
Im Gaißacher Ortsteil Lehen trafen sich Förster, Jäger, Bauern und Kommunalpolitiker. Gemeinsam starteten sie die Initiative „Respektiere deine Grenzen“ für den Natur- und Tierschutz.
Landkreis/Gaißach – Es sind nur sieben kurze Sätze, die auf dem weißen Schild stehen – doch die Hinweise könnten vieles für die Natur besser machen und bestenfalls Großes bewirken: Im Landkreis ist die neue Initiative „Respektiere deine Grenzen“ für einen rücksichtsvollen Umgang in und mit der Land(wirt)schaft gestartet. Für einen sanften Tourismus werben das hiesige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF), das Landratsamt sowie regionale Jäger, Förster und Bauern.
Der Pressetermin ist mal anders, befindet sich abseits, mittendrin in der Natur. Satte blühende Wiesen, und am Hang weiden Kühe. Vergangenen Mittwoch versammelten sich bei Gaißach auf Einladung des AELF verschiedene Vertreter, die mit Wald, Wild und der Landwirtschaft zu tun haben. Doch alle verfolgen das gleiche Ziel: Obacht auf die Natur und ihre Bewohner zu nehmen.
Ziel der Kampagne: respektvoller Umgang mit der Natur und den Wild- und Weidetieren
Ziel der Kampagne des Bayerischen Land- und Tourismusministeriums ist, das gesellschaftliche Bewusstsein für die Bedürfnisse von Wild-, Weide- und Almtieren weiter zu stärken und so einen respektvollen Umgang mit der Natur zu fördern. Seit 2022 ist Bayern als erstes deutsches Bundesland Mitglied der in Vorarlberg gestarteten Initiative „Respektiere deine Grenzen“.

Jetzt wurde am Gerstland Parkplatz im Gaißacher Ortsteil Lehen, Start für viele Wander- und Radtouren, das Hinweisschild der Initiative in den Boden gepflockt. Darauf auch zu lesen: „Danke, dass du Natur und Tiere schützt“. Und die sind hier, unweit am Fuße des Schönbergs auch zu sehen. Eine Handvoll Rinder grast dort gemütlich, es ist ihr Lebensraum, sozusagen ihr „Wohnzimmer“.
Nachteile des Tourismus im Tölzer Land für die Land- und Forstwirtschaft
Alle Anwesenden berichteten von den Gefahren, die der zunehmende Tourismus für die Natur birgt. Wanderer, die über blühende Wiesen trampeln, insbesondere während der Vegetationsphase ein Problem, da sie für Landwirte die Futtergrundlage für deren Rinder sind. Oder Touristen begeben sich selbst in prekäre Situationen, wenn sie etwa Selfies mit Kühen knipsen oder sich auf dem Radl an einer Herde vorbeischlängeln, die gerade auf die Weide oder den Stall getrieben wird. „Das kann lebensgefährlich sein“, betonte Susanne Krapfl, Almfachberaterin am AELF Holzkirchen.
Zäune sind keine Hindernisse für Radfahrer, sondern schützen die Tiere vorm steilen Gelände.
„Unter die Klauen kommen“, bezeichnete es Josef Glatz vom Almwirtschaftlichen Verein Oberbayern drastischer. Andererseits brauchen die Viecher Schutz. „Zäune sind keine Hindernisse für Radfahrer, sondern schützen die Tiere vorm steilen Gelände“, erklärte Glatz, der schon erlebt hat, dass der Viehtrog auf Almen als Badewanne mit Shampoo darin verwendet wurde.
Beispiele, die belegen, wie weit sich das Bevölkerungswissen von der Landbewirtschaftung entfernt habe, ergänzte Kreisobmann Peter Fichtner vom Bauernverband. Daher solle die Aktion zum Nachdenken anregen, um die Leute zu sensibilisieren. Allerdings „ohne erhobenen Zeigefinger“, so AELF-Behördenleiter Christian Webert.
Land- und Forstwirtschaft sowie der Tourismus: Initiative für ein gutes Miteinander
Kurzum, die landkreisübergreifende Kampagne „Respektiere deine Grenzen“ zielt darauf ab, per Aufklärung und Infos das Verhalten von Erholungssuchenden in Einklang mit der Natur und der Arbeit von Bauern sowie der Forstwirtschaft zu bringen. „Nur so können wir die Einzigartigkeit unserer Landschaft auch für kommenden Generationen bewahren“, so Webert weiter.
Konkret sollten Wanderer und Mountainbiker auf Markierungen im Gelände und auf Infotafeln achten, auf den ausgewiesenen Wegen bleiben und Hunde stets an der Leine führen – gerade im Forst. Wichtig ist auch, die Ruhezeiten der Waldbewohner sowie deren Schutzgebiete zu respektieren und auch keine Wild- und Weidetiere zu füttern.
Kreisbäuerin Ursula Fiechtner griff den letzten Hinweispunkt auf der Tafel auf: „Hinterlasse die Natur so, wie du sie gerne vorfinden möchtest“. Und sprach es konkret an und aus: „Müll“. Gerade für die Weidetiere seien zurückgelassener Plastikunrat, Blechdosen und Glasscherben sehr gefährlich, wenn sie gefressen werden. „Es macht die Viecher krank, manche müssen dann eingeschläfert werden.“ Daher appellierte sie an die alpinen Touristen: „Alles wieder mit nach Hause nehmen, was von dort mitgebracht wurde.“
Mit Verboten kommen wir nicht weiter. Es braucht bewusste Nutzer.
Homeoffice und flexible Arbeitszeiten ermöglichen mehr Freizeit und dadurch wachse auch der Erholungsdruck, der im Landkreis spürbar ist, berichtete Klaus Koch. Für den Dritten Landrat kann ein sensibleres Bewusstsein für die Landwirtschaft nur dann funktionieren, wenn es per Aufklärung passiert. „Mit Verboten kommen wir nicht weiter“, betonte er. „Es braucht bewusste Nutzer“.
Auf kommunaler Ebene setzt sich der Landkreis zusammen mit dem Tölzer Land Tourismus bereits seit einigen Jahren mit der Kampagne „Naturschutz beginnt mit Dir“ ein. Das Gesicht dieser Kampagne sind die Naturschutz-Ranger und Gebietsbetreuer, die Sommer wie Winter am Walchensee, Sylvensteinstausee sowie an der Isar im Einsatz sind und dort die Besucher aufklären.
Übernachtungsgäste und Tagesausflügler bringen dem Tölzer Land 335 Millionen Euro pro Jahr
Für die Urlauber brach dann Andreas Wüstefeld, Leiter des Tölzer Land Tourismus, eine Lanze. So erwirtschaftet der Tourismus im Landkreis etwa 335 Millionen Euro Bruttoumsatz im Jahr, über die Hälfte davon aus dem Bereich der Tagesausflügler. „Viele Wirtschaften und Unterkünfte wären nicht da, wenn es diese Gäste nicht gäbe“, sagte er. Und davon würden wiederum auch die Einheimischen profitieren.
Aus den Erfahrungsberichten der Naturschutz-Ranger mit „schwarzen Schafen“ weiß Wüstefeld aber auch, dass die eher die wenigen seien und sich bei aufklärenden Gesprächen einsichtig zeigen. „Wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen, kommen wir weiter und erhalten die Wirtschaftskraft unseres Zweiges Tourismus und tun Gutes für die Natur“, sagte er Richtung Bauern, Waldbesitzer und Jäger. „Denn unser Tourismus kann nur in einer intakten Kulturlandschaft gedeihen.“
Die Initiative im Landkreis läuft bereits gut an, wie Webert berichtete. „Wer möchte, kann ein Hinweisschild aufstellen“, erklärte er. Und muss auch schnell sein: „Die gehen weg wie warme Semmeln.“
Partner der Initiative „Respektiere deine Grenzen“ werden
Gemeinden, Grundeigentümer und Interessierte, die die Aktion unterstützen möchten, wenden sich an das AELF Holzkirchen per E-Mail an www.aelf-hk.bayern.de, Telefon 08024/46039-0 oder direkt an das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus (oeffentlichkeitsarbeit@stmelf.bayern.de). Weitere Infos gibt es online auf www.respektieredeinegrenzen.bayern.