Dieses Foto sagt mehr über uns aus als über Lars Klingbeil. Das erste Bild geht viral: Klingbeil steigt in Peking aus dem Regierungsflieger – übernächtigt, zerknittert, unrasiert. Und sofort heißt es: „Respektlos! Unprofessionell!“
Wer Regierungsarbeit kennt, weiß: Nach einer durchgearbeiteten Nacht, mehreren Zeitzonen und – wenn’s hochkommt – zwei Stunden Schlaf im Flieger sieht jeder so aus.
Politiker in der Kritik: Wie ein virales Bild die Wahrnehmung prägt
Auch wenn ich selbst in meiner Zeit als Regierungssprecher nie so aus dem Flieger stieg – weil ich auch sonst so nicht herumlaufe, nicht weil ich frischer war.
Und wer sich an die alten Regierungsflieger erinnert: acht Mann in der Nacht-Kabine, die Sitze als ausgezogene Doppelliegen, Füße des Gegenübers im Gesicht. Durchgenudelt fühlte auch ich mich.
Realität hinter den Kulissen: So hart sind Regierungsflüge wirklich
Doch dann, wenige Stunden später, sehen wir Klingbeil frisch rasiert, präsent, konzentriert auf dem Weg zur Konferenz – so, wie es bei offiziellen Besuchen sein soll. Das ist der Moment, der zählt.
Nicht jede Landung ist ein Staatsakt. Viele dieser „stillen Ankünfte“ sind gar nicht als Pressetermin gedacht. Da darf ein Politiker auch mal aussehen wie ein normaler Mensch, der gerade eine harte Nacht hinter sich hat.
Denn wenn wir Politiker nur nach Frisuren beurteilen, bekommen wir am Ende Politik, die nur auf Frisuren achtet. Und vielleicht bringt man am Ausgang des Regierungsjets künftig einfach einen Spiegel an.
Den Text veröffentlichte Anda zuerst auf LinkedIn. Mit seinem Einverständnis veröffentlichen wir ihn hier.
Béla Anda ist Kommunikations-Manager. Er war Regierungssprecher unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und stellv. Chefredakteur von "Bild". Er leitet heute seine Agentur "ABC-Communication".