BYD teilt seine Aktie, plötzlich herrscht Chaos - was Anleger wissen müssen
Ein Aktiensplit ist normalerweise eine reine Formalität: Die Zahl der Aktien im Depot steigt, der Kurs pro Aktie sinkt entsprechend, der Gesamtwert für den Anleger bleibt gleich. Steuerliche Folgen entstehen dabei nicht. Beim chinesischen Autobauer BYD kam es jedoch anders und viele Anleger waren überrascht, als sie Abbuchungen und Steuerbelastungen in ihren Depots entdeckten.
Damit klar wird, was passiert ist, hier die wichtigsten Zusammenhänge:
1. Warum es kein klassischer Aktiensplit war
Bei einem echten Split wird nur die Zahl der Aktien verändert, das Grundkapital des Unternehmens bleibt gleich.
Bei BYD erhielten Anleger für 10 alte Aktien insgesamt 20 neue Aktien:
- 8 Bonusaktien aus den Gewinnrücklagen
- 12 Kapitalisierungsaktien aus den Kapitalreserven
Durch diese Maßnahme stieg das Grundkapital von 3 Milliarden auf 9,1 Milliarden Renminbi Yuan, also die chinesische Währung. Nach deutschem Steuerrecht ist das keine neutrale Umstellung, sondern eine Kapitalerhöhung und die hat steuerliche Folgen.
2. Warum plötzlich Steuern anfielen
Zunächst sah alles nach einem normalen Aktiensplit aus. Die neuen Aktien wurden von den Banken steuerfrei eingebucht, so wie es bei einer reinen Aufteilung üblich wäre. Doch dann kam die Überraschung: Auf die sogenannten Bonusaktien wurde in China Quellensteuer einbehalten. Damit galten sie nicht länger als neutrale Zuteilung, sondern steuerlich als Kapitalertrag – ähnlich wie eine Dividende. Maßgeblich für diese Bewertung war ein veröffentlichter Kurs von rund 14,50 Euro pro Aktie. Auf dieser Basis mussten die deutschen Banken sofort Kapitalertragsteuer einbehalten und vom Konto der Anleger abbuchen. Für viele Investoren war das besonders ärgerlich, da ihnen zwar zusätzliche Aktien gutgeschrieben wurden, sie aber gleichzeitig eine Steuerbelastung tragen mussten, ohne dafür einen direkten Geldzufluss zu erhalten.
3. So wirkt sich das im Depot aus
- Alte Aktien behalten ihre ursprünglichen Anschaffungskosten.
- Bonusaktien wurden mit einem Einstandskurs von rund 14,50 Euro eingebucht.
- Kapitalisierungsaktien wurden mit 0 Euro eingebucht.
Durch die Maßnahme wurde die Zahl der Aktien im Depot zwar erhöht, gleichzeitig sank aber der Kurs pro Aktie rechnerisch. Das wäre an sich kein Problem, denn der Gesamtwert bliebe gleich. Doch weil auf die Bonusaktien sofort Steuern einbehalten wurden, wurde zusätzlich Geld vom Konto der Anleger abgebucht. Im Depot erscheint deshalb der neue Aktienbestand zu einem niedrigeren Kurs plus die Steuerabbuchung. In der Summe wirkt es so, als hätte das Depot auf einen Schlag etwa neun Prozent an Wert verloren – auch wenn dieser Verlust in Wahrheit nicht dauerhaft ist, sondern durch die steuerliche Behandlung entsteht.
4. Warum sich der Effekt langfristig neutralisiert
Der Verlust, der nach der Maßnahme im Depot sichtbar wird, entsteht vor allem durch die sofortige Steuerabführung. Anleger zahlen Kapitalertragsteuer, obwohl sie keinen Geldzufluss hatten. Das führt zu einem Liquiditätsabfluss, weil Geld vom Konto abgeht, ohne dass dem ein realer Ertrag gegenübersteht.
Auf den ersten Blick wirkt es so, als ob der Depotwert dauerhaft gesunken wäre. In Wirklichkeit entsteht ein verzerrtes Bild: Die alten Aktien haben durch den rechnerischen Kursrückgang ein deutlich geringeres Kursniveau. Werden sie später verkauft, ergibt sich daraus ein steuerlicher Verlust. Die neuen Aktien dagegen wurden mit sehr niedrigen Anschaffungskosten eingebucht. Verkauft man sie später über diesem Wert, entstehen entsprechend hohe Gewinne.
Diese Verluste aus den Altaktien und die Gewinne aus den neuen Aktien werden steuerlich miteinander verrechnet. Am Ende bedeutet das: Anleger zahlen nicht zweimal Steuer, sondern sie leisten einen Teil der Abgaben früher, als es bei einem tatsächlichen Verkauf der Fall gewesen wäre.
Für viele Anleger bleibt jedoch ein Nachteil: Der sofortige Steuerabzug mindert die verfügbare Liquidität auf dem Konto. Dieses Geld steht in der Zwischenzeit nicht mehr für andere Investitionen oder Anlagechancen zur Verfügung. Genau deshalb empfinden viele die Maßnahme trotz steuerlicher Neutralisierung als ärgerlich.
5. Wer über die steuerliche Bewertung entscheidet
Viele Anleger fragen sich, warum ihre Bank die Maßnahme genau so verbucht hat. Der Hintergrund: Banken und Broker greifen dabei nicht auf eigene Einschätzungen zurück, sondern stützen sich auf den Datenlieferanten WM Datenservice. Dieser ordnet Kapitalmaßnahmen nach den Vorgaben des Bundesfinanzministeriums ein und gibt die Bewertung an die Institute weiter.
Im Fall von BYD gab es zunächst widersprüchliche Angaben. Manche Banken hatten die Bonusaktien anfangs steuerfrei eingebucht, andere sofort als steuerpflichtig. WM änderte seine Einordnung zwischendurch – erst sollten beide Tranchen steuerpflichtig sein, später wurde die Kapitalisierungs-Tranche als steuerfrei behandelt.
Heute gilt bei den meisten Banken folgende Praxis:
Bonusaktien (10:8): steuerpflichtig, Einstandspreis ca. 14,50 Euro, Kapitalertragsteuer wurde sofort abgezogen.
Kapitalisierungsaktien (10:12): steuerfrei eingebucht, Einstandspreis 0 Euro, Versteuerung erst bei einem späteren Verkauf.
6. Ausnahmefall Comdirect
Eine Ausnahme stellt die Comdirect dar. Dort hatten die Einbuchungen der neuen Aktien zunächst keine steuerlichen Folgen. Wichtig ist aber: Die neuen Aktien wurden mit 0 Euro eingebucht, während die Altbestände ihre ursprünglichen Anschaffungskosten behalten. Damit unterscheidet sich die Verbuchung von der bei vielen anderen Instituten, auch wenn das Ergebnis bei einem späteren Verkauf am Ende ähnlich ist.
7. Was Anleger jetzt tun können
Banken und Broker haben keinen Spielraum: Sie müssen die Maßnahme nach geltendem Steuerrecht so verbuchen. Die Abzüge und Umbuchungen laufen automatisch, Anleger müssen selbst nicht aktiv werden. Wer Zweifel hat, kann sich an das Finanzamt oder einen Steuerberater wenden.