Sorge über Worst-Case-Szenario: Droht Deutschland an Ostern Stromausfall?
Müssen einige Netzgebiete Stromausfall bzw. eine Stromabschaltung an Ostern befürchten? Erste Einschätzungen weisen auf den Ernst der Lage hin.
Berlin – Solarstrom fördert die Energiewende – doch der fortschreitende Ausbau der Solaranlagen birgt auch erhebliche Risiken. Die Sorge vor beunruhigenden Szenarien wächst: Selbst Fachleute schlagen nun Alarm, besonders in Hinblick auf Ostern. Denn an solchen sonnigen Feiertagen könnte es einen Stromüberschuss geben, weil die Menschen „zu wenig“ Strom verbrauchen. Hinzu kommt ein weiteres Problem.
Zu viel Strom auf dem Markt – Sorge vor Szenarien an Ostern
Wenn durch den Stromüberschuss ein Ungleichgewicht zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch entsteht, droht ein technischer Stress. Davor warnte bereits der Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller im Interview mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung im November 2024. Steigt der Stromüberschuss zu stark, müssten Solaranlagen vom Netz genommen werden.

Ein weiteres Problem ist, dass viele Solaranlagen in Deutschland nicht regelbar sind. Sie produzieren dann noch Strom, wenn das Netz bereits völlig überlastet ist und niemand mehr den zusätzlichen Strom benötigt. Laut dem Handelsblatt müsste im Zweifel das gesamte Verteilnetz abgeklemmt werden, an dem die Solaranlagen angeschlossen sind – was einen Stromausfall für alle Verbraucher bedeutet, die an diesem Verteilnetz hängen. Seit Ende 2023 ist es möglich, dass Verteilnetzbetreiber den Strombezug bei Überlastung senken können. Verbraucher erhalten im Gegenzug eine Ermäßigung.
Müssen einige Haushalte Stromausfall an Ostern befürchten? Experten geben Einschätzung
Zwar gibt es Maßnahmen, die eine stufenweise und regulierte Abschaltung ermöglichen könnten. So wurden laut dem Berliner Energie-Ökonom Lion Hirth in Deutschland alte Wechselrichter bereits nachgerüstet. Die neueren Versionen können dafür sorgen, dass Solaranlagen bei Frequenzüberschreitungen stufenweise abgeschaltet werden statt auf einen Schlag, erklärte er gegenüber dem Handelsblatt. Solch eine Nachrüstung gab es laut Hirth aber noch nicht überall in Europa. Und die stufenweise Abschaltung sei in der Praxis noch nie getestet worden.
Im schlimmsten Fall gäbe es in einzelnen Netzgebieten so viel Überschussstrom, dass sie vom großen Übertragungsstromnetz getrennt würden, um einen deutschland- oder gar europaweiten Blackout zu verhindern. Ein flächendeckender Stromausfall steht nicht zu befürchten.
Es könnte allerdings zu sogenannten „Brownouts“ kommen. Bei einem „Brownout“ schalten die Netzbetreiber die Stromversorgung in manchen Bereichen für einen beschränkten Zeitraum gezielt ab oder verringern sie. Solche Maßnahmen werden angewendet, um einen Blackout zu verhindern und das Stromnetz zu stabilisieren. Die Folge: Mehrere Städte oder Gemeinden hätten für einige Stunden um die Mittagszeit herum keinen Strom. Für dieses Jahr können die Experten jedoch beruhigen. „Solarstromspitzen können zu lokalen Engpässen führen. Für die Netzstabilität insgesamt erwarten wir in diesem Jahr jedoch kein Problem“, sagte Frank Reyer, Leiter Netzführung und Systemsteuerung bei Amprion, zum Handelsblatt.
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Überschüssiger Strom erzeugt negative Strompreise – Regeln der Einspeisevergütung werden angepasst
Überschüssiger Strom erzeugt zudem negative Strompreise. Es gibt also so viel Strom am Markt bei geringer Nachfrage, dass er an der Börse verschenkt wird. Das kostet auch den deutschen Staat viel Geld. Die Bundesregierung hat deshalb eine Überarbeitung der Einspeisevergütung durchgesetzt. Die Bundesregierung aus SPD und Grünen hatte jüngst noch mit den Stimmen der Opposition eine Gesetzesnovelle durch den Bundestag gebracht, sodass Solarbesitzer in Zeiten negativer Strompreise kein Geld mehr bekommen. Gehofft wird, dass die Anlagenbetreiber stattdessen ihren Solarstrom einspeichern und/oder selbst vollständig nutzen.
Damit PV-Besitzer aber keine Verluste fürchten müssen, sollen die Zeiten, in denen man keine Vergütung bekommt, quasi „zurückgezahlt“ werden. Die Vergütung gilt in der Regel 20 Jahre lang, das heißt am Ende dieser Laufzeit wird nochmal zusammengerechnet, wie viele negative Stromstunden es gab und der Vergütungszeitraum verlängert sich dann um diese Menge.
Regulierung der Strom-Einspeisung: Was Verbraucher selbst tun können
Über Möglichkeiten zur Steuerbarkeit der Solaranlagen wird schon länger diskutiert. Verbraucher können auch selbst aktiv werden, um die Einspeisung zu regulieren. Eine Lösung zur Regulierung der Einspeisung wäre die Etablierung dynamischer Stromtarife und Smart Meter. Smart Meter bestehen aus einem digitalen Stromzähler und einem Kommunikationsmodul, das die Datenübertragung zum Energieversorger ermöglicht. Bei einer drohenden Überlastung des Netzes kann der Netzbetreiber ein entsprechendes Signal über das Smart Meter an eine Steuerungseinheit senden, die dann eine Dimmung auslöst.
Verbraucherinnen und Verbraucher, die Smart-Meter nutzen, von dynamischen Tarifen profitieren: Sie können dann Strom beziehen, wenn er in kostengünstigeren Zeiten mit hoher Erneuerbare-Energien-Erzeugung zur Verfügung steht. Ab 2025 ist der Einbau von intelligenten Messsystemen verpflichtend für Haushalte mit einem Jahresstromverbrauch von über 6000 Kilowattstunden oder einer Photovoltaik-Anlage mit mehr als sieben Kilowatt installierter Leistung. (bohy)