Kempten will neues Konzept für das Haus International und den Verein ausbremsen
Kempten – Seit 40 Jahren gibt es in Kempten das Haus International, das mittlerweile eine feste Instanz in der Integrationsarbeit ist. Doch über seine Zukunft wird seit einiger Zeit diskutiert. Im Finanzausschuss kam es nun zu einer Debatte über die Kürzung von Zuschüssen. Allerdings ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Das Haus International ist eine Begegnungsstätte, in der sich regelmäßig Gruppen, die im interkulturellen Bereich tätig sind, treffen und gelegentlich auch öffentliche Veranstaltungen anbieten. 1982 wurde der Verein „Internationale Begegnung Kempten e. V.“ von Inge Nimz gegründet und 1983 das Haus International an der Beethovenstraße eröffnet.
Nach 20-jähriger Arbeit an diesem Ort zog die Einrichtung im März 2003 in den heutigen Sitz in der Poststraße 22 um. Es ist eine Begegnungsstätte für Menschen aus unterschiedlichen Kulturen. Sie ist eine „Heimat“ für Vereine, kreative Gruppen und Lerngemeinschaften. Am 25. März 2023 feierte der Verein das 40-jährige Bestehen des Haus International. „Kommt her zu uns, ihr seid willkommen, das ist ein Ort der Begegnung“, brachte Oberbürgermeister Thomas Kiechle das Motto des Hauses auf den Punkt.
Kempten soll den Zuschuss drastisch senken
Philipp Wagner, Leiter des Amtes für Integration, erläuterte zu Beginn des Finanzausschusses, dass es der Verwaltung nicht leichtfalle, Veränderungen vorzunehmen. „Wir sehen die Notwendigkeit für ein interkulturelles Zentrum und das kann der Verein nicht leisten. Wir wollen das Gebäude unter Einbindung weiterer Akteure neu besetzen“, sagte er und führte weiter aus, dass es eine klare Trennung des Gebäudes als interkulturelles Zentrum und des Vereins geben muss. Letzterer hätte auch in Zukunft einen Platz im Gebäude.
Zudem sagte er, dass es auch darum geht, Fördermittel im unterschwelligen Bereich zu akquirieren. Er verwies auf das Projekt Demokratie leben über das man Fördergelder einbringen könnte. Daher sollte der städtische Zuschuss von 125.000 Euro auf 45.000 Euro gekürzt und der Vertrag mit dem Verein zum 30. Juni 2024 gekündigt werden.
Wer schließt die Lücke in der Integrationsarbeit?
Das löste eine intensive Debatte aus, wobei den Mitgliedern des Ausschusses nicht klar verdeutlicht wurde, welches Betreibermodell sich die Stadt künftig vorstellt. Für Thomas Hartmann (Grüne) ist es unstrittig, dass das Haus International für Integration notwendig ist. „Das ist keine Anpassung, sondern eine Abwicklung. Wir sollten nicht zu schnell etwas zerlegen, was wir benötigen.“ Er schlug vor, dass der Verein bis Mitte des Jahres 2024 ein Nutzungskonzept vorlegen solle.
Erna-Kathrein Groll (Grüne) unterstrich die Bedeutung des Vereins. „Wir dürfen den Verein nicht schwächen, sondern stärken. Die 45.000 Euro sind eine Schwächung. Wir sollten klären, welche Aufgaben an die Stadt abgegeben werden sollen.“ Laut Alexander Hold (FW) stehe man am Anfang eines Prozesses. Andere Akteure sollen eingebunden werden. „Wer übernimmt in 2024 das Netzwerk. Wer schließt die Lücke in der Integrationsarbeit? Zusätzliches Personal der Stadt kommt für mich nicht infrage.“
Verwaltung hat noch kein fertiges Konzept
Thomas Baier-Regnery, Referent für Jugend, Schule und Soziales, erläuterte, dass freiwillige Zuschüsse überprüft werden mussten, und das habe man sachlich gemacht und im Vorfeld kommuniziert. „Seit zwei Jahren haben wir das im Vorstand diskutiert. Es ist keine Abwicklung des Vereins, sondern eine Neuausrichtung.“
Ferner machte er deutlich, dass nur noch Teile des Hauses nutzbar sind. „Unterm Dach wohnt zwischenzeitlich der Marder.“ Er verwies auf die Sanierung des Hauses in der Bäckerstraße, wo der Stadtjugendring seine Heimat gefunden habe. Ähnliches schwebt ihm mit dem Haus International vor. Er gestand ein, dass die Verwaltung noch kein fertiges Konzept entwickelt habe. „Es geht nicht darum, den Verein in eine Lücke zu treiben“.
Wie soll das Haus in Zukunft genutzt werden?
Alexander Hold (FW) gab sich damit nicht zufrieden: „Die Reihenfolge stimmt nicht. Welcher Mieter kündigt seine Wohnung, ohne eine neue zu haben?“ Franz-Josef Natterer-Babych (UB/ödp) sieht keinen Unterschied zu dem, was das Haus heute macht und dem Vorschlag der Verwaltung. Eine Kürzung der Haushaltsmittel lehnt er ab.
Für Katharina Schrader (SPD) ist das ein heikles Thema. „Wie gehen wir mit dem Thema Integration um? Wie soll das Haus künftig genutzt werden? Wie soll die Nutzung der Räume vonstattengehen? Das Haus wurde doch bisher gut angenommen.“ Auf ihre Nachfrage zur vertraglichen Konstellation wurde mitgeteilt, dass in den 125.000 Euro auch die monatliche Miete in Höhe von 2.400 Euro enthalten sei. Diese wäre dann nicht mehr zu entrichten. Die 45.000 Euro ständen dann dem Verein für seine Projekte zur Verfügung, das Personal würde über die Stadt organisiert.
Oberbürgermeister Kiechle sagte, dass man sich weiter öffnen müsse als man es in der Vergangenheit getan hat. „Der Verein hat Hunderte Mitglieder, die wollen wir nicht verlieren. Die Aufgaben werden größer, das Amt für Integration muss darin einfließen“, ergänzte er und betonte, dass es einer vertieften Betrachtung sowie Konkretisierung der Maßnahmen bedarf und man sich in rund sechs Monaten noch einmal mit dem Thema befassen wird.
Vorsitzende hat Zweifel an Zuschüssen vom Freistaat
Der Verein soll nun 90.000 Euro erhalten. In einem Gespräch des Kreisboten mit der Vereinsvorsitzenden Gaby Heilinger stellte sich heraus, dass der Vertrag mit der Stadt nur mit einer sechsmonatigen Kündigungsfrist zum Jahresende gekündigt werden kann und somit eine Kündigung zur Jahresmitte nicht möglich ist. Ferner wies sie auf wesentliche Projekte hin. Einmal die Schülerbetreuung, die der Freistaat mit 70.000 Euro bezuschusst.
Zudem das „MiMi Gesundheitsprojekt“, dass 2016 in der Region Allgäu-Bodensee ins Leben gerufen wurde, um Migrantinnen und Migranten den Zugang zum deutschen Gesundheitssystem zu erleichtern. Im Rahmen des Projektes werden gut integrierte und sprachlich versierte Migrantinnen und Migranten zu interkulturellen Gesundheitslotsen, zu „MiMis“, ausgebildet. Ihr Wissen zu den Themen Gesundheit, Prävention und Angebote des deutschen Gesundheitssystems geben sie in selbständig organisierten Informationsveranstaltungen in der jeweiligen Muttersprache weiter. Heilinger bezweifelt, ob der Freistaat noch Zuschüsse gibt, wenn das Budget des Vereins auf 45.000 Euro gekürzt wird.