Vermisste Emanuela Orlandi: Dokumente aus geheimer Akte enthüllt – Vatikan rückt erneut in den Fokus

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Seit mehr als 40 Jahren gilt Emanuela Orlandi als vermisst. Nun liefern Geheimdienst-Papiere möglicherweise neue Hintergründe zu ihrem Verschwinden.

Rom – Es ist zweifelsohne einer der rätselhaftesten Vermisstenfälle Italiens. Das Verschwinden der damals 15-jährigen Emanuela Orlandi im Jahr 1983 ist auch heute, fast 42 Jahre danach, immer noch ungelöst. Erst im vergangenen Sommer tauchten mutmaßliche Tonaufnahmen der Vermissten auf. Nun werfen zwei bisher unveröffentlichte Dokumente ein neues Licht auf den Vermisstenfall.

Jüngst veröffentlichte Dokumente könnten ein neues Licht auf den Fall der seit 1983 vermissten Emanuela Orlandi werfen. (Collage) © Eric Vandevilla/ABACA/Imago Il Venerdi/La Repubblica

„Sehr wichtige Informationen“ – Zwei neue Dokumente im Vermisstenfall Emanuela Orlandi aufgetaucht

Laut Berichten der wöchentlichen Repubblica-Beilage Il Venerdì legen die bislang unbekannten Dokumente nahe, dass der Vatikan möglicherweise Lösegeld für die Freilassung von Emanuela Orlandi gezahlt haben könnte. Dies zumindest geht aus dem ersten Papier hervor, das vom damaligen italienischen Militärgeheimdienst SISMI stammt und auf den 27. Juli 1983 datiert ist – etwa einen Monat nach Emanuelas Verschwinden. Die veröffentlichten Dokumente sind nur ein Teil einer mehr als 450 Seiten fassenden Vatikan-Akte, die sich im zentralen Staatsarchiv befindet.

Im ersten Dokument wird, wenn auch im Konjunktiv formuliert, die Möglichkeit einer Lösegeldzahlung durch den Vatikan erwähnt. Wörtlich heißt es: „Es hätte bereits eine Lösegeldzahlung stattgefunden.“ Die Informationen sollen von einer Quelle innerhalb der Carabinieri stammen. Diese Quelle habe des Weiteren festgehalten, dass der Vater der Verschwundenen, Ercole Orlandi, seinerzeit Bediensteter im Kirchenstaat, eine Person gewesen sei, „die ‚sehr wichtige‘ Informationen innerhalb des Vatikans“ kenne.

Im Laufe der Jahre wurden verschiedene Theorien über ihr Verschwinden aufgestellt – von einer Entführung durch die Mafia als Druckmittel gegen den Vatikan bis hin zu Verbindungen zur Attentatsverschwörung gegen Papst Johannes Paul II. und zur römischen Unterwelt.

Orlandi-Dokument offenbart geheimes Treffen kurz nach Verschwinden

Das zweite Dokument, datiert auf den 12. August 1983, dokumentiert ein Treffen im Vatikan, das am Vortag, dem 11. August, stattgefunden hatte. An diesem Treffen nahmen hochrangige Ermittler teil, darunter der zuständige Staatsanwalt, Domenico Sica, der Leiter der Mordkommission, Nicola Cavaliere, ein Oberstleutnant der Carabinieri und Erzbischof Eduardo Martinez Somalo, enger Mitarbeiter des damaligen Staatsekretärs Agostino Casaroli.

Wie aus dem Papier hervorgeht, soll Somalo bei dem Treffen eine angebliche Zahlung von Lösegeld sowie eine Kontaktaufnahme mit den Entführern Orlandis seitens des Vatikans dementiert haben.

Stattdessen lenkt der Erzbischof laut Papier den Verdacht auf den bulgarischen Staatsbürger Theodor Hlebaroff, der im Vatikan um politisches Aysl angesucht hatte. Dieser habe das Päpstliche Institut für Kirchenmusik in Rom besucht, derselben Musikschule, auf deren Heimweg Orlandi am 22. Juni 1983 verschwand. Aussagen Somalos zufolge soll der Bulgare „schwere Drohungen“ an den Vatikan gerichtet haben.

Nach Veröffentlichung bisher unbekannter Dokumente wird Kritik am Vatikan laut: „Haben sie nie gesehen“

Die von ll Venerdì veröffentlichten Dokumente wurden einer parlamentarischen Untersuchungskommission vorgelegt, die sich mit dem Vermisstenfall befasst. Neben den Inhalten selbst sorgt jedoch vor allem ein Aspekt für Unmut.

Roberto Morassut, stellvertretender Vorsitzender der Untersuchungskommission zu den Fällen Emanuela Orlandi und Mirella Gregori, die ebenfalls zur selben Zeit verschwunden war, bezeichnete die Veröffentlichung dieser Dokumente als „schwerwiegend“. Er kritisierte besonders die Tatsache, dass die Kommission zuvor informiert worden war, die entsprechende Akte im Staatsarchiv sei „leer“, während nun offensichtlich wichtige Dokumente darin enthalten seien, berichtet der Corriere di Roma.

Dieser Umstand wird, unabhängig von der Glaubwürdigkeit der Dokumente, der Ausschuss im Rahmen seiner Untersuchungsbefugnisse untersuchen.

Laura Sgrò, die Anwältin der Familie Orlandi, erklärte: „Wir hatten nie Zweifel daran, dass im Vatikan eine Akte über die Entführung von Emanuela Orlandi existiert, und deshalb fordern wir seit 2017 lautstark Einsicht. Es ist bedauerlich, dass wir im Jahr 2025 immer noch darüber sprechen, aber wir haben sie nie gesehen.“ Die Anwältin forderte den Vatikan auf, die Akte umgehend der römischen Staatsanwaltschaft und der parlamentarischen Untersuchungskommission zur Verfügung zu stellen, „im Sinne einer Zusammenarbeit bei der Suche nach der Wahrheit“. Erst seit 2023 arbeitet der Vatikan gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft an der Aufklärung des Falls.

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