EU-Land droht mit Stromlieferung-Stopp an Ukraine – Selenkyj kontert: „völlig unmoralisch“
Der Streit um den ukrainischen Gas-Transit droht zu eskalieren: Die Slowakei erwägt einen Stopp der Stromlieferungen an die Ukraine – Selenskyj moniert „zweite Energiefront“.
Bratislava – Der Ton zwischen dem EU- und NATO-Mitglied Slowakei und der Ukraine wird im Energiestreit um Transitlieferungen aus Russland zunehmend rauer: In einem Post auf X (vormals Twitter) kritisierte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seinen slowakischen Amtskollegen Robert Fico scharf: „Offenbar hat Putin Fico den Auftrag erteilt, auf Kosten der Interessen des slowakischen Volkes die zweite Energiefront gegen die Ukraine zu eröffnen“, heißt es in dem Beitrag.
Ukraine lässt Gas-Transitvertrag mit Russland auslaufen – zum Ärger der Slowakei und Fico
Hintergrund ist die Ankündigung der Ukraine, den Gas-Transitvertrag mit Russland ab Januar 2025 nicht mehr verlängern zu wollen. Trotz des Krieges der beiden Nachbarländer fließt seit 2019 russisches Gas vom Anbieter Gazprom über ukrainisches Territorium und versorgt neben der Slowakei auch Länder wie die Tschechische Republik und Italien. Fico hatte daraufhin angekündigt, im Falle eines Transit-Stopps seinerseits die Notstromversorgung für die Ukraine ab 2025 abzustellen. „Wenn es unvermeidlich ist, werden wir die Stromlieferungen, die die Ukraine während der Netzausfälle benötigt, stoppen“, erklärte der slowakische Regierungschef.
Selenskyj erinnerte in seinem Post daran, dass die Ukraine einzig wegen der russischen Besetzung des Kernkraftwerks Saporischschja und der gezielten Zerstörung großer Teile der ukrainischen Wärme- und Wasserkraftwerke Strom importieren müsse. Außerdem zahle sein Land der Slowakei dafür rund 200 Millionen Dollar, die Fico seinem Volk bei einem Ende der Notstromversorgung vorenthalten würde.
Derzeit bezieht die Ukraine laut eigenen Angaben rund ein Fünftel des Strombedarfs aus der Slowakei – weitere Energielieferanten in Notsituationen sind zudem Polen, Rumänien und Ungarn. Auch deshalb nannte der ukrainische Präsident die slowakische Unterstützung der russischen Aggression als „völlig unmoralisch“.

Wie abhängig ist die Slowakei von Russlands Gas? „Aus geopolitischen Gründen zahlen wir nicht mehr als nötig“
Auf der anderen Seite ist offen, wie abhängig die Slowakei tatsächlich von den russischen Gaslieferungen ist. Seit 2022 hat das Land die Importe deutlich reduziert. Von 85 Prozent sanken die Gaslieferungen aus Russland auf 50 Prozent für 2023 – ein Großteil kommt dabei über die ukrainischen Transitpipelines ins Land. Laut Fico würde der Gas-Kauf aus anderen Quellen zusätzliche 220 Millionen Euro kosten und gleichzeitig die Gaspreise am europäischen Markt in die Höhe treiben. „Wir sehen keinen Grund, aus geopolitischen Gründen mehr als nötig für Gas zu bezahlen“, sagte der Premierminister dazu.
Pikant ist in der Auseinandersetzung allerdings die Nähe Ficos zu Wladimir Putin. Am 22. Dezember hatte der Premierminister den russischen Präsidenten unangekündigt in Moskau besucht und sein Land als möglichen Vermittler im Ukraine-Krieg ins Spiel gebracht. So könne die Slowakei Treffpunkt für mögliche Friedensgespräche zwischen den Kriegsparteien sein. Putin habe auf das Angebot eine „positive Reaktion“ gezeigt, erklärte der Slowake in einem Facebook-Video – und drohte indirekt mit „adäquaten Gegenmaßnahmen“ im Falle eines ukrainischen Gasstopps.
Populist Fico wirbt um Putins Gunst – und kritisiert EU für Ukraine-Haltung
Überhaupt steht der Linkspopulist seit seiner Rückkehr ins Amt im Oktober 2023 der EU-Unterstützung für die Ukraine kritisch gegenüber: So monierte er die Waffenlieferungen der EU an die Ukraine und kündigte an, dass die Slowakei fortan nur noch humanitäre und zivile Hilfe zur Verfügung stellen werde. Direkte Waffenlieferungen aus slowakischen Armeebeständen werde es künftig nicht mehr geben.
Auch den viel diskutierten NATO-Beitritt der Ukraine werde er nicht zulassen. Vielmehr plädiert der Slowake für territoriale Zugeständnisse auf beiden Seiten, um den Krieg zu beenden. International sorgten der Putin-Besuch und die Äußerungen zur Ukraine für Empörung, da sie nicht der gemeinsamen Haltung der EU und der NATO entsprächen.