20 Jahre Kutschenmuseum in Schwabsoien: Die Hartmanns und ihre ungewöhnliche Leidenschaft

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In Vater und Sohn schlägt das Herz für alles rund um Kutschen und Pferde. Johannes (l.) und Andreas Hartmann. © Hans-Helmut Herold

Das Kutschenmuseum von Schwabsoien kann in diesem Jahr ein beachtenswertes Jubiläum feiern. Vor 20 Jahren wurde es von Johannes Hartmann aus der Taufe gehoben und fasziniert seitdem die Besucher mit seinen Raritäten.

Schwabsoien – Jedes Jahr am Mühlentag hat das Museum mit Wohnzimmeratmosphäre und den bemerkenswerten Exponaten seinen großen Auftritt. Da ist Gründer und Besitzer Johannes Hartmann ein Gastgeber, der seine Besucher in eine längst vergangene Zeit entführt. Im Galopp könnte man sagen. Denn viele Besucher drängen an diesem Tag in die Räumlichkeiten, um alles rund um Kutschen und Zubehör zu beschnuppern.

Man könnte stundenlang den Erklärungen von Hartmann zuhören, aber die Zeit drängt an so einem Tag. Eigentlich zu schade, um nur flüchtig die Räume zu durchforsten. Also wird der Entschluss gefasst, einen extra Besuch zu vereinbaren. Kein Problem für Hartmann, den Kenner von Kutschen, Droschken und Fiakern. Er ist gerne bereit, eine Führung in aller Seelenruhe durch seine heiligen Hallen nicht nur anzubieten, sondern als Fachmann sich auch allen Fragen zu stellen.

Privat-Omnibus gleich am Eingang

Schon beim Betreten des Museums der erste „Wow-Effekt“. Zwei Rappen Modelle in Originalgröße, eingespannt vor einer ganz besonderen Kutsche. Es ist ein Privat-Omnibus, den sich der normale Bürger der damaligen Zeit keineswegs leisten konnte. „Ganz reiche Familien oder noble Hotels hatten so eine Kutsche in ihrem Besitz“, erklärt Johann Hartmann. Und berichtet, wie er zu diesem Prachtexemplar gekommen ist. „Als in den Filmstudios von Babelsberg der Fundus aufgelöst wurde, habe ich davon erfahren und dieses Exemplar erworben“, so Hartmann.

Ein wahres Schmankerl schon am Eingang: Ein Privat-Omnibus aus dem Fundus des Filmstudios aus Babelsberg, den Hartmann in einem völlig desolaten Zustand erworben hat. 1000 Arbeitsstunden hat er in die Restaurierung hineingesteckt.
Ein wahres Schmankerl schon am Eingang: Ein Privat-Omnibus aus dem Fundus des Filmstudios aus Babelsberg, den Hartmann in einem völlig desolaten Zustand erworben hat. © Hans-Helmut Herold

Er zeigt Bilder, wie die Kutsche damals ausgesehen hat. Alles an tragenden Holzteilen war verfault, Schimmel hat die Stoffe überzogen, der Geruch war nicht gerade von Rosenduft durchwirkt. „Aber so ein Ding bekommst Du nicht jeden Tag, ich musste einfach zuschlagen“, so Hartmann. Und er und sein Sohn Andreas schlugen in den Filmstudios Babelsberg noch weitere viermal zu.

Über 1000 Stunden Arbeit hat der Museumsdirektor in die Restaurierung der Kutsche gesteckt. Ihn hat dabei der Ehrgeiz gepackt, diese wieder in den Originalzustand zu versetzen. „Da wurde in Farbe und Verkleidung von den Babelsbergern viel Schindluder getrieben“, erinnert sich Hartmann. Jetzt ist sie wieder im Urzustand zu bewundern. Das Faszinierende ganz nebenbei: Hartmann war Beamter bei der Bahn bis hin zum Fahrdienstleiter. Hatte also keine handwerklichen Vorkenntnisse. Alles „learning by doing“.

Das macht natürlich neugierig, wie Hartmann zu dieser außergewöhnlichen Sammlung gekommen ist. Schließlich befinden sich jetzt über 60 Kutschen in seinem Besitz, die Hälfte davon ist in seinem Museum ausgestellt. Und alle in einem Top-Zustand. Er erwähnt dabei auch ganz nebenbei, dass es alles ganz verschiedene Modelle sind. Kein Exemplar gleicht dem anderen.

Blick ins Museum im Obergeschoss. Keine Kutsche gleicht der anderen.
Blick ins Museum im Obergeschoss. Keine Kutsche gleicht der anderen. © Hans-Helmut Herold

„Ich war Gitarrist in der im Landkreis bekannten Band „Poor Boys“, erzählt Hartmann. Als 1980 Schluss mit der Musik war, brauchte er ein anderes Betätigungsfeld. „Ich hatte schon immer den Wunsch, ein Pferd zu besitzen.“ Also haben er und sein Freund Erwin sich je so einen Vierbeiner gekauft. Da reifte bei beiden der Gedanke, irgendeine kleine Kutsche einspannen zu können. „In Bad Bayersoien wurden wir fündig, ein historisches Wagerl, ein Gaiwagerl mit Sitzbank und Eisenbereifung, konnten wir erwerben“, so Hartmann.

„Da wir beide unerfahren im Kutschieren waren und alles für uns Neuland war, habe ich mit meinem Traber einen Kurs in Daglfing belegt“, erinnert sich Hartmann. Dort hat er auch die Prüfung in Theorie & Praxis abgelegt und ist zehn Jahre lang Rennen gefahren. „Man hat auf mich und mein Pferd Ordito sogar wetten können“, wirft er lachend in die Runde.

Nicht nur sein Pferd hat Hartmann immer wieder eingespannt, auch seinen Sohn Andreas. Ihn konnte er mit dem Kutschen-Virus infizieren. Ab dem 14. Lebensjahr war er immer bei allen Rennen als Stallbursche und Helfer mit dabei. Der Funke ist übergesprungen. „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“, so ein Sprichwort, welches hier absolut passt.

Der Winter rückte irgendwann an. Da musste zur Kutschfahrt natürlich ein Exemplar mit Dach her. So ist der Sammler „Johnny“ zu seiner ersten „Chaise“ gekommen. Dann die erste Anfrage, ob er nicht auch ein Brautpaar fahren könnte. „Also legte ich mir eine Victoria Kutsche zu.“ Jetzt ist der Moment gekommen, wo der Sammeltrieb so richtig explodiert. Der Urknall in Sachen Kutschenmuseum.

„Ich habe alles abgegrast, was möglich war“, so „Johnny“. Flohmärkte, Inserate, Mundpropaganda und das Internet halfen dabei, vor allem fuhrmännisches Zubehör zu ergattern. Werkzeuge aus der Zeit der Kutschen und Geräte rund um die Reisen mit den Kutschen landeten bei „Johnny“.

Liebevoll bis ins Detail: restaurierte Kutschenlaternen.
Liebevoll bis ins Detail: restaurierte Kutschenlaternen aus dem Museum in Schwabsoien. © Hans-Helmut Herold

Sein Sammeltrieb sprengt die vorhandenen Räumlichkeiten zur Aufbewahrung. Eine Lösung muss her. „Ich konnte zu dieser Zeit ein Grundstück in Schwabsoien erwerben, das geradezu ideal war, ein Wohnhaus mit Tenne zu bauen“, so „Johnny“. Ein Kompromiss mit seiner Frau wird geschlossen. „Den größeren Teil durfte ich für meine Sammlung verwenden, den kleineren für unsere Wohnung“, beschreibt es „Johnny“. Bemerkenswert, die großzügige Haltung der Ehefrau. 2002 läuft die Baumaßnahme über die Bühne. „Alles selbst gemeistert, alles selbst finanziert“, so „Johnny“. Im Rahmen der Dorferneuerung gab es hier keinen Zuschuss.

Jetzt ist daraus ein wirklich feines Heimatmuseum geworden, denn der Sammeltrieb erstreckt sich nicht nur über Kutschen. „Gerade die kleinen und für den Laien unscheinbaren Zubehörteile drücken auf den Geldbeutel“, so Hartmann. Aber die Teile gehören dazu wie das Salz in der Suppe. Egal ob Kammdeckelgeläute oder Kutschenlaternen, alles findet im Kutschenmuseum seinen Platz. Teile wie eine Tantalus (Reisebar), ein Picknickset oder ein Reisenecessaire sind eigentlich nicht mehr auf dem Markt zu finden. Alles aus dem Jahr 1860. In diesem Museum haben sie ihren Platz gefunden.

Reisebar (Tantalus), Reisenecessaire für die Dame und  Picknickset für Verliebte zum Mitführen in der Kutsche.
Zubehör als Sonderausstattung: Reisebar (Tantalus), Reisenecessaire für die Dame und Picknickset für Verliebte aus dem Jahr 1860 zum Mitführen in der Kutsche. © Hans-Helmut Herold

Für die sehr harmonische Zusammenstellung aller Exponate und das Wagnis zu diesem Museum hat Johannes Hartmann 2013 den Schwäbischen Museumspreis erhalten. Zu verdanken natürlich auch seiner Ehefrau Anneliese, die das zweistöckige Museum quasi staubfrei hält. Sie sorgt für den besonderen Glanz in der Hütte.

Für dieses Jubiläumsjahr haben sich Johann und sein Sohn Andreas wieder etwas Besonderes ausgedacht. „Um die Sammlung immer wieder attraktiv zu präsentieren, wechseln wir die Kutschen in gewissen Abständen aus“, so Sohn Andreas. „Derzeit stehen drei Schmankerl im Mittelpunkt der Ausstellung“, so „Andy“ und geht ins Detail.

Wagen für die richtige Brautschau

Einmal steht hier im Blickpunkt ein kleiner Gesellschaftswagen, auch Wagonette genannt. Das edle Stück wurde 1899 in Zürich von dem renomierten Kutschenbauer Geisberger gebaut. „Sogar die originalen Laternen sind noch völlig intakt“, so „Andy“.

Weiter glänzt die Ausstellung mit einem Kavalierswagen Baujahr 1880 aus Budapest. „Mit so einem Wagen war ein Junggeselle auf Brautschau und wollte imponieren“, weiß „Andy“ zu erzählen. Nur ein Bremser war noch mit von der Partei. Schließlich musste der Kavalier ja einen Arm frei haben, um diesen um die Taille der Angebeteten zu legen. Nicht nur der ungarische Adel fuhr auf so ein Exemplar ab, auch das Haus Thurn und Taxis fuhr so auf Brautschau. Ein weiterer Kavalierswagen kommt aus Hannover. Dort sind noch alle Monogramme in den Seitentüren vorhanden.

Ein ungarischer Kavalierswagen, mit dem der betuchte Jüngling auf Brautschau ging.
Ein ungarischer Kavalierswagen, mit dem der betuchte Jüngling auf Brautschau ging. © Hans-Helmut Herold

Vater & Sohn Hartmann sind gemeinsam auf etwas besonders stolz. „Unser Museum ist so eingerichtet, dass man die Exponate auch berühren und ertasten darf. So können sich auch sehbehinderte und blinde Menschen ein Bild von unserer Sammlung machen“, so Andy. Natürlich werden alle von einem der beiden Kutschen-Spezialisten begleitet.

Das Kutschenmuseumvon Johann Hartmann liegt Am Elder 2 in 86987 Schwabsoien. Geöffnet ist nach Vereinbarung unter Telefon 08868/813, Mobil 0179/8489819 oder per E-Mail an johann_hartmann@t-online.de.

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