Streit um die Anbindehaltung: Landwirte sehen neuen Entwurf gemischt – Kritik an Winterauslauf
Der überarbeitete Gesetzentwurf zum Tierschutz stößt in der Landwirtschaft auf gemischte Reaktionen. Die Einführung einer Ausnahmeregelung für kleinere Betriebe wird als Fortschritt gewertet, doch die Umsetzbarkeit des Winterauslaufs bleibt umstritten.
Landkreis – Nach Protesten der Landwirte im Streit um die Anbinde- und die Kombihaltung, an denen sich auch der Bayerische Bauernverband (BBV) im Landkreis beteiligt hat, gibt es einen neuen Entwurf für das Tierschutzgesetz. Wie im überregionalen Teil berichtet, legte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) kürzlich einen überarbeiteten Referentenentwurf vor, der eine Ausnahme für Betriebe bis 50 Rinder enthält. Sie sollen ihre Tiere im Winter weiterhin anbinden dürfen, wenn diese auch außerhalb der Weidesaison zweimal pro Woche Auslauf bekommen. Die Kombihaltung soll außerdem an den Betrieb gebunden und nach der Hofübergabe weiter möglich sein. Für Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung ist eine Übergangsfrist von zehn Jahren vorgesehen.
Landwirte in der Region sind sich einig darüber, dass der Entwurf ein Schritt in die richtige Richtung ist. Einigen gehen die Änderungen aber noch nicht weit genug, wie Nachfragen unserer Zeitung ergaben.
Bezirksalmbauer
Anton Maier, Bezirksalmbauer aus Rottach-Egern, hält es etwa für „grundsätzlich begrüßenswert“, dass die Kombihaltung erhalten werden soll. Viele kleinere Betriebe könnten keinen Laufstall bauen – doch ein Aussterben eben dieser würde den Strukturwandel verschärfen. Für sie sei der Entwurf ein wichtiges Signal, betont Maier. Allerdings hätten weder alle Betriebe den Platz für den darin geforderten Winterauslauf, noch sei dieser aus seiner Sicht immer sinnvoll. „Der gefrorene Boden kann gefährlich sein, das hat seine Tücken“, sagt Maier. Er warnt davor, mit der Vorgabe mehr Schaden als Nutzen anzurichten – und plädiert deshalb für eine freiwillige Regelung. „Auch zeitlich ist der Auslauf im Winter für kleine Betriebe im Nebenerwerb schwierig“, sagt Maier. Er selbst beispielsweise sei mit Kutschfahrten viel außer Haus. Auch die Zeitbegrenzung von zehn Jahren für die ganzjährige Anbindehaltung hätte es aus seiner Sicht nicht gebraucht: Die Betriebe würden ohnehin entweder aufhören oder einen Laufstall bauen, glaubt der Bezirksalmbauer.
Kreisbäuerin
Auch Kreisbäuerin Brigitta Regauer hält den Entwurf zwar für einen „Schritt in die richtige Richtung“, stört sich aber unter anderem an der Vorgabe des Winterauslaufs. „Das ist räumlich und aus logistischen Gründen gar nicht möglich“, sagt sie. Erkennbar sei das etwa daran, dass viele konventionelle Betriebe im Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) schon sehr nah am Bio-Standard arbeiten würden – bis auf den Winterauslauf. Wäre ihnen dieser möglich, hätten sie längst auf Bio umgestellt, argumentiert Regauer. Sie fürchtet, mit der Vorgabe könnten einige Landwirte an ihre Grenzen kommen und dann mit der Tierhaltung aufhören. Auch die Grenze von 50 Rindern sei „nicht praktikabel“. Bei 20 bis 22 Kühen mit Nachzucht kämen selbst kleine Betriebe schnell über diese Marke. „Es ist ein Entwurf – und an Entwürfen sollte immer gearbeitet werden“, betont Regauer. „Es wäre aber g’scheider gewesen, wenn man vorher mit Praktikern geredet hätte.“
Kreisobmann
Ähnlich sieht das Kreisobmann Josef Huber aus Valley. Im Ansatz sei in dem Entwurf zwar verstanden worden, worum es gehe. „Das ist aber nicht ausreichend, wenn man das große Ganze nicht sieht.“ Über die Hälfte der Landwirte seien im Nebenerwerb – für sie sei der Winterauslauf nicht zu schaffen, glaubt Huber. Bei 50 Rindern müsse man zwei bis drei Gruppen bilden, die an zwei Tagen pro Woche rausmüssten. „Das geht die ganze Woche durch.“ Zufrieden ist der Kreisobmann mit der Übergangslösung für die ganzjährige Anbindehaltung: „Die zehn Jahre müssten reichen.“ Im Blick behalten müsse man aber, dass Regelungen kleine Betriebe kaputtmachen könnten, die auf der anderen Seite viel erhalten – etwa Landschaft, Tourismus, Almen und Biodiversität.
Öko-Landwirtschaft
Als einer derjenigen, der sehr ähnliche Vorgaben schon erfüllt, ist der Miesbacher Öko-Landwirt Johann Waldschütz indes optimistisch. Zu dem Entwurf sagt er: „Das ist das, was wir Biobetriebe eh schon haben.“ Für kleine Betriebe sei das „auf jeden Fall okay“. „Der durchschnittliche Betrieb im Landkreis hat auf jeden Fall ein Weiterkommen.“ Und wie schon bei einem Ortstermin auf dem Birknerhof mit Ministerin Michaela Kaniber (wir berichteten) erinnert Waldschütz: „Die Kombihaltung ist nicht schlechter als ein Laufstall.“ nap