudem wird eine Verlängerung der Betriebsgenehmigungen der sechs Reaktoren an drei Standorten von 60 auf 80 Jahre geprüft.
In Belgien sollten von ehemals sieben Blöcken eigentlich nur zwei über das Jahr 2025 hinaus betrieben werden. Im Mai hat das belgische Parlament allerdings das bisherige gesetzliche Verbot von Neubauten aufgehoben. Nun sollen die Laufzeiten von insgesamt bis zu fünf Reaktoren bis 2035 beziehungsweise 2045 verlängert werden. Zudem ist auch von einem Bau neuer Anlagen die Rede.
Europa und die Atomkraft: Diese Länder könnten den Ausstieg revidieren
In Spanien produzieren sieben Reaktoren an fünf Standorten Strom. Das Land will bis 2035 aus der Kernenergie aussteigen, der erste Reaktor soll 2027 abgeschaltet werden. Es gibt jedoch Bestrebungen, diesen Ausstieg rückgängig zu machen. So votierte das Unterhaus Mitte Februar 2025 für einen Antrag, der die spanische Regierung dazu auffordert, die Laufzeiten der laufenden Anlagen weiter zu verlängern. Im April signalisierte die Regierung, die Abschaltung der Reaktoren zu überdenken.
Die Schweiz besitzt derzeit vier aktive Atomkraftwerke. Es dürfen jedoch keine neuen Nuklearreaktoren mehr gebaut werden. Dies wurde in einer Volksabstimmung beschlossen. Unter dem Aspekt der Technologieoffenheit soll das bestehende Verbot, neue Anlagen zu errichten, allerdings überprüft werden.

Italien war einst Vorreiter der Atomkraft, das Land schaltete nach Tschernobyl aber alle vier Werke ab. Im Februar 2025 stimmte die Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni jedoch für einen Gesetzentwurf, der die Grundlage für den Bau neuer Atomanlagen schaffen soll.
Dänemark beschloss 1985 ein Verbot der Energieerzeugung durch Atomkraft. Nun könnte das Land jedoch wieder zur Atomkraft zurückkehren. Eine Regierungsmehrheit hat zugestimmt, eine „Prüfung von Potentialen, Möglichkeiten und Risiken“ vorzunehmen.