Geschasster Ex-Minister: „Serbien muss den russischen Imperialismus bekämpfen”

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Geschasster Ex-Minister: „Serbien muss den russischen Imperialismus bekämpfen” 

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Russlands Präsident Wladimir Putin (l.) mit dem serbischen Präsident Aleksandar Vucic im Jahr 2019. © picture alliance/dpa

Am Sonntag stehen Neuwahlen in Serbien an. Wie die Vucic-Regierung wirklich tickt, erzählt ein geschasster Minister im Interview.

München/Berlin – Es waren ungewohnte Töne, die im März dieses Jahres aus Belgrad kamen. Erstmals seit Beginn des Ukraine-Kriegs forderte ein serbisches Regierungsmitglied, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Es war der damalige Wirtschaftsminister Rade Basta der Partei United Serbia (JS). Daraufhin flog Basta aus der Regierung. Jetzt kritisiert der Politiker öffentlich die Regierung von Serbiens Präsident Aleksandar Vucic.

Schon seit einiger Zeit ist Präsident Vucic unter Druck. Wegen massiver Proteste in Serbien hat er Neuwahlen für den 17. Dezember angekündigt. Jetzt hat sich IPPEN.MEDIA hat mit dem Ex-Minister Basta zu einem virtuellen Interview getroffen und auch über die anstehenden Parlamentswahlen gesprochen.

Sie waren das erste Regierungsmitglied in Serbien, das Sanktionen gegen Russland forderte. Warum?

Für das Ansehen und die wirtschaftlichen Interessen Serbiens ist es sehr schlecht, dass wir uns nicht den EU-Sanktionen gegen Russland anschließen. Auch wenn ich aus der Regierung ausgeschlossen wurde, war es das Richtige, diese Sanktionen zu fordern.

Wann war der politische Wendepunkt für Sie erreicht?

Als ich in die Regierung kam und Minister wurde. Da habe ich realisiert, dass die Regierung keine pro-europäische Politik verfolgt. In dem Moment, in dem ich Wirtschaftsminister wurde, wurde ich Zeuge kriminellen Verhaltens. Es gab so viele illegale Verträge. Und es gibt keine freie Presse – denn alle Medien sind in puncto Werbung auf die Regierung angewiesen.

Wie lange braucht es Ihrer Meinung nach, bis Serbien Teil der EU wird?

Stand jetzt: 50 Jahre. Die aktuelle Regierung verfolgt keinen wirklichen EU-Beitritt. Wir sitzen gerade auf drei verschiedenen Stühlen: China, Russland und die EU. Und Serbien übernimmt in diesen Beziehungen keine Verantwortung, sondern profitiert nur von allen dreien.

„Serbien muss seine Außen- und Sicherheitspolitik zu hundert Prozent mit der EU synchronisieren“

Wie wichtig ist Deutschland in dem Prozess des serbischen EU-Beitritts?

Deutschland ist das wichtigste Mitglied der EU und Serbiens wichtigster Handelspartner. Ich bin hier in Deutschland, damit die Menschen erfahren, wie die Situation in Serbien wirklich ist.

Sie haben die Bewegung „European Way“ gegründet. Welche Ziele verfolgen Sie damit?

Serbien muss seine Außen- und Sicherheitspolitik zu hundert Prozent mit der EU synchronisieren, um EU-Mitglied zu werden. Wir wollen die Korruption bekämpfen, serbische Ölgesellschaften verstaatlichen, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China verringern, den russischen Imperialismus bekämpfen, mehr für eine nachhaltige Wirtschaft tun und den Euro als Serbiens Währung einführen.

Ehemaliger serbischer Wirtschaftsminister Rade Basta
Ehemaliger serbischer Wirtschaftsminister Rade Basta © © Wolf Lux

Für einen EU-Beitritt bräuchte es auch eine Lösung im Kosovo-Konflikt.

Wir hoffen, dass eine tragfähige Lösung für die Kosovo-Frage in Serbien gefunden wird. Die Presse spricht über den deutsch-französischen Vorschlag, der umgesetzt werden soll, um den Kosovo-Konflikt zu lösen.

Ex-Minister erklärt: „Für die Opposition ist es sehr schwer, etwas gegen das Vucic-Regime zu sagen“

Was beinhaltet dieser Vorschlag genau?

Eines der Probleme ist die mangelnde Transparenz der serbischen Regierung in Bezug auf die Verhandlungen und Gespräche über den Kosovo und mit den Vertretern des Kosovo. Wir wünschen uns volle Transparenz und eine öffentliche Debatte über die Verhandlungen. Mit Transparenz wüssten wir, was in dem Vorschlag steht.

Hat Ihre Bewegung zum Ziel, eine Partei zu werden?

Es ist bereits eine Vereinbarung mit einer Minderheitspartei in Serbien unterzeichnet worden. Und sie haben mich eingeladen, Teil ihrer Gruppe zu werden.

Gibt es keine Partner in der Opposition?

Es gibt durchaus potenzielle Parteien und Partner. Allerdings ist es sehr schwer für die Opposition, etwas gegen das Vucic-Regime zu sagen. 

Wird Ihre Wahlliste an den Parlamentswahlen am 17. Dezember teilnehmen?

Nein. Wir sind die einzige Gruppe, der die serbische Regierung die Teilnahme an den Wahlen verweigert – wegen unserer pro-europäischen und antirussischen Politik. Dies verstößt gegen das Gesetz, weshalb wir auch rechtliche Beschwerden vor serbischen Gerichten einreichen, die gegebenenfalls in Straßburg enden würden.  

Was denken Sie, was bei und nach den Wahlen passiert?

Es gibt bereits so viele Unregelmäßigkeiten. Die Legitimität der Wahlen könnte infrage gestellt werden. Viele Tote stehen noch auf den Wählerlisten, neue Wähler werden illegal etwa aus Bosnien registriert.

Die Änderung des Wahlsystems sieht Basta als einzige Lösung für Serbien

Können die Wahlen also gefährlich für Präsident Vucic werden?

Die Menschen in Serbien sind mit ihrer Lebensqualität sehr unzufrieden. Viele verlassen bereits das Land. Realistischerweise kann die SNS-Partei von Präsident Vucic nach mehreren aktuellen unabhängigen Umfragen nicht mehr als 30 Prozent erreichen. Sollte die Wahl auf offensichtliche Weise gestohlen werden, könnte die Stabilität des Landes in Gefahr sein.

Wenn Neuwahlen nicht die Lösung sind, was dann?

Die einzige Lösung wäre eine Änderung des Wahlsystems in Serbien. Das könnte zum Beispiel durch eine elektronische Wahl erfolgen. Außerdem muss das System geändert werden, sodass wir für einzelne Kandidaten stimmen und nicht für Parteilisten mit nur wenigen bekannten Namen.

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