Eklat bei den Wirtschaftsweisen: Ist Veronika Grimm noch eine zuverlässige Ratgeberin?

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Vor einigen Monaten gab es bei den „Wirtschaftsweisen“ Stress, weil eines ihrer Mitglieder bei Siemens Energy Aufsichtsrätin werden wollte. Die anderen Mitglieder warnten vor einem Szenario, das jetzt eingetreten ist.

Berlin – Genau dieser Situation wollten die „Wirtschaftsweisen“ eigentlich aus dem Weg gehen, hatten sogar davor gewarnt: Ein möglicher Interessenskonflikt brodelt im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, so berichtet es der Spiegel am Montag (13. Mai). Hintergrund ist die Position der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm, die seit Februar 2024 als Aufsichtsrätin bei Siemens Energy tätig ist. Ihre Kollegen und Kolleginnen hatten sie davor gewarnt, den Posten anzutreten, da sie insbesondere zu energiepolitischen Themen frei sprechen müsste – ohne dabei die Interessen von Siemens Energy im Blick behalten zu müssen oder wollen.

Eklat bei den Wirtschaftsweisen: Wasserstoff bietet Sprengkraft

Doch Veronika Grimm hörte nicht auf die Warnungen und war sich sicher, dass sie weiterhin unbeeinflusst zur Energiewirtschaft Stellung beziehen könnte. Zweifel daran gibt es laut Spiegel aber nun im kommenden Frühjahresgutachten der Wirtschaftsweisen, das am Mittwoch (15. Mai) vorgestellt werden soll. Darin soll Grimm ein Minderheitsvotum abgegeben haben, sich also gegen die Meinung der Kollegen und Kolleginnen gestellt, und zwar beim Thema Wasserstoff im Güterverkehr. Das ist zufälligerweise auch ein Feld, in dem Siemens Energy stark tätig sein will.

Dem Magazin zufolge ist die Mehrheit der Wirtschaftsweisen der Meinung, dass die Bundesregierung die Elektrifizierung des Güterverkehrs vorantreiben müsse. Elektrische Lkws gibt es zwar schon, allerdings sind sie rar gesät, unter anderem weil dafür die Ladeinfrastruktur nicht gut genug ausgebaut ist. Die Wirtschaftsweisen wollen im neuen Gutachten für einen verstärkten Ausbau plädieren.

Veronika Grimm
Veronika Grimm gehört zu den fünf Wirtschaftsweisen in Deutschland und weiß, dass der schwächelnde Mittelstand große Kreise zieht. © Bernd von Jutrczenka/dpa

Dem stellt sich Veronika Grimm offenbar entgegen – und plädiert für den Ausbau von Wasserstoff im Güterverkehr. Wasserstoff-Lkws gibt es noch weniger als Lastwagen mit E-Antrieb. Wasserstoff - insbesondere der klimaneutrale grüne Wasserstoff - ist auch sehr schwer zu beschaffen und noch dazu sehr teuer.

Dass Veronika Grimm bei diesem Thema mit ihren Kollegen und Kolleginnen nicht übereinstimmt, ist deshalb interessant, weil Siemens Energy gerade am Hochlauf der Wasserstoffinfrastruktur direkt involviert ist – und an einer erhöhten Nachfrage dieses knappen Guts natürlich Interesse hätte. Aus Sicht der anderen Wirtschaftsweisen ist das genau der Fall, vor dem sie gewarnt hatten: Woher soll man wissen, ob das nun wirklich die fachkundige Meinung Grimms ist?

Wasserstoff im Güterverkehr ein strittiges Thema: Elektro-Lkw oder H2-Antriebe?

Die Frage, ob Wasserstoff- oder Elektroantriebe im Schwerlastverkehr mehr Chancen haben, ist eines, mit dem sich viele Wissenschaftler und Experten beschäftigen. Dabei hat Wasserstoff große Vorteile: Eine Brennstoffzelle hat in der Regel eine höhere Reichweite als E-Lkws, noch dazu ist das Tanken genauso unkompliziert wie mit herkömmlichem Treibstoff. Doch die Verfügbarkeit von nachhaltig produziertem Wasserstoff in den Mengen, in denen wir es bräuchten, ist aktuell nicht gegeben. Deshalb rät der Energieexperte Patrick Plötz vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in einem wissenschaftlichen Artikel im Jahr 2022 eher auf E-Antriebe zu setzen.

Wasserstoff wird in der Industrie, in der Schifffahrt und bei synthetischen Flugkraftstoffen eine wichtige Rolle spielen. Im Straßenverkehr können wir aber nicht auf die Wasserstofftechnologie warten, sondern sollten uns jetzt auf batterieelektrische Fahrzeuge im Personen- und Güterverkehr konzentrieren“, schreibt der Experte. Es geht also darum, die Technologie, auf die wir jetzt schon verlässlich zählen können, stärker zu setzen, um die Dekarbonisierung zügig zu erreichen.

Auch die Kosten sind ein wichtiger Faktor in der Debatte. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur rechnete 2022 der Strategiechef für alternative Antriebe bei Traton, Andreas Kammel, genau das vor: Ein großer Batterie-Truck wird 2030 etwa 200.000 Euro kosten, ähnlich viel wie ein Wasserstoff-Laster. Aber der setzt die Energie viel schlechter um. Ein Batterie-Truck braucht über seine Lebensdauer Strom für 250.000 Euro, beim Wasserstoff geht es eher in Richtung 500.000 Euro. „Deshalb ist der Batterie-Lkw gerade bei der intensiven Nutzung im Fernverkehr am günstigsten“, sagte Kammel.

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