„Verstörend“: Recherche enthüllt geheime Moskau-Reise iranischer Atomwissenschaftler
Eine Exklusivrecherche der „Financial Times“ (FT) offenbart eine geheime Reise iranischer Nuklearwissenschaftler nach Russland – und wirft damit neue Fragen über Teherans Atomambitionen auf.
Laut den von der „FT“ ausgewerteten Dokumenten reiste eine Delegation um den Physiker Ali Kalvand im August 2024 mit diplomatischen Dienstpässen nach Moskau. Offiziell handelte es sich um Vertreter der Firma DamavandTec, tatsächlich aber waren mehrere Delegierte dem geheimen iranischen Forschungsapparat SPND zuzuordnen – jenem militärischen Projekt, das vom US-Außenministerium als „direkter Nachfolger des iranischen Atomwaffenprogramms vor 2004“ eingestuft wird.
Iraner interessierten sich in Moskau für Röntgensysteme und radioaktive Isotope
Die Iraner besuchten dort dem Bericht zufolge russische Forschungsinstitute, die sogenannte „Dual-Use“-Technologien entwickeln – Geräte und Komponenten mit sowohl ziviler als auch potenziell militärischer Nutzung, etwa für Atomwaffen.
Nach Einschätzung westlicher Experten sei vor allem das Interesse an sogenannten Flash-Röntgensystemen und hochradioaktiven Isotopen wie Tritium auffällig. „Unser bestes Szenario ist: Sie wollten Hochleistungsröntgenröhren für Implosionsdiagnostik bei Nukleartests“, sagte David Albright vom Institute for Science and International Security gegenüber der „Financial Times“. Tritium gelte unter Nichtverbreitungsexperten als ein „rauchender Colt“ – ein Hinweis auf potenzielle Waffenpläne.

Experte: „Verstörend, dass solche Personen auf diese Art Zugang in Russland erhalten“
Die Delegation bestand aus führenden Vertretern des iranischen Nuklearkomplexes, darunter der Nuklearwissenschaftler Soroush Mohtashami, ein Experte für Neutronengeneratoren – Schlüsselkomponenten für Nuklearwaffen. Sein akademischer Mentor war Fereydoon Abbasi-Davani, einst Chef des SPND, der im Juni 2025 bei einem gezielten israelischen Luftangriff getötet wurde. „Diese Art von akademischer Forschung ist veröffentlicht – aber sie bezieht sich klar auf Waffentechnologie“, sagte die Nuklearexpertin Nicole Grajewski der „FT“.
Auch westliche Regierungsstellen zeigen sich alarmiert. „Es ist verstörend, dass solche Personen auf diese Art Zugang in Russland erhalten“, sagte Pranay Vaddi, früher Non-Proliferation-Director im Nationalen Sicherheitsrat der USA.
Offiziell lehnt Russland iranisches Atomprogramm ab
Während Russlands Regierung offiziell betont, ein iranisches Atomwaffenprogramm abzulehnen, deute die geopolitische Lage auf eine schleichende Lockerung dieser Haltung hin, so mehrere Experten gegenüber der „FT“. Die besuchten Institute seien jedenfalls nicht ohne Wissen des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB zugänglich.

Hintergrund: Irans Atomprogramm – aktueller Stand
- Israel und die USA bombardierten im Juni 2025 drei iranische Atomanlagen (Fordo, Natans, Isfahan).
- Wie NBC News unter Berufung auf amtierende und ehemalige Regierungsvertreter im Juli berichtete, wurde nur eine Anlage (Fordo) weitgehend zerstört, andere könnten bald wieder aktiv werden.
- Der Iran behauptet weiterhin, das Programm diene nur zivilen Zwecken.
- SPND wurde 2024 erstmals gesetzlich unter Kontrolle des Verteidigungsministeriums gestellt – mit eigenem Budget, ohne parlamentarische Kontrolle.
- Die US-Regierung warnt: SPND arbeitet an „nuklearwaffenrelevanter Forschung“.
Nato-Waffenexperte: „Wenn jemand Tritium will, denke ich automatisch: Waffe“
Die „Financial Times“ schreibt, dass Kalvand und Co. zwar keine direkt nachweisbaren Materialien erlangt hätten – doch allein die Kombination aus Personal, Technologieinteresse und Tarnung sei ein Alarmsignal. Ein ehemaliger Nato-Waffenexperte fasste es gegenüber der FT knapp zusammen: „Wenn jemand Tritium will, denke ich automatisch: Waffe.“