EU überdenkt nach Imamoglu-Festnahme Zusammenarbeit mit der Türkei

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Nach Jahren finden wieder hochrangige Gespräche zwischen der EU und der Türkei statt. Die Verhaftung von Ekrem Imamoglu belastet das Treffen.

Ankara/Brüssel – Nach der Festnahme des Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu in der Türkei will die EU ihre Zusammenarbeit mit dem Land überdenken. „Angesichts der jüngsten besorgniserregenden Entwicklungen müssen wir unser Engagement sorgfältig neu kalibrieren“, erklärte am Mittwoch (2. April) ein Sprecher der EU, Markus Lammert. Die Türkei sei jedoch nach wie vor ein strategisch wichtiger Partner.

Massive Proteste in der Türkei nach der Festnahme vom Ekrem Imamoglu

Seit Wochen protestieren hunderttausende Türken gegen die Festnahme Imamoglus. Die EU wolle die Türkei „in europäischen Werten verankert sehen“, erklärte Lammert. Aber „wir werden weiterhin Anliegen und Sorgen in Bezug auf den Rechtsstaat aufbringen“, fügte er hinzu.

Brüssel versucht im Hinblick auf die Beziehungen zu Ankara einen Balanceakt. Einerseits verlangt das europäische Staatenbündnis die Einhaltung demokratischer Werte. Andererseits möchte es seine wirtschaftlichen Beziehungen zu dem vorderasiatischen Staat vertiefen.

Seit der Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu kommt es immer wieder zu protesten.
Die Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters belasten die Beziehungen zwischen EU und der Türkei. © dpa/Francisco Seco

Erdogan-Kritiker: „Partnerschaft und EU-Mitgliedschaft der Türkei nicht dasselbe“

Noch deutlicher drückte es der Berichterstatter des EU-Parlaments für die Türkei, Nacho Sánchez Amor, aus: „Wir wiederholen es so oft wie nötig: Partnerschaft und Mitgliedschaft sind nicht dasselbe. Bei der Mitgliedschaft geht es um Demokratie. Es geht um Kavala, Demirtas und Ekrem Imamoglu. Geopolitik wird nicht die Tür öffnen, Teil der EU zu werden“, schrieb Amor auf X.

Amor gehört zu den größten Kritikern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Zuvor hatte sich der Berichterstatter des EU-Parlaments auch solidarisch mit den Demonstranten in Istanbul gezeigt, die gegen den mächtigen Mann in Ankara protestiert haben.

Nach Festnahme von Imamoglu: EU-Erweiterungskommissarin sagt Besuch in der Türkei ab

Imamoglu hatte sich über seine Anwälte am Mittwoch aus dem Silivri-Gefängnis in Istanbul an die EU gewendet. „Der Weg der Türkei zur Demokratie wird auf die Probe gestellt, doch der Wille des Volkes ist ungebrochen“, ließ er über seinen X-Account mitteilen. „Als Mitglied des Europarats und Beitrittsland zur EU muss unser Land seinen Verpflichtungen nachkommen“.

Imamoglu bedankte sich bei EU-Erweiterungskomissarin Marta Kos. Verschiedenen Berichten zufolge hatte Kos als Reaktion auf die Verhaftung von Imamoglu ihre Teilnahme am 11. April beginnenden Antalya Diplomacy Forum und ihren Besuch in Ankara, wo sie sich mit Außenminister Hakan Fidan treffen wollte, abgesagt.

Beziehungen zwischen der EU und der Türkei: Treffen von Imamoglu-Verhaftung überschattet

Die diplomatischen Beziehungen zur Türkei will die EU dennoch nicht vollständig kappen. Am Donnerstag finden erstmals seit sechs Jahren Gespräche hochrangiger Vertreter Brüssels und Ankaras über wirtschaftliche Beziehungen statt. Der türkische Finanzminister Mehmet Simsek wird bei dem Treffen in Brüssel erwartet.

Das Treffen wird im Schatten von Imamoglus Verhaftung stehen, der gefährlichste politische Rivale von Erdogan bei einer Präsidentschaftswahl. Die Staatsanwaltschaft wirft dem CHP-Politiker Korruption und Terrordelikte vor. Allerdings ist die Türkei von Rechtsstaatlichkeit weit entfernt. Nach dem Rechtsstaatlichkeitsindex von World Justice Project liegt die Türkei nur noch auf Platz 117 unter 142 Staaten. (erpe/dpa/AFP)

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