In der niederländischen Metropole Amsterdam nutzen Blässhühner (Fulica atra) für ihre Brutplätze aufbereiteten Plastikmüll, wodurch sie sich inmitten großer Städte ansiedeln können. Dies geht aus einer Studie hervor, die von Biologen nach der Untersuchung vieler Nester im Stadtzentrum von Amsterdam im Fachmagazin „Ecology“ veröffentlicht wurde.
Bis zu 635 Kunststoffteile pro Nest
Beim Auseinandernehmen der hauptsächlich aus Kunststoff zusammengesetzten Brutstätten fanden die Wissenschaftler unter der Leitung von Auke-Florian Hiemstra von der Universität Leiden mehrere Lagen älterer Kunststoffreste.
In einem besonders reichhaltigen Fund in einem Kanal gegenüber dem archäologischen Museum der Universität Amsterdam wurden 635 Kunststoffteile in einem Nest gefunden, wobei mehr als 200 Teile Nahrungsverpackungen zuzuordnen waren. 32 dieser Teile hatten lesbare Datumsangaben.
„Das Nest erzählt die gesamte Geschichte dieser Vögel in Amsterdam“
Unter den Fundstücken befanden sich Elemente aus den Jahren 1994, 1996 und 2020. Eine Verpackung einer Mars-Schokolade wies auf das Jahr der Fußballweltmeisterschaft 1994 in den USA hin, während einige McDonald's-Verpackungen aus dem Jahr 1996 datieren.
Die neuesten Schichten waren mit 14 Covid-Masken ausgestattet, welche folglich nicht vor 2020 hergestellt worden sein können. „Das Nest erzählt die gesamte Geschichte dieser Vögel in Amsterdam“, sagt Hiemstra.
Tiere ändern ihr Verhalten und erschließen neue Lebensräume
Normalerweise errichten Blässhühner ihre Nester jedes Jahr aufs Neue aus schnell verrottbaren Naturmaterialien. Laut der Studie begannen die Vögel jedoch 1989, in die Amsterdamer Innenstadt vorzudringen, wo wenig natürliches Baumaterial verfügbar ist.
Ein Nest, das gegenüber dem archäologischen Museum der Universität Amsterdam liegt, wurde offenbar in den letzten drei Jahrzehnten etwa zehnmal zum Brüten verwendet. Die Haltbarkeit des Kunststoffmaterials erspart den Vögeln dabei den aufwändigen Neubau des Nests jedes Jahr.
Neben dem Blässhuhn ist der Haubentaucher (Podiceps cristatus) die einzige andere Vogelart, die in der Innenstadt von Amsterdam nistet. Dieser nutzt ebenfalls Plastik für den Nestbau.
Wildtiere können ganze Biotope verändern, wir brauchen ökologisches Gleichgewicht
Die Studie ist ein erstaunliches Beispiel für die Anpassungsfähigkeit von Wildtieren. Ein Bericht der WWF, der im Januar veröffentlicht wurde, unterstreicht zudem ihre gestalterische Funktion für die Umwelt. Sie Tiere verteilen Samen, weiden oder zertrampeln Böden und können durch ihre Strukturen ganze Biotope beeinflussen.
Auf eindrucksvolle Weise zeigte dies Biber in Tschechien. Sie schafften durch ihren Damm in wenigen Tagen, was ein jahrzehntelang geplantes, millionenschweres Renaturierungsprojekt erreichen wollte.
Anne Hanschke, Artenschutzexpertin beim WWF Deutschland, kommentiert den Bericht ihrer Organisation gegenüber National Geographic: „Wildtiere sind unersetzlich für unser menschliches Wohlergehen.“ Der Bericht zeige zudem, dass technische Alternativen die Beiträge von Wildtieren nicht ersetzen können.
nle/mit dpa