Deutsche Unternehmen mit Rekordinvestitionen in den USA – „Wir fallen derzeit zurück“
Deutsche Unternehmen haben 2023 Rekordsummen in den Vereinigten Staaten investiert – auch, weil es dort ein umfangreiches Förderprogramm gibt. Deutschlands Standortattraktivität lässt derweil nach.
München – Deutschland ist der viertgrößte ausländische Investor in den Vereinigten Staaten und schafft dort über 330.000 Arbeitsplätze, berichtet das Bundeswirtschaftsministerium. Vielleicht werden es ja bald mehr: Während viel über die Attraktivität des Standortes Deutschland diskutiert wird, werfen immer mehr hiesige Unternehmen einen Blick über den großen Teich – und investieren offenbar lieber dort.
Deutsche Unternehmen investieren Milliarden in den USA
Das zeigen Zahlen des zur Wirtschaftszeitung Financial Times gehörenden Datenanbieters fDi Markets. Demnach gab es in den USA im vergangenen Jahr 185 deutsche Investitionsprojekte, die auf 15,7 Milliarden Dollar (14,5 Milliarden Euro) beziffert wurden, erklärt ntv. Im Jahr zuvor hatte der Wert noch bei 8,2 Milliarden Dollar gelegen. Der einstige Spitzenreiter China kommt nur auf etwa sechs Milliarden Dollar.
Prominentes Beispiel deutscher Investitionen in die USA ist das neue Werk der VW-Tochter Scout, das zwei Milliarden Euro kosten soll. Dort, im US-Bundesstaat South Carolina, sollen dann in zwei Jahren elektrische Pick-ups und SUVs vom Band laufen, 4000 Arbeitsplätze sollen dabei entstehen.
Inflation Reduction Act macht den Standort USA für deutsche Firmen attraktiv
Grund für die Attraktivität des Standortes USA ist vor allem der von der US-Regierung unter Präsident Joe Biden aufgesetzte Inflation Reduction Act (IRA), der zahlreiche Steuererleichterungen und Subventionen umfasst – vor allem für klimaschonende Zukunftstechnologien wie eben die Elektromobilität. Die klaren Rahmenbedingungen des IRA geben den Firmen Investitionssicherheit, so Ökonomen. Dazu kommen dann die günstigeren Energiepreise und das starke Wachstum der US-Wirtschaft.
Schon im vergangenen Jahr wies eine Auswertung der Deutscher Industrie- und Handelskammer (DIHK) darauf hin, dass sich die Investitionstätigkeiten deutscher Unternehmen Richtung USA bewegen. So gaben in der DIHK-Analyse 17 Prozent der deutschen Unternehmen an, ihre US-Investitionen auszuweiten – was auch zulasten des hiesigen Standorts gehe, berichtet das Handelsblatt, DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier sagte in diesem Zusammenhang laut Magazin. „Bemerkenswert ist, dass die Investitionsdynamik der deutschen Unternehmen weltweit insgesamt deutlich höher ist als im Inland und dass sie in Nordamerika besonders stark ist.“
Amerikanische Unternehmen sehen Standort Deutschland zunehmend kritisch
Andersherum nimmt die Begeisterung eher ab: So bewerten US-Unternehmen Deutschland nach Einschätzung der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland (AmCham Germany) zunehmend kritisch. Die Bewertung des Standorts habe sich im Jahresvergleich etwas verschlechtert, sagte AmCham-Präsidentin Simone Menne der Deutschen Presse-Agentur vergangenen Dezember. „Und für das kommende Jahr wird keine Verbesserung erwartet.“
Sie sehe zwar keinen Niedergang des Standortes und keine Deindustrialisierung in Deutschland, „aber wir fallen derzeit zurück, und das macht allen Sorgen, auch unseren transatlantischen Partnern, die große Erwartungen an die größte Industrienation Europas haben“, so Menne.
Verbände fordern industriefreundlichere EU-Politik
Das sorgt für immer mehr Unmut – denn in Deutschland herrscht in der Regierung derweil Unstimmigkeit, wie genau die Wirtschaft angekurbelt und der heimische Standort attraktiver gemacht werden soll. Mehr als 50 hochrangige Unternehmensvertreter und 15 Industrieverbände haben sich nun diese Woche gleich an die EU gewandt und in der sogenannten Antwerpener Erklärung eine industriefreundlichere EU-Politik gefordert.
Unter anderem sprechen sie sich für einfachere Staatshilfe, niedrigere Energiekosten und mehr europäische Bergbauprojekte für wichtige Rohstoffe aus. Während die US-Wirtschaft von Staatshilfen über IRA profitiere, erhöhten chinesische Überkapazitäten und zunehmende Exporte nach Europa den Druck auf die europäische Industrie, so der Vorwurf. „Unsere Unternehmen sind täglich mit dieser Herausforderung konfrontiert. Standorte werden geschlossen, die Produktion gestoppt, Mitarbeiter entlassen“, heißt es. Unterschrieben wurde die Erklärung unter anderem vom Bayer-Vorstandsvorsitzenden Bill Anderson und dem BASF-Unternehmenschef Martin Brudermüller.
Mit Material der dpa