Serap Güler über Taurus-Debatte: „Erschreckende Gemeinsamkeit zwischen der SPD und der AfD“
Angst ist kein guter Berater. Genau die aber sieht Verteidigungsexpertin Serap Güler (CDU) bei Kanzler Scholz in der Taurus-Debatte. Und sie bemerkt noch etwas, das der SPD nicht gefallen dürfte.
Berlin – Manchmal reicht ein Kanzler-Basta nicht: Obwohl Olaf Scholz sein Nein zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern zuletzt noch einmal bekräftigt hat („Ich bin der Kanzler, und deshalb gilt das“), ist das letzte Wort noch lange nicht gesprochen. Am Donnerstag soll es auf Antrag der CDU eine erneute Abstimmung zur Taurus-Lieferung im Bundestag geben. Die CDU-Abgeordnete und Verteidigungsexpertin Serap Güler hat eine sehr klare Meinung zur Haltung des Kanzlers.
Sind Sie Olaf Scholz eigentlich dankbar?
Wieso?
Weil er es der Opposition mit seinem Nein zur Taurus-Lieferung gerade ziemlich leicht macht.
Nein, ich bin überhaupt nicht dankbar. Das Thema ist viel zu ernst, um es parteipolitisch auszuschlachten. Ich glaube, er versucht gerade Stärke und Führung zu zeigen, aber das geht komplett schief.

Wie würde es denn besser gehen?
Führung würde für mich bedeuten, dass er seine Haltung den Koalitionspartnern und dem Oppositionsführer erläutert. Aber die Koalition scheint ja selbst kaum mehr informiert zu werden. Man könnte fast meinen, dass unsere Sicherheits- und Verteidigungspolitik nicht mehr im Bundestag, sondern in der SPD-Parteizentrale gemacht wird. Und die SPD vermittelt den Eindruck, dass der Kanzler geheime Informationen hätte, aufgrund derer er keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern möchte. Ich glaube da nicht dran. Wenn es diese Informationen wirklich gäbe, dann würde er das zumindest im kleinen Kreis erklären. Aber das macht er nicht.
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Vielleicht will er auch einfach nur der Friedenskanzler sein, der Deutschland aus dem Krieg heraushält.
Wir befinden uns schon im hybriden Krieg mit Russland. Es gibt tagtäglich Cyberattacken auf unsere Wirtschaft, auf unsere kritische Infrastruktur, ranghohe Bundeswehroffiziere wurden von russischen Spionen abgehört. Wenn der Kanzler sagt, Deutschland soll nicht Kriegspartei werden, dann frage ich mich ernsthaft, in welcher Welt er eigentlich lebt. Die SPD versucht gerade krampfhaft, das Image des Kanzlers vom Zauderer zum Macher und Friedenskanzler zu ändern. In Wahrheit aber reagiert Olaf Scholz auf Putins Drohungen bloß mit Angst. Das darf man nicht mit Besonnenheit verwechseln. Niemand will eine Eskalation. Aber Deutschland sollte klarer in seiner Haltung gegenüber Russland sein.
Glauben Sie, dass es abseits von Cyberattacken auch zu Anschlägen in Deutschland kommen kann? Etwa durch Putin-Anhänger, die hier leben?
Die Gefahr steigt auf jeden Fall. Das müssen nicht unbedingt Sprengstoff-Anschläge sein. Das kann auch symbolischer Sprengstoff sein. Sowas wie der Fall Lisa.
Sie meinen die in der russischsprachigen Bevölkerung verbreitete Falschmeldung über eine angebliche Vergewaltigung im Jahr 2016, die im Nachgang zu diplomatischen Spannungen zwischen Russland und Deutschland geführt hat?
Genau. Das war ja mehr als ein Cyberangriff. Wir müssen uns darauf einstellen, dass es derartige Angriffe bald häufiger aus einer Pro-Putin-Community heraus geben wird. Und das müssen auch die Sicherheitsbehörden mehr im Fokus haben. Es wird massive Desinformationskampagnen geben, die die Gesellschaft spalten sollen.
In diesem Jahr gibt es drei Landtagswahlen in Ostdeutschland. Die AfD steht dort in Umfragen teilweise bei über 30 Prozent. Wie erklären Sie sich das?
Ganz viele Menschen haben nicht das Gefühl, dass die Bundesregierung wirklich alles daran setzt, um die Herausforderungen und Probleme im Land zu lösen. Vielmehr fällt die Koalition durch interne Streitereien auf. So geht Vertrauen in die Politik verloren. Und manche wenden sich dann denen zu, die vermeintliche schnelle Lösungen versprechen, die es in einer Demokratie in Wahrheit nicht geben kann. Genau das macht die AfD und übrigens auch das Bündnis Sahra Wagenknecht.
Ist die Brandmauer der CDU nach rechts denn weiterhin stabil?
Ich verstehe nicht, warum das immer nur von der CDU gefordert wird. Wenn Sie sich die aktuelle Diskussion zur Lage in der Ukraine anschauen, stellen Sie eine erschreckende Gemeinsamkeit zwischen der SPD und der AfD fest.
Sie meinen, weil die AfD gegen Waffenlieferungen ist und der SPD-Kanzler beim Nein zum Taurus bleibt?
Nicht nur. Auch wenn Sie sich die Definitionen einer Kriegsbeteiligung von Alice Weidel und Olaf Scholz ansehen, bemerken Sie quasi Deckungsgleichheit. Da scheint die Brandmauer gerade mehr als nur zu bröckeln. Das scheint für viele und für die SPD gerade gar keine Rolle zu spielen. Aber um die Frage zu beantworten: Ja, unsere Brandmauer ist stabil. Wer das in der Partei anders sieht, hat ja seit ein paar Wochen die Möglichkeit, sich anders zu orientieren.
Sie sprechen von der neuen Partei von Hans-Georg Maaßen, die sich aus der Werte-Union gebildet hat?
Genau. Er kann sich ja offenbar eine Kooperation mit der AfD vorstellen. Hier unterscheiden wir uns als CDU und Partei der Mitte.
Die CDU baut gerade ein neues Migrantennetzwerk auf, Sie sollen es leiten. Warum braucht es ein solches Netzwerk?
Wir möchten unterschiedlichen Migranten-Communitys einen Raum bieten, wo sie ihre Anliegen einbringen können. Bei über 25 Prozent Menschen mit Migrationsgeschichte in unserem Land ist es mehr als angebracht, dass eine Volkspartei sich diesen Menschen stärker widmet.
Laut einer These ist in Städten wie Berlin, Bremen oder Essen die sogenannte Clan-Kriminalität auch deshalb entstanden, weil dort die arabisch-libanesische Community zu lange sich selbst überlassen wurde. Ist da was dran?
Es gibt sehr viele Menschen, die Probleme alleine lösen müssen und trotzdem nicht kriminell werden. Bei den Clans sprechen wir auch nicht von Gelegenheitsdiebstählen, sondern von Zwangsprostitution, Drogenhandel, Schutzgeld-Erpressung, also wirklich harten Formen der organisierten Kriminalität. Aber ja, natürlich sind in der Migrationspolitik in den letzten Jahrzehnten Fehler gemacht worden.
Welche?
Wir hatten in den 80er Jahren noch Türken-Klassen im Ruhrgebiet. Da wurden alle türkischen Kinder in eine Klasse gesteckt, in denen nur Türkisch gesprochen wurde. Man dachte, die gehen wieder zurück und müssen kein Deutsch lernen. Anderes Beispiel: Ein Kommilitone von mir stammte aus der libanesischen Community in Essen, in der viele immer noch nur einen Duldungsstatus haben. Ich hatte nach dem Studium schnell die ersten Vorstellungsgespräche, er gar keine. Das hatte nichts damit zu tun, dass er schlechter war. Der einzige Unterschied war, dass er eben nur geduldet war. Wenn man nicht mal eine Chance bekommt, obwohl man erfolgreich ein Studium zu Ende gebracht hat, dann macht das was mit einem.
Was ist aus ihm geworden?
Das weiß ich nicht, aber ich glaube, er war sicherlich stark genug, um nicht der Kriminalität zu verfallen.
Sie sind seit 2021 im Bundestag. Vermissen Sie manchmal Köln und NRW, wenn Sie in Berlin sind?
Jeden Tag. Das Schönste an Berlin ist die Bahnfahrt zurück nach Köln. In Berlin wird die große Politik gemacht und das macht mir sehr große Freude. Aber ich bin und bleibe NRWlerin, außer der Politik zieht mich nichts nach Berlin. Home is, where the Dom is.