Kommentar von Hugo Müller-Vogg - Klima-Urteil ist für die Ampel eine doppelt peinliche Klatsche

Für Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Grüne) und Christian Lindner (FDP) ist das Berliner Urteil nicht so schlimm wie das jüngste aus Karlsruhe. Die Regierung kann und wird nämlich in die Revision gehen.

Das Bundesverwaltungsgericht wird als nächste Instanz entscheiden. Das hilft der rot-grün-gelben Regierung schon deshalb, weil sie – anders als bei der Haushaltsmisere – nicht zu schnellem Handeln gezwungen ist.

Wieder ein Urteil und dann auch noch wegen Klimaschutz - doppelt peinlich

Gleichwohl ist das Ganze für die Regierung aus einem weiteren Grund höchst blamabel. Scholz hatte sich im Wahlkampf als „Klimakanzler“ präsentiert, unter dem alles besser werde. Sein Vize Robert-Habeck nennt sich sogar „Bundesminister für Wirtschafts- und Klimaschutz“. Doch das Gericht hält ihnen vor, ihre eigenen Gesetze nicht ernst genug zu nehmen.

Im Kern geht es um das Klimaschutzgesetz, das für jeden Sektor jährliche Ziele zur Senkung der schädlichen Treibhausgase vorschreibt. Werden diese in einzelnen Sektoren verfehlt, muss dem Gesetz zufolge das jeweils zuständige Ministerium mit einem Sofortprogramm gegensteuern.

Weil Bauministerin Klara Geywitz (SPD) und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) in ihren Bereichen diese Ziele schon 2022 nicht einhalten konnten, hat die Ampel sich einen Ausweg ausgedacht.

Dieser sieht vor, dass nicht mehr jeder Sektor seine Jahresziele erreichen muss. Vielmehr muss die für das Land insgesamt vorgeschriebene Senkung der Treibhausgase erreicht werden. Ob einzelne Sektoren ihre Ziele erreichen oder nicht, ist dann nicht mehr so wichtig.

Das Gericht sieht das anders. Es verlangt von der Bundesregierung zusätzliche Maßnahmen, um die Klimaziele für die Jahre 2024 bis 2030 sicher zu erreichen. Da ist so, als ob der Lehrer bei einer schlecht ausgefallenen Klassenarbeit zusätzlichen Unterricht ansetzt.

Parteien haben sich beim Klima überboten im Wahlkampf

Die Regierungsparteien stehen auch deshalb schlecht da, weil sie die angestrebten Änderungen im Gesetz vereinbart, aber noch nicht umgesetzt haben. Denn der Bundestag hat noch nicht beschlossen, was die Koalitionäre ausgekungelt haben, um Geywitz und Wissing das Leben zu erleichtern.

Wie sehr hatten SPD und Grüne noch im Wahlkampf 2021 darum gestritten, wer das Klima schneller rettet. „Am Klimaziel führt kein Weg vorbei“ plakatierten die Grünen.

Auf Großflächenplakaten der SPD wurde Scholz überlebensgroß als „Kanzler für Klimaschutz“ präsentiert. Um so peinlicher, wenn jetzt ein Gericht diese Klimaschützer zwingen will, mehr zu tun.

Kurz vor dem zweijährigen Jubiläum der Ampel – Kanzlerwahl war am 8. Dezember 2021 – steckt die Koalition wieder einmal in einer Krise. Die Opposition versucht, ihr das Leben schwer zu machen; die Gerichte tun es tatsächlich.

Vielleicht finden Scholz, Habeck und die anderen Regierungsmitglieder ja Trost bei der Lebensweisheit des einstigen Mittelstürmers Jürgen Wegmann (Dortmund, Schalke, Bayern): „Erst hatten wir kein Glück, dann kam Pech dazu“.