Kaum Nachfrage: Tölzer Stadtrat gibt Erbpacht-Modell im Wohngebiet Hintersberg auf

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Neun Grundstücke für drei Dreispänner auf der ehemaligen Zwickerwiese sollen mangels geeigneter Nachfrage nach dem Willen des Stadtrates verkauft und nicht, wie 2021 beschlossen, in Erbpacht vergeben werden. © Karl Bock

Ist teurer Kauf gefragter als günstige Erbpacht? Um diese Frage ging es in der jüngsten Stadtratssitzung, als über einen Antrag von fünf Stadträten diskutiert und entschieden wurde.

Bad Tölz – Demnach werden neun Parzellen für drei sogenannte Dreispänner im Baugebiet Hintersberg II in einem Verkaufsverfahren veräußert. Grund: wegen der in den vergangenen Jahren stark gestiegenen Kosten für den Hausbau können viele Interessenten das eigene Heim dort nicht mehr finanzieren und sind abgesprungen. Die Stadt möchte aber auf die Einnahmen aus dem Grundstücksverkauf nicht verzichten.

Junge Familien können sich kaum mehr ein eigenes Haus leisten, vor allem in Hochpreisregionen wie Bad Tölz. Bis zu 300.000 Euro für das Grundstück, mehr als 700.000 Euro für eine Doppelhaushälfte – dies ist auch bei gehobenen Einkommen kaum zu stemmen.

Zu wenig Interessenten für Erbachtregelung im Neubaugebiet Hintersberg II

Deshalb hatte der Tölzer Stadtrat im Mai 2021 beschlossen, neun Parzellen im Neubaugebiet Hintersberg II, auf der sogenannten Zwickerwiese, in Erbpacht zu vergeben. So müssen Bewerber das Grundstück nicht kaufen, sondern können es für einige Jahrzehnte mieten und zahlen dafür den sogenannten Erbpachtzins. Diese Regelung hat der Stadtrat jetzt mit zwölf zu neun Stimmen gekippt. Grund: Man hat zu wenige Interessenten für die Erbpachtregelung.

Auf der Zwickerwiese, einem früheren landwirtschaftlichen Grundstück nördlich der Heiß- und Ludwig-Thoma-Straße, wurden in den vergangenen Jahren nach der Erschließung durch Straßen, Wasser, Strom und Abwasser 14 Parzellen durch die Stadt verkauft und inzwischen auch bebaut.

In einem Vergabeverfahren, das die Stadt entwickelt hatte, wurden Punkte vergeben und eine Rangliste erstellt. Demnach kamen die Tölzer Bauwilligen zuerst zum Zug, die mehr Kinder, aber weniger Einkommen hatten. Die letzte, zu einem Quadratmeterpreis von 750 Euro abgegebene voll erschlossene Baufläche, bekam ein Interessent, der noch hinter Platz 60 lag.

„Für die 14 Parzellen waren über 60 geeignete Bewerber notwendig, um diese erfolgreich zu veräußern“, sagte denn auch Zweiter Bürgermeister Michael Lindmair (FWG). Seiner Meinung nach wäre das Problem nicht der Kaufpreis für das Grundstück, sondern seien die extrem angestiegenen Bau- und Baunebenkosten. Viele der von der Stadt eigentlich gewünschten Interessenten könnten sich ein Haus nicht mehr leisten. Außerdem habe schon die Bürgerbefragung vor vier Jahren gezeigt, dass das Interesse am Erbpachtgrund gering sei.

Lange und kontroverse Debatte im Tölzer Stadtrat

Zusammen mit René Mühlberger (CSU), Willi Streicher, Michael Ernst (beide SPD) und Peter von der Wippel (FWG) hatte Lindmair deshalb schriftlich den Antrag gestellt, die restlichen Parzellen zu verkaufen. Damit löste er eine kontroverse Debatte in der jüngsten Sitzung aus.

Vor allem die siebenköpfige Grünen-Fraktion war strikt dagegen, den Stadtratsbeschluss von 2021 aufzuheben. Bärbel Weixner erinnerte ebenso wie Gabriele Frei (CSU) an eine frühere Aussage von Bürgermeister Ingo Mehner (CSU), wonach über gefasste Beschlüsse nicht erneut abgestimmt werden sollte. Mehner sah das jetzt anders: „Wenn neue Gesichtspunkte vorliegen“, könne man durchaus neu abstimmen.

Die Argumentation der Antragsteller bezeichnete Toni Kollmeier (Grüne) als widersprüchlich. Viele Bauwerber seien abgesprungen, weil die Preise enorm gestiegen seien, umso wichtiger wäre deshalb seiner Meinung nach das Erbbaurecht. Johannes Gundermann (Grüne) stellte vergeblich den Antrag, das Erbbaurecht zunächst auf drei Parzellen für einen Dreispänner zu beschränken: „Dann hat man Erfahrungen, wie das nachgefragt wird.“

Richard Hoch (Grüne) hatte zu Beginn der Ratssitzung beantragt, das Thema von der Tagesordnung zu streichen – was mit neun zu zwölf Stimmen abgelehnt wurde. Er pochte auf den Beschluss von 2021. „Mir kann niemand erzählen, dass ich dieselbe Klientel kriege mit dem Grundstücksverkauf und mit der Erbpacht.“

Hoch, rechnete vor, dass beim Kauf einer Parzelle im Wert von 300.000 Euro rund 18.000 Euro pro Jahr an Zins- und Tilgungsleistungen fällig würden, also 1500 Euro monatlich. Dem stünde ein Erbpachtzins von nur 500 Euro gegenüber. Michael Ernst (SPD) meinte, dass es auch bei Erbpacht schwierig sei, eine komplette Finanzierung zu bekommen, schließlich sei für die Banken nicht der Wert des Hauses, sondern der Wert des Grundstücks entscheidend.

Problem: Haushaltslage der Kreisstadt Bad Tölz

Mit Blick auf die Haushaltslage, die in den nächsten Jahren problematischer werde, müsse man „schon überlegen, ob wir es uns leisten können, auf den Verkaufserlös der Grundstücke zu verzichten“, warf CSU-Fraktionssprecher Mühlberger ein.

Anton Mayer (CSU) verwies darauf, dass die Erbpachtregelung vor vier Jahren ein Anliegen des inzwischen ausgeschiedenen Grünen-Stadtrates Franz Mayer-Schwendner gewesen war. „Jetzt ist es an der Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen, den Pfusch zu vergessen und sich grundsätzlich Gedanken zu machen“, so Mayer.

Für den Antrag, die Grundstücke im aktualisierten Punkteverfahren zu verkaufen, stimmten Bürgermeister Mehner und die Stadträte Mayer, Botzenhart, Brandl, Mühlberger, Winter, Bauer (alle CSU), Lindmair, Andrea Niedermaier, von der Wippel, Harrer (alle FWG) sowie Ernst (SPD).

Dagegen waren die Stadträte: Gundermann, Weixner, Kollmeier, Bigos, Pfund, Hoch (alle Grüne), Fottner (FWG), Frei sowie Dostthaler (CSU). Karl Bock

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