Donald Trump ignoriert richterliche Nachrichtensperre - mit Kalkül?

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Eigentlich darf Donald Trump nicht über Beteiligte beim Prozess in New York sprechen. Das hält den Ex-Präsidenten nicht auf, könnte aber Folgen haben.

New York – Er redet gerne und viel. Ob vor und nach Gerichtsterminen in New York, im Wahlkampf für die US-Wahl 2024 oder auf seiner eigenen Social-Media-Plattform: Donald Trump hält sich nur selten zurück. Der ehemalige US-Präsident lässt im Gegenteil kaum eine Gelegenheit aus, der Welt mitzuteilen, dass er unschuldig ist, die Anklagen gegen ihn nichts weiter als eine „Hexenjagd“ und seine politischen Gegner allesamt korrupt.

Für Donald Trump stellt dieses Verhalten alltägliches Geschäft dar. Das gilt seit mehr als acht Jahren – genau genommen seit dem 16. Juni 2015 und dem Moment, als er in Begleitung von Ehefrau Melania Trump goldene Rolltreppe im Trump Tower herunterfuhr und seine Kandidatur für die Republikaner in der US-Wahl 2016 ankündigte.

Richter brummt Trump Nachrichtensperre für Prozess in New York auf

Doch genau diese gelebte Praxis könnte alsbald zu einem Verstoß gegen eine richterliche Anordnung werden. Juan Merchan, Richter im Strafprozess gegen Trump in New York, hatte den Angeklagten mit einer sogenannten „Gag Order“ versehen: eine Nachrichtensperre, die sich salopp auch mit dem Wort Maulkorb übersetzen ließe. Trump ist es demnach verboten, sich über Beteiligte im Prozess rund um eine mutmaßliche Schweigegeldzahlung an Erotikdarstellerin Stormy Daniels negativ zu äußern.

Die „Gag Order“ umfasst Gerichtsbeamte wie Richter Merchan selbst, das Team der Staatsanwaltschaft rund um Alvin Bragg, die Geschworenen und zu erwartende Zeugen im Prozess wie zum Beispiel Stormy Daniels (bürgerlicher Name: Stephanie Clifford) und Trumps Ex-Anwalt Michael Cohen.

Trump und die „Gag Order“: Die Verstöße in der Übersicht

Die Staatsanwaltschaft wirft Donald Trump vor, seit Prozessbeginn in mindestens 14 Fällen gegen diese „Gag Order“ verstoßen zu haben. Der Nachrichtensender ABC hat die Einzelfälle wie folgt zusammengefasst:

  1. Am 10. April 2024 bezeichnete Donald Trump Michael Cohen und Stormy Daniels als „Drecksäcke“.
  2. Ebenfalls am 10. April 2024 verbreitete Trump ein angebliches neues Statement Daniels‘, in dem sie behauptet habe, nie eine Affäre mit Trump gehabt zu haben. Besagtes Statement stammte aber aus dem Jahr 2018 und laut Daniels nicht von ihr.
  3. Am 13. April 2024 bezeichnete Trump seinen Ex-Anwalt Cohen als einen „in Ungnade gefallenen Anwalt und Schwerverbrecher“.
  4. Am 15. April 2024 verbreitete Trump gleich zweimal einen Meinungsartikel der New York Post, in dem Cohen als „Serienschwindler“ bezeichnet wurde.
  5. Am 16. April 2024 verbreitete Trumps Wahlkampfkampagne denselben Meinungsartikel weitere drei Male. Laut den Ermittlern soll Trump damit fünf Mal gegen die Nachrichtensperre verstoßen haben.
  6. Am 17. April 2024, mitten im Auswahlprozess der Geschworenen, behauptete Trump, das Gericht habe „verdeckte liberale Aktivisten ertappt“, die sich unter die Jury schmuggeln wollten. Trump bezog sich dabei auf eine Behauptung von Jesse Watters, Trump-freundlicher Moderator bei Fox News.
  7. Am 22. April 2024 bezeichnete Trump beim Verlassen des Gerichtsgebäudes in New York Cohen als „Lügner“.
  8. Ebenfalls am 22. April 2024 soll Trump in einem Interview mit dem ultrarechten Spartensender Real America‘s Voice die Jury als „95 Prozent Demokraten“ und den Prozess als „unfaire Situation“ bezeichnet haben. Allerdings zweifeln Fachleute in den USA die Echtheit des Videos mittlerweile an.
  9. Am 24. April 2024 nannte Trump im Interview mit dem Sender Action News Cohen einen „überführten Lügner“.
  10. Am 25. April 2024 wandte sich Trump auf einer Wahlkampfveranstaltung an den ersten Zeugen im Prozess in New York, David Pecker. Dieser sei „ein netter Kerl“. Auch damit soll Trump gegen die Nachrichtensperre verstoßen haben.

Trump droht mindestens eine Geldstrafe

Andere Medien wie die New York Times zählen sogar noch mehr Verstöße Trumps gegen die ihm auferlegte „Gag Order“. Während in den USA weiter leidenschaftlich darüber gestritten wird, wie das Redeverbot gegen den Ex-Präsidenten zu bewerten sei, richten sich alle Augen auf Juan Merchan. Der Richter hatte es vergangene Woche vermieden, ein Urteil im Fall der Nachrichtensperre zu fällen. Die Entscheidung wurde um eine Woche vertagt. Erneut verhandelt wird die Nachrichtensperre wohl am Donnerstag (2. Mai 2024).

Donald Trump droht beim Prozess in New York eine Strafe, weil er mehrfach gegen eine richterlich angeordnete Nachrichtensperre (“Gag Order“) verstoßen haben soll. © Mark Peterson/dpa

Welche Art von Strafe Richter Juan Merchan gegen Trump ausspricht, steht noch nicht fest. Im Raum stehen sowohl eine Geldstrafe in Höhe von maximal 1.000 Dollar pro Verstoßes gegen die „Gag Order“ oder sogar eine mehrtägige Beugehaft. Eine Inhaftierung des Ex-Präsidenten, der weiterhin unter dem Personenschutz durch den amerikanischen Secret Service steht, gilt als unwahrscheinlich. Im Prozess selbst hatte auch die Staatsanwaltschaft betont, dass die Inhaftierung Trumps wegen Verstoßes gegen die Nachrichtensperre weder anstrebe noch fordere.

Verstoß gegen die „Gag Order“ als Wahlkampftrick?

Doch gilt das auch für Donald Trump? Gegenüber tagesschau.de räumte die ehemalige New Yorker Staatsanwältin Annemarie McAvoy ein, es könne sich bei seinen notorischen Verstößen gegen die „Gag Order“ um eine bewusste Strategie des Angeklagten handeln. „Wenn er ins Gefängnis muss, könnte er den Märtyrer spielen“, so die Expertin. So könnte aus dem Prozess in New York ein „spektakuläres Wahlkampfthema“ werden.

Genau ein solches könnte Donald Trump dringend gebrauchen. In aktuellen Umfragen zur US-Wahl 2024 holte Amtsinhaber Joe Biden in den vergangenen Wochen wieder auf. Eine andere Umfrage dürfte Trump dabei besonders zu schaffen machen. In einer Erhebung der Nachrichtenagentur Reuters in Zusammenarbeit mit dem Wahlforschungsinstitut Ipsos gaben rund ein Viertel der Republikaner an, Trump im Falle einer Verurteilung nicht wählen zu wollen. In dem erwartbar engen Rennen im Duell mit Joe Biden würde dieser Wählerverlust zu einer sicheren Niederlage für Trump führen.

Trump nutzt die Nachrichtensperre zum Wahlkampf

Es überrascht daher nicht, dass Trump den Wert des Streits um sein Redeverbot längst begriffen hat. Das bewies er erneut am Wochenende. Auf seiner Social-Media-Plattform forderte der Ex-Präsident die Aufhebung der „Gag Order“ und bezeichnete diese als „beispiellos und verfassungswidrig“.

Weitere Gelegenheiten, sich über Gericht, Prozess und Beteiligte zu beschweren, hat Donald Trump vor der Entscheidung am Donnerstag. Am Mittwoch tritt der Ex-Präsident im Wahlkampf in Wisconsin und Michigan auf. (Daniel Dillmann)

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