„Können Putin nie vertrauen“ – Ukraine-Analystin warnt: Warum der Alaska-Gipfel mit Trump eine Falle ist
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Am Freitag sprechen Donald Trump und Wladimir Putin in Alaska über die Zukunft der Ukraine. Wie denken die Menschen in dem Land über das Treffen?
Man spricht über sie – aber nicht mit ihr: Am Freitag treffen sich US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin in Alaska zu Verhandlungen über ein mögliches Ende des Kriegs in der Ukraine. Nicht mit dabei: der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und Vertreter der EU. Warum die Ukrainer keine großen Hoffnungen in den Alaska-Gipfel setzen und wie sie über mögliche Gebietsabtretungen denken, erklärt die Analystin Nataliya Butyrska vom New Europe Center in Kiew im Interview.
Frau Butyrska, vor dem Treffen zwischen Wladimir Putin und Donald Trump ist die Rede von einem angeblichen „Waffenstillstand in der Luft“, also einem Ende der russischen Luftschläge …
… ja, zumindest hier in Kiew war es zuletzt tatsächlich überraschend ruhig. Zwar gab es in den letzten Tagen immer wieder auch Luftangriffe der Russen, aber die zielten vor allem auf Städte in Frontnähe. In Kiew ist die Zahl der Drohnenangriffe deutlich zurückgegangen. Wir sollten uns aber nicht täuschen lassen: Wladimir Putin macht das nur, um beim Treffen mit Trump behaupten zu können, er sei zu Zugeständnissen bereit.
Mit welchen Gefühlen blicken die Menschen in der Ukraine auf diesen Freitag?
Die Menschen setzen keine großen Hoffnungen in den Gipfel. Putin hat klargemacht, dass er seine Kriegsziele nicht aufgeben wird. Und auch von Donald Trump sind viele Menschen enttäuscht. Er hatte Putin ein Ultimatum gesetzt, um den Krieg zu beenden. Und als die Frist abgelaufen ist, ist nichts passiert. Stattdessen ist auf einmal die Rede davon, dass die Ukraine Gebiete an Russland abtreten soll.
Zur Person
Nataliya Butyrska ist Analystin beim New Europe Center, einer Denkfabrik mit Sitz in Kiew. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Geopolitik, Internationale Beziehungen und die Beziehungen Russlands und der Ukraine zu Ostasien.

„Für Putin geht es bei diesem Treffen nicht darum, den Krieg zu beenden“
Haben Sie Angst, dass Trump und Putin über den Kopf der Ukrainer hinweg einen Deal aushandeln könnten?
Ohne die Ukrainer über die Ukraine zu sprechen, das birgt natürlich die Gefahr, dass Putin Trump zu Zugeständnissen bewegen könnte, die nicht im Interesse der Ukraine sind. Zumal auch die Europäer in Alaska nicht dabei sein werden. Für Putin geht es bei diesem Treffen nicht darum, den Krieg zu beenden. Sondern darum, mit Trump an einem Tisch zu sitzen. Putin will zeigen, dass er international alles andere als isoliert ist und dass Russland noch immer als Großmacht wahrgenommen wird.
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Würden die Ukrainer denn Gebietsabtretungen oder einen Tausch von Gebieten akzeptieren?
Nein, auf keinen Fall. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, wir würden den gesamten Donbass an Russland abtreten – das beträfe auch Großstädte wie Kramatorsk oder Slowjansk. Vor ein paar Tagen bin ich im Bus neben einer Frau aus Slowjansk gesessen, die für ein paar Tage in Kiew war. Ihre erwachsenen Kinder leben in den Niederlanden, sind also in Sicherheit. Die Frau und ihr Mann aber leben noch immer in Slowjansk, weil sie dort eine Wohnung haben und es sich nicht leisten können, wegzuziehen. Und weil sie ihre Heimat schlicht und einfach nicht verlassen wollen. Wenn wir darüber reden, Gebiete an Russland abzutreten, dann geht es auch um solche Menschen, um solche Schicksale. Was mit den Menschen passiert, die unter russischer Herrschaft leben, wissen wir ja, sie dürften nicht einmal mehr Ukrainisch sprechen.
Wolodymyr Selenskyj hat Gebietsabtretungen kategorisch ausgeschlossen, Trump spricht dennoch darüber.
Selenskyj weiß, dass die Ukrainer das nicht akzeptieren würden. Den Russen Gebiete zu überlassen, die sie derzeit nicht besetzt halten, das könnte man den Menschen nicht vermitteln. Das würde die Einheit unseres Landes schwer beschädigen. Außerdem hat das Thema noch eine militärische Komponente.
Wie meinen Sie das?
Die Ukraine hat im Donbass seit 2015 viele Befestigungslinien errichtet, die an Russland fallen würden. Die Ukraine stünde dann einem feindlich gesinnten Russland gegenüber, ohne eigene Befestigungsanlagen.
„Für viele Ukrainer wäre ein Einfrieren des Kriegs entlang der aktuellen Frontlinie eine Option“
Trump wird auch von der Ukraine Zugeständnisse verlangen.
Uns ist klar, dass die militärische Situation derzeit nicht gut ist, wir werden die Russen in naher Zukunft nicht aus den besetzten Gebieten vertreiben können. Deswegen wäre für viele Ukrainer wohl zumindest ein Einfrieren des Kriegs entlang der aktuellen Frontlinie eine Option. Auch wenn das natürlich sehr schmerzhaft wäre. Und sehr gefährlich. Nach den Minsker Abkommen wurde der Krieg im Osten der Ukraine ja schon einmal scheinbar eingefroren – ein paar Jahre später hat Putin dann die gesamte Ukraine überfallen. Und derzeit sieht es ja nicht danach aus, als seien die USA bereit, der Ukraine irgendwelche Sicherheitsgarantien zu geben.
Was ist aus Sicht der Ukraine das bestmögliche Ergebnis, das am Freitag erzielt werden kann?
Die Ukrainer wünschen sich natürlich einen dauerhaften Frieden. Aber das ist mit Putin nicht möglich. Realistisch ist ein Waffenstillstand. Vor allem zu einem Ende der Kampfhandlungen in der Luft könnte sich Putin bereiterklären, wir sehen ja derzeit schon Anzeichen dafür. Aber er macht das natürlich nur, damit auch die Ukraine keine Ziele mehr innerhalb Russlands angreift. So ein Waffenstillstand, der nicht dauerhaft ist, wäre zudem sehr gefährlich für die Ukraine.
Warum?
Die Weltöffentlichkeit würde denken: An der Front tut sich nichts mehr, der Krieg in der Ukraine ist zu Ende. Die Unterstützung für die Ukraine würde zusammenbrechen, die Europäer können es den Menschen nur noch schwer vermitteln, weiter Waffen an die Ukraine zu liefern. Und zwei, drei Jahre später greift Russland dann doch wieder an. Wir können Putin nie vertrauen.