„AfD ist keine Alternative“: In diesen Städten gehen Tausende Menschen auf die Straße
Die Correctiv-Recherchen zum Geheimtreffen in Potsdam haben eine wahre Protestwelle ausgelöst. Zehntausende demonstrierten gegen Rechts – und die AfD. Ein Überblick
Berlin – Ein „Vorgeschmack auf das, was passieren könnte, sollte die AfD an die Macht kommen“. So bezeichnete das Recherchenetzwerk Correctiv seine Enthüllungen zum Geheimtreffen von Rechten in Potsdam. Neben Rechtsextremisten und Mitgliedern der umstrittenen Werteunion waren auch ranghohe AfD-Mitglieder anwesend. Die Teilnehmer sollen über die Möglichkeiten einer „Remigration“ von Menschen mit Migrationshintergrund diskutiert haben, de facto einer Abschiebung von Menschen anhand von rassistischen Kriterien. Viele Menschen haben genug – und stellen sich den Rechtspopulisten entgegen.
Nach Correctiv-Enthüllungen: Aufrufe zu Protesten gegen die AfD
Politiker, Organisationen, Gewerkschaften und Fußballclubs: Sie alle riefen nach den Correctiv-Enthüllungen zum Potsdamer Geheimtreffen zu Protesten gegen die AfD auf. Für einige ist die Marschrichtung nun klar: kein Schritt weiter nach rechts. SPD-Chef Lars Klingbeil sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Alle Vernünftigen, die bisher noch leise waren, müssen jetzt auch laut werden“. Und viele Menschen wurden in den vergangenen Tagen genau das: Laut. In zahlreichen Städten in ganz Deutschland fanden Demonstrationen statt – mit zigtausenden Teilnehmern.
Mehr als 30.000 Menschen bei Protest gegen rechts in Hamburg
Allein in Hamburg sind am Freitag (19. Dezember) mehr als 30.000 Menschen gegen rechts auf die Straße gegangen. Am Nachmittag nahm die Zahl weiter zu, hieß es von der Polizei. Die Veranstalter, ein Bündnis aus Gewerkschaften, Kirchen, Kulturschaffenden, Wirtschaftsverbänden, Parteien und Vereinen, sprachen von 35.000 Teilnehmern. Die Polizei hatte ursprünglich mit 10.000 Demonstrierenden gerechnet.
Unter anderem war Bürgermeister Peter Tschentscher als Redner geladen. Wer die Deportation von Migranten plane, sei ein radikaler Verfassungsfeind, sagte der SPD-Politiker. „Die Botschaft an die AfD und ihre rechten Netzwerke ist, dass wir die Mehrheit sind“. Man sei entschlossen, den Rechtsstaat zu verteidigen – die vielen tausend Menschen seien ein eindrucksvolles Zeichen dafür, so Tschentscher.
Der Protest war zuvor vom Rathausmarkt zum Jungfernstieg verlegt worden. Grund dafür war eine kurzfristig angemeldete Fraktionssitzung der AfD. In diesem Fall gilt ein Bannkreis von 350 Metern rund um das Rathaus.
Protest gegen rechts mit mehreren zehntausend Teilnehmern in Köln

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In Köln haben bereits am Dienstagabend schätzungsweise „mehrere Zehntausend“ friedlich gegen die AfD protestiert, wie ein Polizeisprecher sagte. Der Protestzug erstreckte von der Deutzer Werft bis zum Heumarkt – eine Strecke von über einem Kilometer. Teilnehmern vor Ort schwenkten Regenbogen- und EU-Flaggen. Auf ihren Plakaten standen Slogans wie „Wir sind bunt! Wir sind mehr!“, „AfD – Wegbereiter des Faschismus“ und „Nazis essen heimlich Döner“.
25.000 Teilnehmer bei Anti-AfD-Demo in Berlin

In Berlin demonstrierten am Sonntag (14. Januar) mehrere tausend Menschen unter dem Motto „Demokratie verteidigen“ vor dem Brandenburger Tor. Eine Sprecherin der Klimaschützer von Fridays for Future, die auch zu dem Protest gegen Rechtsextremismus aufgerufen hatten, bezifferte die Zahl der Teilnehmer auf 25.000. Als Rednerin war unter anderem Luisa Neubauer geladen, das hierzulande wohl bekannteste Gesicht der Gruppe. Auch Linke-Chefin Janine Wissler war vor Ort. Auf Transparenten war „AfD ist keine Alternative“ zu lesen. Auch hier blieben die Proteste nach Angaben der Polizei ohne Zwischenfälle.
„Gegen alten und neuen Faschismus“: Scholz und Baerbock nehmen an Demos teil
Zeitgleich gingen nach einem Aufruf des Oberbürgermeisters Mike Schubert (SPD) auch in Potsdam etliche Menschen gegen Rechts auf die Straße. Schubert sprach von 10.000 Teilnehmern. Neben den Fraktionschefs der SPD, CDU, Grüne und Linke aus dem Brandenburger Landtag kamen auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zur Kundgebung auf dem Altmarkt. „Ich stehe hier als eine von Tausenden von Potsdamerinnen und Potsdamern, die einstehen für Demokratie und gegen alten und neuen Faschismus“.
In Kiel zählte die Polizei am Sonntagabend rund 7.000 Demonstranten. Die Organisatoren, ein Bündnis demokratischer und zivilgesellschaftlicher Organisationen, hätten mit 500 Menschen gerechnet, sagte Leon Martin von der Gruppe Grüne Jugend Kiel. Dass die Teilnehmerzahl die Erwartungen schlussendlich um ein Vielfaches überstiegen hatte, sei ein „machtvolles und klares Signal“, betonte er. „Wir brauchen eine solidarische Politik, die sich klar dem Faschismus entgegenstellt und für eine vielfältige und demokratische Gesellschaft einsteht“.
Weitere Proteste mit tausenden Teilnehmern in ganz Deutschland erwartet
Auch in zahlreichen weiteren Städten in Deutschland kam es zu Demonstrationen. Ein Ende des Protests gegen Rechts und die AfD ist indes nicht in Sicht: So werden am Wochenende tausende Menschen auf den Straßen im Südwesten der Bundesrepublik erwartet. Allein in Heidelberg rechnen die Organisatoren am Samstag mit 3.000 Teilnehmern. Ob es bei der Zahl bleibt, ist angesichts der jüngsten Erfahrungen aus anderen Städten offen. Auch in Sachsen finden am Sonntag vielerorts Proteste statt, unter anderem in Dresden, Leipzig, Chemnitz und Görlitz.
Die AfD selbst versucht die Berichterstattung des Correctivs indes kleinzureden. Es habe sich nicht um ein „Geheimtreffen“ gehandelt, sondern um eine „private Veranstaltung“, sagte Bernd Baumann, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion. Parteichefin Alice Weidel beschrieb es als skandalös, dass ein solches Treffen von „Aktivisten“ ausgespäht worden sei. Für Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje ist die Strategie der Rechtspopulisten klar, wie er kürzlich gegenüber FR.de von IPPEN.MEDIA sagte: Sie wollen eine „Skandalumkehr“ erreichen – und sich selbst als Opfer inszenieren. (mg)