Arzt missbrauchte 299 Kinder: Höchststrafe für Chirurg aus Frankreich – „Abscheuliche Taten begangen“

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Die vom Künstler veröffentlichte Gerichtsskizze zeigt den pensionierten französischen Chirurgen Joel Le Scouarnec bei seinem Prozess im Gerichtsgebäude. Im wohl größten Prozess um Kindesmissbrauch in Frankreich mit 299 Opfern will der angeklagte Chirurg keine Gnade vom Gericht. © Benoit Peyrucq/picture alliance/dpa/AFP

Über Jahrzehnte missbrauchte ein Chirurg junge Patientinnen und Patienten – viele davon unter Narkose. Jetzt wurde er zu 20 Jahren Haft verurteilt.

Vannes – Von einem Chirurgen erwartet man, dass er Leben rettet – doch Dr. Joël Le Scouarnec (74) aus der Bretagne zerstörte sie. Am Mittwoch (28. Mai) fiel im westfranzösischen Vannes das Urteil im wohl größten Missbrauchsprozess der französischen Geschichte: 20 Jahre Haft für den Doktor, der 299 Kinder missbrauchte.

299 Kinder missbraucht: Arzt aus Frankreich gesteht alle Fälle vor Gericht – „Abscheuliche Taten begangen“

Er habe seine Opfer wie leblose Objekte behandelt, sagte der Staatsanwalt vor Gericht und forderte „keine Nachsicht“. Die meisten Kinder waren durchschnittlich erst 11 Jahre alt, als der Arzt sich an ihnen verging. Er soll seine Handlungen oft als medizinische Untersuchungen kaschiert haben.

Der pensionierte Mediziner gestand vor dem Gericht in Vannes alle angeklagten Fälle. Zwischen 1989 und 2014 missbrauchte er insgesamt 158 Patienten und 141 Patientinnen. „Ich habe abscheuliche Taten begangen“, räumte Le Scouarnec ein. „Ich muss die Verantwortung für meine Taten tragen und die Konsequenzen für die Opfer, die sie ihr Leben lang haben werden.“

Große Kritik an Frankreichs Behörden: Arzt wurde bereits 2005 verurteilt, aber nicht gestoppt

Bereits 2005 war der Arzt wegen Kinderpornografie verurteilt worden – auf Bewährung. Doch niemand stoppte ihn, er durfte weiter praktizieren. Selbst Frankreichs Ärztekammer räumte in dem Prozess eigenes Versagen ein.

„Wie hat Doktor Scouarnec 30 Jahre lang praktizieren können, wie hat man ihn seinen Gang gehen lassen können, wieso hat das niemand gewusst?“, fragte eine 36-jährige Betroffene vor Gericht. Der Verteidiger sprach von „einem großen Versagen unserer Gesundheitssysteme“. Hinweise auf ein Fehlverhalten seien bagatellisiert worden – man habe den Arzt lieber auf seinem Posten behalten.

Tagebücher offenbarten Ausmaß des Missbrauchs – viele Opfer wussten nichts

Ins Rollen kamen die Ermittlungen 2017, als eine Nachbarin Anzeige erstattete. Ihre sechsjährige Tochter war von dem Arzt im Garten missbraucht worden. Bei Durchsuchungen fanden die Fahnder rund 300.000 Fotos von Kindesmissbrauch sowie Tagebücher, in denen der Arzt seinen jahrzehntelangen Missbrauch detailreich festgehalten hatte.

Mit diesen Aufzeichnungen machten sich die Behörden auf die Suche nach den oft unwissenden Opfern. Viele erfuhren erst durch die Polizei, dass sie in ihrer Kindheit missbraucht worden waren.

Chirurg erhält Höchststrafe von 20 Jahren – Opfer berichten von Folgen

Bereits 2020 war Le Scouarnec wegen vier Missbrauchsfällen zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Nun folgte das zweite Verfahren mit der Höchststrafe von 20 Jahren. Der Staatsanwalt betonte jedoch, die Zahl der Opfer sei noch höher. Wahrscheinlich wird es ein weiteres Strafverfahren geben.

Vor Gericht gestand der Arzt unerwartet auch, sich an seiner damals zweijährigen Enkeltochter vergangen zu haben. Seine Familie will nichts vom Missbrauch gewusst haben.

Die Opfer leiden bis heute unter den Folgen. Gutachter stellten bei ihnen posttraumatische Syndrome, Blockaden und körperliche Beschwerden infolge psychologischer Belastungen fest. Vor Gericht sprachen zahlreiche Opfer über die Traumatisierung und die psychologischen Schäden durch den Missbrauch. Auch Kinder, die den Missbrauch als solchen nicht bemerkten, reagierten unbewusst auf die erlittene Gewalt. (moe/dpa)

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