„Es ist ein Skandal!“: EU kauft trotz Angriffskrieg immer mehr Gas aus Russland
Eigentlich gilt EU-weit das Ziel, bis 2027 frei von russischen Energielieferungen zu werden. Trotzdem sind die Gasimporte in den letzten Monaten angestiegen. Woran liegt das? Und füllt die EU damit Putins Kriegskasse?
Brüssel – Trotz des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat die EU im vergangenen Jahr einem Bericht zufolge mehr Gas aus Russland importiert. Das Plus lag im Vergleich zu 2023 bei 18 Prozent, wie die Denkfabrik Ember errechnete. Berücksichtigt sind sowohl Gas, das durch Pipelines in die EU gelangte, als auch Flüssigerdgas (LNG).
Dabei hatte die EU nach dem völkerrechtswidrigen russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 zahlreiche Sanktionen gegen russische Energieträger wie Kohle und Öl verhängt. Bis 2027 will die Staatengemeinschaft kein Gas mehr aus Russland importieren, rechtlich bindend ist dieses Vorhaben jedoch nicht. Seit dem Jahreswechsel lässt die Ukraine kein russisches Erdgas mehr passieren und hat den Transit durch Pipelines über ihr Staatsgebiet unterbunden.
Italien, Frankreich, Tschechien: Diese Staaten importierten 2024 mehr russisches Gas
Besonders Italien, Tschechien und Frankreich haben Ember zufolge vermehrt Gas aus Russland bezogen. Auch 2025 nähmen die Importe weiter zu, teilte der Thinktank weiter mit. Das sei allerdings nicht nötig. Denn die Nachfrage in der EU sei überhaupt nicht gewachsen. Zudem stiegen die Gaspreise 2024 um fast 60 Prozent an, hieß es weiter im Dokument.

„Es ist ein Skandal, dass die EU immer noch russisches Gas importiert“, sagt Pawel Czyzak von Ember. „Anstatt in wirkliche Alternativen wie erneuerbare Energien und Effizienz zu investieren, um russische Importe zu unterbinden, verbrennen die Mitgliedstaaten Geld mit teuren LNG-Kapazitäten, die nicht einmal genutzt werden.“ Ember prognostiziert ein Überangebot für 2030.
Geld für tausende Kampfjets: EU greift Putins Kriegsmaschinerie unter die Arme
Die EU will unabhängig werden von fossilen Energien aus Russland. Das sei weiterhin eine Priorität, sagte EU-Energiekommissar Dan Jorgensen jüngst in einem Interview des Nachrichtenagentur-Netzwerks European Newsroom (enr), zu dem auch die Deutsche Presse-Agentur gehört. Derzeit wird in der EU-Kommission an einem Fahrplan zum Verzicht auf russische fossile Energie gearbeitet. Er soll in den kommenden Wochen vorgestellt werden.
Im Handelsblatt kritisierte Jorgensen das Verhalten der Mitgliedstaaten. „Es ist völlig unhaltbar, weiterhin fossile Brennstoffe aus Russland zu kaufen und damit indirekt Putins Kriegskasse zu füllen“, sagte der Energiekommissar. „Seit Kriegsbeginn haben wir so viel Geld für fossile Brennstoffe aus Russland ausgegeben, wie 2.400 F-35-Kampfjets kosten würden.“ Zudem plagen europäische Sicherheitsexperten wachsende Sorgen vor einer russischen Ausweitung des Krieges gegen weitere EU- und Nato-Mitglieder. Immer wieder fällt dabei der Begriff 2029 - in dem Jahr soll Einschätzungen zufolge Russland bereit sein, einen größeren Krieg gegen Nato-Staaten zu führen.
Versorgungssicherheit in Gefahr? Das wären die Folgen bei einem vollständigen Energie-Embargo
Flüssigerdgas aus Russland wird weiter in die EU eingeführt. Lediglich Investitionen in LNG-Projekte, die in Russland im Bau sind, sowie Ausfuhren zugunsten dieser Vorhaben sind untersagt. Auch dürfen EU-Häfen nicht zur Verschiffung von russischem LNG in Drittstaaten genutzt werden.
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Laut Ember wäre die Versorgungssicherheit allerdings nicht sichergestellt, wenn die EU gar kein russisches Gas abnehmen würde. Der Thinktank mahnt, auch andere ausländische Quellen seien zunehmend unbeständig geworden. Geopolitische Spannungen mit den USA seit der Amtsübernahme Donald Trumps erhöhten das Risiko, sich auf LNG-Lieferungen von dort zu verlassen, hieß es.
Top-Lieferanten für die EU: Die Nummer eins kommt aus Europa
Die größten Gaslieferanten der EU sind derzeit Norwegen und die USA. Da auch in den nächsten Jahren weiter Gas in Europa gebraucht wird, will die EU-Kommission die Energie-Beziehungen zu den USA intensivieren. Man versuche so viel wie möglich zu diversifizieren, aber es gebe nicht viele Alternativen für den Einkauf von LNG, sagte EU-Energiekommissar Jorgensen. Trotz angespannterer diplomatischer Beziehungen über den Atlantik könne man über diese Themen sprechen. (dpa, lf)