Der Bau eines neuen russischen Hafenstützpunktes könnte Russlands Schwarzmeerflotte vor ukrainischen Angriffen schützen. Doch es gibt Zweifel.
Otschamtschire – In der abtrünnigen georgischen Region Abchasien wird ein russischer Marinestützpunkt gebaut. Der Hafen liegt rund 800 Kilometer von der Hafenstadt Sewastopol auf der Krim entfernt, wo Russland ursprünglich viele Schiffe seiner Schwarzmeerflotte stationiert hatte. Doch ukrainische Angriffe im Zuge des Ukraine-Krieges zwangen Russland dazu, die Schiffe an andere Häfen zu stationieren. Die Rolle des neuen Hafens ist jedoch umstritten.
Russlands neuer Hafen in Georgien für Putins Schwarzmeerflotte: Rückzug von der Krim?
Dem Nachrichtenportal Newsweek liegen Satellitenbilder von Planet Labs vor, die den Bau des Hafens in Otschamtschire im östlichen Teil des Schwarzen Meeres dokumentieren. Bis 2024 könnte der Hafen in Betrieb gehen. Die Ukrainiska Prawda berichtete im März 2024 unter Berufung auf den georgischen Fernsehsender Pirveli, dass der Bau des Hafens fast abgeschlossen sei. Bereits im Oktober kündigte Abchasien eine Vereinbarung mit Russland zur Errichtung eines neuen russischen Marinestützpunktes im Hafen von Otschamtschire an, wie das Georgien Institute of Politics (GIP) informierte.
Für Russland könnte der Hafen auch ein Zufluchtsort für die Schwarzmeerflotte von Wladimir Putin sein, nachdem die Ukraine wiederholt die russische Flotte auf der Krim angegriffen hatte. Aufgrund der Angriffe wurden mindestens 17 Schiffe aus dem Hafen in Sewastopol nach Noworossijsk verlegt, wie das GIP weiter berichtete. Mit einem Stützpunkt in Otschamtschire wären die Schiffe noch weiter von der Ukraine entfernt und vor weiteren Angriffen offenbar geschützt.
Russischer Marinestützpunkt in Georgien: „Nicht viele Änderungen“
Andrii Ryzhenko, ein pensionierter ukrainischer Marinekapitän und nun strategischer Experte beim Verteidigungs- und Logistikberatungsunternehmen Sonata, erklärte Newsweek, dass auf den Satellitenbildern östlich der Bucht Neubauten zu sehen sind. Zudem sollen sich in dem Hafen kleine Schiffe befinden. Dennoch seien die Arbeiten in den letzten sechs Monaten kaum vorangekommen. „Es gibt nicht viele Änderungen“, so Ryzhenko.
Zuvor erklärte die pro-russische-separatistische Regierung in Abchasien, dass der Hafen durch die Bauarbeiten Schiffe mit einem Verdrängungsvolumen von mehr als 14.300 Tonnen aufnehmen könne. Somit könnten alle restlichen Schiffe der Schwarzmeerflotte dort stationiert werden. Vor den Bauarbeiten hatte der Hafen nur eine Tiefe von neun Metern. Russland soll zurzeit kleine Patrouillenschiffen des FSB und Boote, die von der Küstenwache genutzt werden, in dem Hafen stationiert haben, so Newsweek.
Schutz für Russlands Schwarzmeerflotte: Ukrainische Angriffe dennoch möglich
Der Experte für russische und eurasische Sicherheit, Glen Howard, schrieb 2023 auf seinem Substack: „Moskau könnte immer noch eine Gruppe Korvetten vom Schwarzmeerhafen aus schicken, um mit den Kalibr-Langstreckenraketen regelmäßig ukrainisches Territorium anzugreifen und dann in die Sicherheit des Marinestützpunkts zurückkehren.“ Auch ein Angriff Kiews auf Otschamtschire könnte somit nicht ausgeschlossen werden. Die ukrainische U-Boot-Drohne Marichka hat eine Reichweite von fast 1000 Kilometern. Damit würde sie auch den neuen russischen Stützpunkt in Georgien erreichen können.
Meine news
Andere Stimmen wie Ryschenko bezweifeln jedoch die Rolle von Otschamtschire. Der Hafen könne theoretisch nur fünf Prozent der Schiffe aus Sewastopol und etwa 20 Prozent der Schiffe aus Noworossijsk aufnehmen. „Es ist wirklich sehr wenig“, so Ryschenko. „Ich würde die Rolle dieses Stützpunkts für die gesamte Schwarzmeerflotte nicht überbewerten. Es würde nur ausreichen, um ein Geschwader kleinerer Schiffe festzumachen.“ Welche Kapazität der Hafen schlussendlich erreichen wird, zeigt sich wohl erst nach der Fertigstellung des Hafens.