Interview mit Gröbenzells Rathaus-Chef: „Ein Bürgermeister muss das aushalten“

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Er gilt als eher unkonventioneller Rathauschef: Gröbenzells Bürgermeister Martin Schäfer in seinem Büro. © GEMEINDE GRÖBENZELL

Antragsflut, Endlos-Debatten, persönliche Angriffe: Für Gröbenzells Bürgermeister Martin Schäfer war das Jahr 2023 turbulent. Ein Interview.

Gröbenzell - Zumindest eine Sache scheint nun vom Tisch: Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Verdachts der Untreue wurden eingestellt. Im Tagblatt-Interview blickt der 58-Jährige zurück – aber auch voraus.

Herr Schäfer, Sie werden erleichtert sein, um was ging es bei den Ermittlungen?

Die Angelegenheit ist für mich vom Tisch, mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Es gibt Verzögerungen bei der Planung und Umsetzung des Projekts Erweiterungsbau Gymnasium: Inwiefern hat Gröbenzell gebremst?

Der Bau selbst ist nicht unsere Zuständigkeit: Es wurde vieles vermischt, es hat praktisch jeder mitgeredet, und jeder seine eigene Wahrheit. Und am Ende des Tages muss die Verwaltung mit der Verwaltung des Landratsamts einen Weg finden – den wir ja auch gefunden haben. Was ich mir vorwerfen muss, ist, dass ich im Kreistag nicht eine gesonderte Abstimmung zu der Anzahl der Stellplätze gefordert habe.

Sie haben den Erweiterungsbau ebenfalls befürwortet, allerdings von Anfang für mehr Fahrrad-Stellplätze plädiert. Richtig?

Das war der einzige Knackpunkt, und der Gemeinderat hat sich zweimal für mehr Stellplätze ausgesprochen. Es war klar, dass das Landratsamt Gemeindegrund braucht, um die Stellplätze unterzubringen, nachdem das Landratsamt den Plan einer Radl-Tiefgarage aus Kostengründen nicht mehr weiterverfolgt hatte. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und kommen mit dem Landratsamt gut aus.

Trotz der Schwierigkeiten?

Meines Erachtens waren das keine Schwierigkeiten. Es gab einen Gemeinderatsbeschluss, den es umzusetzen galt, und wir haben Lösungen aufgezeigt. Dann hieß es, Gröbenzell verzögere irgendetwas. Jetzt haben wir die Situation, dass der Landkreis mit Blick auf seine vielen Großprojekte nicht alles gleichzeitig umsetzen kann. Beim Gymnasium geht es also zunächst einmal mit angezogener Handbremse weiter.

Warum ist das Arbeitsklima im Gemeinderat so schwierig?

Was mich stört, und ich wähle hier den sanfteren Begriff, sind die Angriffe unter die Gürtellinie. Da werden Leute vorgeführt, weil sie sich womöglich in der Begrifflichkeit nicht ganz korrekt ausgedrückt haben. Wie wollen wir Leute für Politik begeistern, wenn wir selbst keinen Umgangston und kein Benehmen haben? Das, was da passiert, möchte ich auf der Straße nicht erleben. Ich nehme mich ein bisschen raus, ein Bürgermeister muss das aushalten. Natürlich wird ein Thema mal eine Stunde lang diskutiert, und dann gibt’s ein einstimmiges Ergebnis. Anträge zu stellen und zu diskutieren, ist legitim.

Wenn man sich so umhört, herrscht die Meinung vor, es gehe seit Jahren nichts voran. Ist das so?

Man kann sich über vieles aufregen, man kann sich aber auch mal umdrehen und schauen, was wir alles geschafft haben.

Zum Beispiel?

Das Bürgerfest wurde kritisiert, aber da war die Hölle los. Wir haben „Gröbenzell ist bunt“ aus dem Nichts gestampft, das ist das größte interkulturelle Fest im Landkreis. Das Stadtradeln haben wir nach oben gebracht. Die Bücherei wurde umgebaut und mit dem Bayerischen Bibliothekspreis ausgezeichnet. Die Bushaltestellen sind barrierefrei ausgebaut und die Ampeln barrierefrei umgerüstet worden. Und: Die Verabschiedung von Diakon Roland Wittal und Pater Shibu kurz vor Weihnachten hat einmal mehr gezeigt, wie gut das Miteinander funktioniert.

Die Debatte um das angeblich viel zu teure Rathaus reißt nicht ab. Wie gehen Sie damit um?

Ja, das Rathaus hätte zehn Millionen Euro kosten können, aber auf Basis der Zahlen in der Dimension des alten Gebäudes. Der Platzbedarf war wesentlich größer. Die Leute kommen auch wegen moderner Arbeitsbedingungen, wir haben Personal halten und auch gewinnen können. Die Infrastruktur ist in die Jahre gekommen, wie sollen wir in neun Jahren all das in die Spur bringen, was vor 50 Jahren gebaut wurde? Die Anforderungen sind andere als 1970, es geht in erster Linie darum, den Bestand zu erhalten.

Sie haben das Thema Personal angesprochen. Das Umweltamt ist seit längerer Zeit unterbesetzt, im Bauamt sind Leitung und Stellvertretung vakant. Woran liegt’s?

Wir haben genügend gute Leute und werden die wichtigsten Projekte vorantreiben. Doch es ist klar, dass wir die Stellen dringend nachbesetzen müssen. Wir bewegen uns allerdings nicht in der Privatwirtschaft, sondern im Öffentlichen Dienst – wir bezahlen nicht schlecht, können aber nicht einfach was drauflegen. Insgesamt sind wir immer noch sehr gut aufgestellt und müssen aufpassen, dass wir uns nicht überfordern.

Was wird gegen die dramatische Kita-Situation in Gröbenzell unternommen?

Fakt ist, dass wir alle unsere gemeindlichen Plätze belegen können und dass wir immer wieder Personal finden. In der Bernhard-Rößner-Schule wird das Hausmeister-Haus zu einer Mini-Kita umgebaut, die soll im Frühjahr öffnen. Ich habe schon vor vier, fünf Jahren gesagt, wir fahren mit Vollgas gegen die Wand. Der Markt an Erziehern ist leer gefegt. Wir werden wieder mehr in die Eigenverantwortung kommen müssen, es wird wieder mehr ums Miteinander in Familie und Nachbarschaft gehen, auch Arbeitgeber müssen flexibler sein. Sich nur auf Staat und Gemeinde zu verlassen, funktioniert auf Dauer nicht. Es wird überall Einschnitte geben.

Viele Menschen haben sich über den schlechten Winterdienst nach den heftigen Schneefällen Anfang Dezember beklagt. Was war da los?

Ich hatte zu der Zeit mit 40 Bürgermeistern Kontakt, es war überall das Gleiche. Wir haben dazu aufgerufen, dass die Menschen ihre Autos wegen der Schneebruchgefahr stehenlassen. Was haben unsere Bürger gemacht? Sie waren alle unterwegs. Die Räumfahrzeuge sind teilweise nicht durchgekommen, weil die Straßen verstopft waren.

Was die Finanzen angeht, kommt die Gemeinde auf dem Zahnfleisch daher. Die Hebesätze für die Grundsteuer B und die Gewerbesteuer wurden heuer angepasst, sind weitere Erhöhungen überhaupt vermeidbar?

Ich habe dafür plädiert, die Grundsteuer B um 50 Prozent zu erhöhen, weil ich weiß, dass die verabschiedeten knapp 26 Prozent mehr nicht reichen. Der Gemeinderat wird sich erneut mit dem Thema auseinandersetzen müssen.

Haben Sie Ihre Entscheidung, in die Politik zu gehen, angesichts der dann folgenden Bürgermeister-Karriere schon einmal bereut?

Ich bereue nichts, meine Entscheidungen hatten ihre Beweggründe. Aber all die persönlichen Angriffe, die unter die Haut gingen, haben mich schon beschäftigt. Da gab’s zu viele. Erst hieß es, ein Unternehmer bringt einen anderen Wind rein. Dann bin ich meinen Weg gegangen als der, der ich bin, und prompt war’s das mit dem Rückenwind.

Weil Sie eben einfach nicht der typische Politiker sind, oder?

Natürlich bin ich diplomatischer geworden. Aber es reicht immer noch, um herauszustechen. Was ich auch mache, ich stehe dazu. Ich handle immer in bester Absicht.

Was waren bis dato Ihre schwierigsten Themen?

Die Flüchtlingswelle 2015, als es darum ging, den Ort zusammenzuhalten – das haben wir quer durch alle Fraktionen super gemeistert. Dann war da 2016, als ich nach meinem Schlaganfall ins Amt zurückkam und in der Bürgerversammlung mit großem Applaus empfangen wurde. Ich solle es ruhig angehen lassen, hieß es. Ein Jahr später war alles vergessen, es gab vollen Gegenwind und aggressive Anfeindungen.

Was wünschen Sie sich für das neue Jahr?

Gesundheit. Solange ich Appetit habe und zwei gesunde Hände, kann mir auf dieser Welt nichts passieren.

Welche Projekte sollten in Ihrer laufenden zweiten Amtszeit unbedingt noch verwirklicht werden?

Unsere anfälligen Heizungsanlagen in den Liegenschaften haben erste Priorität. Dann die Sanierung der Aussegnungshalle, ob sie in dieser Amtsperiode fertig wird, weiß ich allerdings noch nicht. Außerdem ist da noch das Feuerwehrhaus, und die Bernhard-Rößner-Schule müssen wir auf den Weg bringen.

Werden Sie sich erneut zur Wahl stellen?

Ich mache das alles sehr gerne, sonst müsste ich und würde ich sofort aufhören. Momentan plane ich bis Ende April 2026, dann sehen wir weiter.

Staatsanwaltschaft: Kein Fehlverhalten feststellbar

Die Staatsanwaltschaft München II bestätigt, dass die Ermittlungen eingestellt wurden. Schäfer wurde zur Last gelegt, dass er sich als Bürgermeister einen Anwalt genommen und die Kosten durch die Gemeindekasse beglichen hatte, obwohl es um persönliche Rechtsstreitigkeiten ging. Die Staatsanwaltschaft stellte fest: „Die rechtlichen Auseinandersetzungen wiesen sämtlich einen Bezug zu der Tätigkeit des Beschuldigten als Erster Bürgermeister auf.“ Es ging unter anderem um ein Posting auf Facebook.

Somit gebe es hier keine Hinweise auf ein Fehlverhalten. Und weiter: Die rechtliche Beurteilung, ob eine Amtsbezogenheit gegeben und damit eine Kostenübernahme durch die Gemeinde möglich war, erfolgte gemeindeintern und durch die Kommunalaufsicht, mit uneinheitlichem Ergebnis. Sprich: Es herrschte Unsicherheit über die korrekte Sachbehandlung. Vor diesem Hintergrund war unter Beachtung von „in dubio pro reo“ – im Zweifel für den Angeklagten – für eine Anklageerhebung kein Raum. guv

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