Trump krempelt die USA um, doch seinen Republikanern läuft die Zeit davon

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Unschlüssig, wie die Amtszeit werden wird – mit dem Kongress oder weitgehend an ihm vorbei: Donald Trump versucht, Gesetze aus der Ära von Joe Biden nach eigenem Gutdünken umzusetzen. © IMAGO / Ken Cedeno

Werden die USA zu einer Autokratie? Analysten sehen ernste Hinweise: Präsident Trump versucht mit Nachdruck, am Kongress vorbei die Exekutive zu stärken.

Washington D.C. – „Die Republikaner im Repräsentantenhaus würden einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen“, sagt Frank Pallone Jr., wie ihn die New York Times (NYT) zitiert. Der führende Demokrat im Energie- und Handelsausschuss aus New Jersey fürchtet, dass unzählige Exekutivmaßnahmen der gesamten Bundesregierung den politischen Entscheidungen einiger weniger lautstarker Abgeordneter ausgeliefert wären, wie er gegenüber der NYT ausführt.

Pallone echauffiert sich über den offensiven Gebrauch des Congressional Review Act (CRA), der in den USA unter der Regierung Donald Trumps grassiert und frühere Gesetze ziemlich leicht kassieren kann. Allerdings läuft den Republikanern die Zeit davon.

Laut der Verbraucherschutzorganisation Public Citizen und anderen Quellen ende das Zeitfenster, in dem der aktuelle Kongress mithilfe des beschleunigten Verfahrens des Congressional Review Act die Aufhebung von Vorschriften der Biden-Regierung ins Auge fassen kann, voraussichtlich am 12. Mai 2025. Innerhalb dieser Frist ermögliche der CRA dem Kongress, durch einfache „gemeinsame Missbilligungsbeschlüsse“, Verwaltungsvorschriften direkt aufzuheben.

Änderung von Gesetzen: Dahinter steckt offenbar der totale Umbau der US-amerikanischen Gesellschaft

Bislang hätten der 119. Kongress und Donald Trump als der 47. Präsident im Jahr 2025 eine Reihe von Missbilligungsentschließungen im Rahmen des Congressional Review Act (CRA) entweder vollständig oder beinahe verabschiedet, schreibt Dan Goldbeck. Mit diesen Entschließungen würden sechs aus der Regierungszeit des vorherigen demokratischen Präsidenten Joe Biden erlassene Gesetze aufgehoben, was geschätzte Gesamtkosten von 1,4 Milliarden Dollar verursacht, so der Direktor für Regierungspolitik des US-Thinktanks American Action Forum.

„Wir marschieren schon seit langem in Richtung größerer Macht der Exekutive und eines weniger verantwortungsvollen Kongresses – Republikaner wie Demokraten gleichermaßen.“

Wie die New York Times berichtet, habe Donald Trump in diesem Jahr bereits drei solcher Maßnahmen zur Umkehr von vorherigen Gesetzen unterzeichnet: Eine hebe die aus der Biden-Ära stammenden Vorschriften für Kryptowährungsbroker auf, eine andere streiche Gebühren für Methanemissionen und eine dritte eliminiere zusätzliche Umweltverträglichkeitsprüfungen für potenzielle Offshore-Öl- und Gasentwickler, schreibt NYT-Autorin Maya C. Miller. Weitere fünf Maßnahmen seien vom Kongress verabschiedet worden und würden nur noch von Trump unterzeichnet werden müssen – darunter eine Maßnahme, die die Obergrenze von fünf Dollar für Banküberziehungsgebühren aufhebe, so Miller.

So kleinteilig und fragwürdig dieses Vorgehen erscheinen mag, steckt dahinter offenbar der totale Umbau der US-amerikanischen Gesellschaft auf allen erreichbaren Ebenen – was die Republikaner mit ihrer Macht in gleichermaßen Repräsentantenhaus, Senat und Weißem Haus bewerkstelligen können. Während Donald Trump die Bundesbürokratie abbaut, wollen die republikanischen Abgeordneten „eine Flut von Gesetzen durchgeboxen, um Regulierungen in großen und kleinen Angelegenheiten aufzuheben, von der Kontrolle von Firmen, die giftige Schadstoffe ausstoßen, bis zu Anforderungen an die Energieeffizienz von begehbaren Gefrierschränken und Warmwasserbereitern“, wie Maya Miller schreibt.

Im Umbruch: Trump scheint Exekutive stärken zu wollen, um Kongress und Repräsentantenhaus zu umgehen

Der Congressional Review Act aus dem Jahr 1996 beschleunigt die Verfahren und kann sogar ein Filibuster aushebeln. Diese politische Taktik in der US-Verfassung hat der deutsche Thinktank Hans-Böckler-Stiftung mal als „Quasseln ohne Ende“ bezeichnet. Tatsächlich ermöglicht ein Filibuster als legislative Taktik die Verhinderung oder zumindest die Verzögerung der Abstimmung über einen Gesetzentwurf, indem ein Redner der Minderheit so lange ohne Pause redet, bis möglicherweise kein Abgeordneter der Mehrheitspartei mehr zur Abstimmung anwesend oder in der Lage ist.

Legislative in der US-Verfassung

Der Kongress ist die gesetzgebende Gewalt der USA, die Legislative. Er besteht aus zwei Kammern, dem Repräsentantenhaus und dem Senat. Seit den Kongresswahlen vom 5. November verfügt Donald Trumps republikanische Partei über 220 der 435 Sitze im Repräsentantenhaus – eine knappe Mehrheit. Ohne republikanische Unterstützung können die Demokraten aus der Opposition heraus keine Gesetzesvorhaben des Präsidenten blockieren. Bei der letzten Wahl verloren die Demokraten ihre Mehrheit im Senat, die Republikaner verfügen jetzt über 53 der 100 Sitze. Das ist eine ausreichende Mehrheit – außer in Fällen, in denen eine Zweidrittelmehrheit benötigt wird.

Abgeleitet aus den Erfahrungen aus Trumps erster Amtszeit 2017 war davon ausgegangen worden, dass das CRA als probater politischer Hebel häufig genutzt würde. Das hat sich anders entwickelt, wie Dan Goldbeck schreibt: „Trotz der Erwartungen einer verstärkten Nutzung des CRA bleiben diese Summen hinter den 14 CRA-Beschlüssen zurück, die in den ersten Monaten der ersten Amtszeit Trumps verabschiedet wurden und mit denen eine Reihe von Vorschriften der Obama-Regierung außer Kraft gesetzt wurden, was Gesamtkosten von 3,7 Milliarden Dollar verursachte.“

Einerseits liegt das daran, dass die Regierung unter Joe Biden viele Vorschriften im April 2024 finalisiert hat, und so verhindert hat, dass sich für die nachfolgende Regierung ein Zeitfenster für den CRA ergeben hätte, wie das Zentrum für Regulierungsstudien der George Washington University berichtet. Andererseits scheint Donald Trump auch die Exekutive stärken zu wollen, um so Kongress und Repräsentantenhaus umgehen zu können, wie NBC aktuell berichtet.

Auf Autokratie-Kurs: Trump allein interessiert ist an der Ausweitung präsidialer Macht

Trump habe bisher nur fünf Gesetzesentwürfe unterzeichnet – weniger als jeder andere Präsident in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit seit mindestens Dwight D. Eisenhower in den 1950er Jahren; der Nachrichtensender beruft sich dabei auf Informationen der Kongressprotokolle. „Zu diesem Zeitpunkt seiner ersten Amtszeit hatte Trump bereits 30 Gesetzesentwürfe unterzeichnet. Barack Obama hatte in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit 14 und Joe Biden elf Gesetze verabschiedet“, schreiben die NBC-Autoren Sahil Kapur und Scott Wong.

Trumps Intention scheint eine andere zu sein, als die der übrigen Präsidenten und gegenüber seiner ersten Amtszeit zwischen 2017 und 2021, wie Beobachter schließen: „Offensichtlich hat die Regierung vor ihrem Amtsantritt für die ersten 100 Tage ein hektisches Programm geplant, das nur mit exekutivem Handeln vereinbar war. Und dies ist Teil des Bemühens, nicht nur Zweifler und Gegner durch Schock- und Einschüchterungstaktiken zu überwältigen, sondern auch die Macht der Exekutive dauerhaft auszuweiten“, urteilt William Galston. Den Analysten des US-Thinktanks Brookings Institution zitiert NBC – ein weiterer Hinweis darauf, dass Trump allein interessiert ist an der Ausweitung präsidialer Macht, wie die New York Times nochmals herausstellt.

Beobachter über USA in Sorge: Die Zukunft besteht auch in Zukunft aus Überraschungen

Wie auch der Congressional Review Act keine Erfindung von Donald Trump ist, verweist die New York Times auf Experten, die hm Handeln Trumps die Handschrift und Initiativen früherer Präsidenten erkennen, wie Autor Charlie Savage schreibt. Auffällig an ihm sei lediglich, dass er die verfassungsmäßig gewährten Rechte eines Präsidenten entweder aggressiv bis zum Anschlag ausreize oder deren Vorgaben auch überschreite. „Wir marschieren schon seit langem in Richtung größerer Macht der Exekutive und eines weniger verantwortungsvollen Kongresses – Republikaner wie Demokraten gleichermaßen“, zitiert die NYT den Rechtsprofessor an der Stanford University Michael W. McConnell.

Gegenüber dem Blatt hatte sich Trump jüngst dagegen gewehrt, die Exekutivgewalt zu missbrauchen: „Ich denke, ich verwende sie richtig und ich verwende sie auch gemäß meiner Wahl“, behauptete er. Das Zeitalter der Autokratie beginne und Trump sei ein Vertreter davon, urteilt das Schweizer Magazin Republik. Autor Constantin Seibt beschäftigt die Frage, ob die USA als politische Gesellschaft in diese Regierungsform kippten: „Noch kann niemand sagen, ob das passiert. Die Zukunft besteht auch in Zukunft aus Überraschungen. Was sich aber klar sagen lässt: Der Versuch dazu wird sehr ernsthaft gemacht.“

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