Krise um Standort Deutschland: Nächster Autozulieferer plant die Schließung - 300 Jobs in Gefahr

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Ein Autozulieferer in Thüringen hat „ohne Vorwarnung“ die Schließung des Werks angekündigt. Für den Standort Deutschland ist das ein schlechtes Zeichen.

Erfurt – „Ohne Vorwarnung“ hat der Autozulieferer IHI Charging Systems International (ICSI) in Thüringen vor zwei Wochen bekannt gegeben, dass es das Werk am Erfurter Kreuz schließen wolle. So sagte es der thüringische Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR). Die 300 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in dem Werk seien darüber informiert worden, dass sie in den kommenden zwölf bis 15 Monaten arbeitslos sein werden.

Die Meldung aus Thüringen ist nur eine von zahlreichen Signalen an die Politik, dass es Probleme mit dem Standort Deutschland gibt. Am Freitag (3. Mai) stellte das Ifo Institut in München dem Standort ein „besorgniserregend schlechtes“ Zeugnis aus. Vor allem die Bürokratie, die hohen Energiekosten im internationalen Vergleich, und die mangelnde Digitalisierung wurden als zentrale Problemfelder genannt.

IHI in Thüringen schließt Werk: Turbolader werden künftig nicht benötigt

Das Problem für das Unternehmen IHI ist eines, das viele in der Automobilindustrie heimsuchen könnte. IHI stellt vorrangig Turbolader her, ein Bauteil für Verbrennungsmotoren. Angesichts der Verkehrswende mit Fokus auf E-Mobilität werden Bauteile wie Turbolader künftig sehr viel weniger nachgefragt werden. Für Unternehmen in diesen Segmenten geht es also darum, ihren Fokus entweder umzustellen – oder die Werke mittelfristig zu schließen.

IHI ist also ein Symbol für die kommende Umstellung in der Autobranche. Elektroautos bestehen aus viel weniger Teilen als Verbrenner, was für Hersteller bedeutet, dass sie auch weniger Personal brauchen werden. Für Kunden hat das auch Vorteile, da bei weniger Teilen auch weniger kaputtgehen kann.

Gewerbegebiet Erfurter Kreuz, hier IHI Charging Systems International Germany GmbH, DB
Gewerbegebiet Erfurter Kreuz © IMAGO/KH

Neben dem Sitz am Erfurter Kreuz hat IHI ebenfalls einen Standort in Heidelberg. Auch in Italien hat die Firma einen Sitz. Zu den Abnehmern gehören die großen Automarken wie VW, Ferrari, Audi und BMW.

Standort Deutschland in der Kritik: Ökonomen fordern Anpassung des Rentenalters

Die Schließung des Werks in Thüringen ist natürlich trotzdem ein schlechtes Signal. Nach Angaben des Geschäftsführers von Automotive Thüringen, Rico Chmelik, sei die Nachfrage nach Turboladern nämlich momentan noch gut. Dem MDR sagte er, die Schließung habe vermutlich mehr mit dem Standort an sich zu tun. Um die Mitarbeitenden mache er sich keine Sorgen, da sie am Erfurter Kreuz sicher zügig andere Stellen bekämen.

Diese Ansicht wird auch durch die neue Bewertung des Ifo Instituts gestützt. 180 vom Institut befragte Wirtschaftsprofessoren geben dem Standort Deutschland im internationalen Vergleich nur die Schulnote 3,4. „Damit es dem Wirtschaftsstandort Deutschland besser geht, werden Reformen benötigt“, betonte Ifo-Experte Niklas Potrafke. „Dazu zählen der Bürokratieabbau und mehr öffentliche Investitionen in die Infrastruktur und Digitalisierung. Dafür sollte aber auf keinen Fall die Schuldenbremse aufgeweicht werden, vielmehr bedarf es beispielsweise einer Anpassung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung.“

Es gab aber auch Gutes über den Standort zu berichten. Als Stärke wurden mit 67 Prozent am häufigsten die politischen Institutionen in Deutschland bezeichnet. „Unsere nach wie vor funktionierende Demokratie, verbunden mit Merkmalen wie Rechtsstaatlichkeit, wirtschaftlicher Freiheit, Schutz des Eigentums und geringer Korruption ist - gerade im Vergleich zu Diktaturen oder Autokratien - ein klarer Standortvorteil für Deutschland“, sagte Potrafke. Tendenziell als Stärke Deutschlands sahen die befragten Experten zudem Bildung und Humankapital, Sicherheit und geopolitische Risiken sowie den Zugang zu Finanzierung.

Mit Material von dpa

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