„Das ist doch keine Umgangsart“ – Dauercamper leben seit einem Jahr ohne Strom

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Ein Jahr ist es her, dass dem Grünberger Campingplatz der Strom abgestellt wurde. Die Camper müssen sich seitdem mit der Situation arrangieren.

Grünberg - Der Himmel ist mit grauen Wolken verhangen. Zwischen den Holzgebäuden und Wohnwagen sind an diesem Tag nur wenige Menschen unterwegs. Außer dem Verkehr auf der nahen Bundesstraße ist lediglich das laute Brummen eine Stromaggregats zu hören. Mit Diesel betrieben, erklärt der Besitzer, einer der Dauercamper auf dem Grünberger Campingplatz. Seit nunmehr einem Jahr fehlt dort die Stromversorgung.

Diese Situation ist kein Einzelfall. Die Menschen mussten sich selbst behelfen, seitdem der Magistrat der Stadt die Stromversorgung kappen ließ. Ein Gang über den Platz zeigt: Viele Parzellen-Besitzer haben sich mittlerweile mit der Situation arrangiert.

Campingplatz in Grünberg schon seit einem Jahr ohne Strom

Zu ihnen gehören Frank und Tina Nebeling. Die beiden Gießener leben den Großteil des Jahres auf dem Platz. Hier kümmert sich das Paar neben ihren drei Parzellen auch um eine Katze, die seit über einem Jahrzehnt auf dem Platz zu Hause ist. Sie hoffen, dass sie auf dem Campingplatz eine Zukunft haben. »Für uns kommt kein anderer Platz in Frage, hier fühlen wir uns wohl«, erklärt Frank Nebeling. »Der Strom, ist uns mittlerweile nicht mehr so wichtig.«

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Der Campingplatz »Am spitzen Stein« in Grünberg aus der Luft. Seit einem Jahr müssen die Camper dort ohne Strom auskommen. © Manfred Henss

Am meisten bedauern sie, dass die anhaltende Situation zu einer Veränderung der Gemeinschaft vor Ort geführt hat, sagt der Camper: »Gerade die Älteren verlassen den Platz, weil sie nicht wissen, wie es weitergehen soll.«

Ein Blick zurück: Am 1. November 2023 wurde pünktlich um 8 Uhr der Strom auf dem Platz abgestellt. Über diesen Schritt waren die Pächter des Campingplatzes erst fünf Tage zuvor informiert worden. Ein Gutachter hatte damals den Platz in Augenschein genommen und erklärt, dass unverzüglich der Strom abzuschalten und die Elektrik zu erneuern sei. »Unverzüglich« - das traf dann auch zumindest auf die gekappte Stromzufuhr zu, die geforderte Erneuerung hat dagegen bis heute nicht stattgefunden.

Ohne Strom: Camper in Grünberg müssen mit Situation arrangieren

»Man hat uns damals einfach den Strom abgeschaltet und niemals genau gesagt, warum das überhaupt nötig war«, sagt Felix Gath, der frühere Sprecher der Dauercamper. Er kritisiert das Vorgehen der Stadtoberen: »Das ist doch keine Umgangsart.« 53 Jahre lang hatte er eine Parzelle auf dem Campingplatz. »Mein Sohn ist dort groß geworden«, erzählt er. Das änderte jedoch nichts an seiner Entscheidung, dem Platz nun den Rücken zu kehren. Dabei habe freilich der Ärger über die Situation eine große Rolle gespielt, aber mehr noch die unsichere Zukunft des Platzes, sagt Gath. Im Spätsommer habe er darum seine Parzelle, sein zweites Zuhause, verkauft. »Ich habe mich in Grünberg bis zum letzten Jahr immer wohl gefühlt. Aber mit 83 Jahren nicht zu wissen, wie es weitergehen soll, das war zu viel«, sagt Gath.

Die Stadtoberen aber sahen sich in der Pflicht. Der Magis- trat als Betreiber des Campingplatzes haftet bei Gesundheitsschäden und ist daher zur Gefahrenabwehr verpflichtet. Darum wollte man handeln, bevor etwas passiere, erklärte Bürgermeister Marcel Schlosser.

Der Magistrat suchte in den vergangenen zwölf Monaten nach einer Lösung. Wenn auch anders, als sich das viele der Camper gewünscht haben. Anstatt die marode Technik auf städtische Kosten zu erneuern, begann die langwierige Suche nach Kaufinteressenten. Ein zweites Gutachten ergab, dass die Arbeiten für die Wiederherstellung der Stromversorgung, das städtische Säckel mit rund zwei Millionen Euro belasten würden, hieß es vom Bürgermeister. Kosten, die angesichts der Haushaltslage nicht zu stemmen seien.

Die gute Nachricht: Eine Ende dieser Suche ist nunmehr in Sicht, teilte Schlosser mit. »Wir haben mittlerweile drei Interessenten gefunden, die den Platz übernehmen würden.« Zur Vorbereitung für die städtischen Gremien laufe derzeit eine Aufstellung über die Kaufwilligen, um noch in der letzten Sitzungsrunde in diesem Jahr über den Verkauf zu beraten. »Ich hoffe sehr, dass wir noch in diesem Jahr eine Lösung finden«, sagt Schlosser. Jedoch schiebt er noch eine Einschränkung hinterher: »Es sollte aber allen klar sein, dass es mit einem neuem Betreiber auf dem Platz auch Veränderungen geben wird.« (con)

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