Indien überholt China als Rekord-Ölimporteur – Und bringt Russland in die Zwickmühle
Russland verlässt sich beim Ölhandel zunehmend auf Indien. Das Handelsvolumen steigt. Allerdings wächst die Sorge um westliche Sanktionen.
Neu Delhi – „Indien ist der wichtigste Markt und zum heutigen Tag für uns im Energiesektor einer der Schlüsselpartner“, sagte Russlands Vize-Regierungschef Alexander Nowak noch im Juli laut Interfax. Konkret geht es um die Abnahme von russischem Öl. Seitdem der Westen Russland sanktioniert, sucht die Kreml-Nation nach Alternativen.
Indien überholt China – wichtigster Russland-Handelspartner
Indien importiert mehr russisches Öl als China – und gilt damit auch im Juli als dessen größter Importeur. Angeblich hatte chinesische Raffinerien im Juli weniger Öl eingekauft, der Grund waren geringere Gewinnspannen aus der Kraftstoffproduktion. Das hatte der Kyiv Independent unter Berufung auf Reuters-Informationen berichtet. Der Ukraine-Krieg hatte dafür gesorgt, dass westliche Länder sich zunehmend von Russland als Handelspartner abgewandt hatten. Indien und China waren eingesprungen – gerade das Reich der Mitte hat sich zu einer Art Rettungsleine für Russlands Wirtschaft entwickelt.

Der Anteil von russischem Öl im Gesamtvolumen von Indiens Öl-Importen betrug 44 Prozent; ein Rekordwert. 2,07 Millionen Barrel Öl fanden im Schnitt täglich ihren Weg nach Indien. Das bedeutet einen Anstieg zwischen Juni 2024 und Juli 2024 um 4,2 Prozent, gegenüber dem Vorjahr war im Juli ein Anstieg von zwölf Prozent zu beobachten. Zum Vergleich: Aus China kamen im selben Zeitraum 1,76 Millionen Barrel pro Tag. Das hatten chinesische Handelsdaten gezeigt.
Gleichzeitig aber sorgt der erhöhte Handel zwischen Russland und asiatischen Ländern zunehmend für Sorge bei China und Indien, denn die USA setzen immer mehr Sekundärsanktionen ein. Diese sollen Druck auf die neuen Top-Handelspartner ausüben. Was das bewirken kann, ist unter anderem bereits im Bankensektor zu sehen. Hier hatten mehrere chinesische Banken aus Angst vor Sanktionen deutlichen Abstand zu Russland genommen und den Handel ausgesetzt. Indien hatte im Frühjahr 2024 angedeutet, nach Alternativen für russisches Öl zu suchen.
Indien handelt Discountpreise aus – und kauft massiv Öl ein
„Indiens Bedarf für russisches Öl steigt weiter, solange es keine schärferen Sanktionen gibt“, zitierte Reuters eine indische Quelle. Der zweitgrößte Lieferant war im Juli der Irak. Indiens Premierminister Narendra Modi hatte wiederholt dazu aufgerufen, eine diplomatische Lösung für den Ukraine-Krieg zu finden, während er gleichzeitig enge wirtschaftliche Bande zu Moskau pflegt.
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Dabei spart Indien jede Menge Geld. Laut indischen Handelsdaten haben die Importeure allein zwischen April 2022 und Mai 2024 Kosten in Höhe von 10,5 Milliarden US-Dollar (rund 9,3 Milliarden Euro) gespart, in dem sie russisches Öl zu „Discountpreisen“ einkauften. „Wenn wir anfangen, mehr Öl aus dem Mittleren Osten zu kaufen, wird der Ölpreis nicht bei 75 US-Dollar bleiben. Er würde 150 US-Dollar betragen“, hatte das US-amerikanische Nachrichtennetzwerk CNBC den indischen Energieminister Hardeep Singh Puri zitiert.
Indiens Ölkäufe stützen Russlands Wirtschaft – G7-Staaten wollen gegensteuern
Aktuell versuchen die G7-Staaten, durch einen sogenannten Ölpreisdeckel die Einnahmen Russlands aus Öl zu mindern. Im Detail sieht das so aus: Solange russisches Öl die Preisgrenze von 60 US-Dollar pro Barrel übersteigt, ist der Handel verboten. Solange dieser Preis unterschritten wird, dürfen auch westliche Transporteure russisches Öl handeln.
Daraufhin hatte Russland vor allem zwei Strategien verfolgt: Wladimir Putin war mehr auf Länder wie China und Indien zugegangen, weil diese viele der westlichen Sanktionen nicht mitgetragen hatten. Außerdem hatte Russland mittels einer Schattenflotte aus Öltankern versucht, trotzdem Öl in den Westen zu transportieren. Die Jagd auf die Schattenflotte hatte wiederum einen Kleinkrieg der Behörden ausgelöst, weil den westlichen Nationen wiederum daran gelegen war, die Tanker aus dem Verkehr zu ziehen. Seit Oktober 2023 befinden sich mehr als 50 Schiffe der Schattenflotte auf der Sanktionsliste.
Russlands Wirtschaft unter Druck: Einnahmen durch Ölexporte brachen ein
Der Erfolg der westlichen Sanktionen ist seit ihrem Ersteinsatz immer wieder Bestandteil öffentlicher Debatten. Mitunter war es dem Kreml-Chef gelungen, Ölpreise von bis zu 80 US-Dollar pro Barrel durchzusetzen, indem er einfach an seine neuen Handelspartner lieferte. Dadurch nahm er allerdings leichte Aufschläge beim Transport hin, da der Handel mit dem Westen (etwa, was das Pipeline-Netz angeht) logistisch grundsätzlich besser aufgebaut war.
Trotzdem zeigte sich zuletzt im Juli ein deutlicher Einbruch bei den russischen Öl-Exporten. Diese hatten den niedrigsten Stand seit Dezember 2023 erreicht, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Experten zufolge steht ein weiterer Rückgang bevor. Wladimir Putin steckt in einer Zwickmühle: Entweder knickt er vor dem Westen ein und macht sein Öl billiger, oder er bietet Indien und China weiter Discountpreise an. Beide Optionen bedeuten ein Minus im Vergleich zu vorher.
An den gesunkenen Ölpreisen sind jedoch nicht nur die westlichen Sanktionen schuld – die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) hatte eine Kürzung der Ölförderung vereinbart, die Russland einhalten will. Seit Ende 2022 hatte die Organisation wiederholt Produktionskürzungen vorgenommen. Ende Juli hatten die OPEC-Staaten ihre Produktion insgesamt noch um 5,86 Millionen Barrel pro Tag gesenkt, was rund 5,7 Prozent der weltweiten Nachfrage entsprach. Gleichzeitig greift die Ukraine immer wieder russische Raffinerien mit Drohnen an. Zwischenzeitlich hatte sie damit zwölf bis 14 Prozent der russischen Ölraffinerie-Kapazitäten lahmgelegt. (Laernie mit Material von Reuters)