Nordkorea lässt wieder Touristen ins Land – das gibt es im Kim-Reich zu sehen
Nach fünf Jahren Abschottung öffnet sich Nordkorea für Touristen aus dem Westen. Ein Reiseleiter erzählt, was Besucher erwartet – und wie sicher Urlaub in der Diktatur ist.
Siebenundzwanzig Mal war Gergo Vaczi schon in Nordkorea. Wenn der Ungar in der kommenden Woche zum achtundzwanzigsten Mal die Grenze zwischen China und dem abgeschotteten Reich von Diktator Kim Jong-un überquert, dann ist das dennoch etwas ganz Besonderes. Denn Vaczi wird einer der ersten Menschen aus dem Westen sein, die Nordkorea besuchen, seit das Land mit Beginn der Corona-Pandemie vor fünf Jahren seine Grenzen dichtgemacht hat. Zuletzt sei er im Januar 2020 in dem Land gewesen, sagt Vaczi am Telefon. Jetzt endlich wieder hinzufahren, „das ist schon aufregend“.
Der 37-Jährige arbeitet als Reiseleiter für Koryo Tours, einen auf Nordkorea spezialisierten Reiseveranstalter mit Sitz in Peking. Wenn alles klappt wie geplant, dann wird er am 13. Februar, zusammen mit ein paar wagemutigen Touristen, in einem Kleinbus die Wonjong-Brücke überqueren, die den Grenzfluss Tumen überspannt und China und die nordkoreanische Stadt Rason miteinander verbindet. Rason ist das erste Reiseziel in Nordkorea, das die Regierung in Pjöngjang wieder für westliche Touristen freigegeben hat.
Urlaub in Nordkorea: Überwachung rund um die Uhr
Rason ist eine Sonderwirtschaftszone, die Stadt mit rund 200.000 Einwohnern grenzt nicht nur an China, sondern auch an Russland. „Man muss sich Rason ein bisschen wie Hongkong vorstellen“, sagt Reiseleiter Gergo Vaczi. Wer vom restlichen Nordkorea in die Stadt will, muss eine Binnengrenze überqueren. Wer von außerhalb des Landes kommt, braucht kein Visum, eine Einreiseerlaubnis genügt. In Rason teste die nordkoreanische Führung neue Ideen für die darbende Wirtschaft des Landes, sagt Vaczi. „Gut möglich, dass das der Grund ist, warum Rason als erste Stadt für ausländische Touristen geöffnet wird.“ Die Stadt unterscheide sich zwar stark vom Rest des Landes, näher als hier kommt man Nordkorea derzeit dennoch nicht.
Vorausgesetzt, die Tour kann tatsächlich stattfinden. Zwar habe Nordkorea erklärt, dass Touristen ab sofort in die Stadt einreisen könnten. Das Problem aber seien die chinesischen Behörden, sagt Vaczi, diese seien noch nicht auf ausländische Reisende eingestellt. Koryo Tours bietet vier Nächte in Rason samt Anreise aus China, Verpflegung und Eintrittsgelder für gut 700 Euro an, bezahlt werden muss allerdings erst, wenn die chinesischen Behörden ihr Go geben. Zu sehen gibt es dann unter anderem eine Taekwondo-Schule, eine Seegurken-Farm und ein Sanatorium.
Wer schon einmal in Nordkorea war, weiß: Mit Urlaub, wie man ihn aus anderen Ländern kennt, hat das alles wenig zu tun. Reisende werden rund um die Uhr von einheimischen Guides begleitet, Passanten dürfen nicht angesprochen, das Hotel kann abends nicht verlassen werden. Was man als Tourist in Nordkorea zu sehen bekommt, ist eine minutiös geplante Inszenierung, eine Art Kim-Jong-un-Disneyland. Wer wissen will, wie es in dem Land abseits der Oberfläche aussieht, muss schon sehr genau hinschauen.

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Vor allem Chinesen reisen nach Nordkorea
Die Armut in dem Land lässt sich dennoch kaum verstecken. „Während der gesamten Reise konnte man die Hoffnungslosigkeit und die ständige Kontrolle im Land spüren“, erzählte im vergangenen Jahr eine russische Touristin dem Guardian. Damals durften ein paar Hundert Russen zum Skiurlaub nach Nordkorea, das Land ist einer der engsten Verbündeten von Wladimir Putin und unterstützt dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit Waffen und Soldaten. Für ihn sei das faszinierendste an einer Nordkorea-Reise, die Bilder, die man vor Abreise im Kopf hat, mit der Realität in dem Land abzugleichen, sagt Reiseleiter Vaczi. „Da entdeckt man auch nach 27 Reisen noch Neues.“
Vor der Pandemie waren es vor allem chinesische Touristen, die nach Nordkorea gefahren sind. Laut einer Schätzung des Portals NK News reisten 2019, im letzten Jahr vor der Grenzschließung, 350.000 Chinesen in ihr Nachbarland. Aus dem Westen waren es stets nur ein paar Tausend.
Wie sicher sind Reisen nach Nordkorea?
Vor allem seit der US-Tourist Otto Warmbier 2016 zu 15 Jahren Straflager verurteilt worden war, weil er ein Propagandaposter aus seinem Hotel gestohlen haben soll, und wenig später starb, fragen sich viele: Ist Nordkorea ein sicheres Reiseziel? Reiseleiter Gergo Vaczi sieht das so: „Wenn man sich an die Regeln hält, und das sind nicht viele, dann ist Nordkorea sicher.“ Wer aber die Staatsführung um Diktator Kim Jong-un kritisiere oder Werbung für ausländische Religionen mache, müsse mit extremen Konsequenzen rechnen. Vor der Abreise würden Nordkorea-Urlauber deshalb intensiv geschult.
Auch das immer wieder vorgebrachte Argument, Nordkorea-Touristen würden mit ihren Devisen das Raketen- und Atomprogramm des Kim-Regimes bezahlen, will Vaczi nicht gelten lassen. „Es ist nicht der Tourismus, der das Regime am Leben hält oder das Atomprogramm oder die Gefangenenlager finanziert. Wenn das so wichtig wäre, hätten sie das Land schon längst für Touristen geöffnet.“
Kim Jong-un besichtigt neues Reiseziel
Wann Nordkorea Reisende aus dem Westen auch in den Rest des Landes lässt, ist unklar. Eigentlich hätte es schon Ende letzten Jahre so weit sein sollen, erste Reisebüros hatten Silvester-Trips nach Pjöngjang im Programm. Doch die Grenzen blieben geschlossen. Auch Koryo-Tours-Reiseleiter Gergo Vaczi will keine Prognose abgeben.
Was er sagen kann: Einige Ziele, die vor der Pandemie noch zu den Höhepunkten jeder Nordkorea-Reise zählten, wurden von den Behörden in Pjöngjang für Tabu erklärt. Dazu zählt auch die sogenannte Demilitarisierte Zone, das trotz seines Namen schwer gesicherte Grenzgebiet zwischen den beiden koreanischen Staaten. Ende vergangenen Jahres hatte Kim Jong-un hier mehrere Straßen- und Schienenverbindungen in Richtung Süden in die Luft sprengen lassen. Immerhin, die Hauptstadt Pjöngjang, mit ihren überlebensgroßen Statuen von Staatsgründer Kim Il-sung und seinem Sohn, dürfte ein bizarres Highlight bleiben.

Schon bald könnte zudem ein neues Reiseziel hinzukommen: Im Juni will Nordkorea an der Ostküste des Landes, nahe der Hafenstadt Wonsan, ein neues Urlaubsressort eröffnen. Auf Fotos, die Staatsmedien im vergangenen Dezember veröffentlicht haben, sieht man gesichtslose Bettenburgen, die sich über Hunderte Meter den Sandstrand entlang ziehen. Auch Kim hat das Projekt demnach bereits besichtigt. „Mit einem strahlenden Lächeln betrachtete er die malerisch an der Küste gelegene Touristenstadt mit ihrem Strand, der von den klaren blauen Wellen des Ostmeers umspült wird“, dichtete Nordkoreas staatliche Nachrichtenagentur. Vielleicht können eines Tages auch westliche Touristen hier in die Fluten springen. Unter dem gestrengen Blick ihres Aufpassers, versteht sich.