„Alarmsignal für deutsche Wirtschaft“: Junge Top-Kräfte zeigen Bereitschaft zum Auswandern
Niedrige Geburtenraten und der nahende Renteneintritt der Babyboomer prägen den demographischen Wandel Deutschlands. Weil dazu immer mehr Jüngere einen Umzug ins Ausland erwägen, warnen Experten nun.
München – Wegen des Zusammenspiels niedriger Geburtenraten und dem nahenden Renteneintrittsalter der Babyboomer-Generation hat sich der bundesweite demographische Wandel in den vergangenen Jahren zu einem immer drängenderen Anliegen entwickelt. Ihm will sich politisch gewidmet werden, da bestehende gesellschaftsstrukturelle Hürden sich sonst zu verstärken drohen und langfristige ökonomischen Probleme mit sich bringen könnten – etwa für Konjunktur und Arbeitsmarkt.
Neben seiner Tendenz zur gesellschaftlichen Überalterung wird der demographische Wandel aber natürlich auch ganz grundlegend von den Selbstentwürfen, Vorhaben und Wünschen, und damit auch den Wertvorstellungen der jüngeren Generationen geprägt. Sichtbar wird das etwa anhand des seit langem bestehenden Fachkräftemangels vieler Branchen, der etwa durch das langfristig ungleiche Verhältnis der Anzahl von Hochschulabsolventen zu Auszubildenden entstand. Ablesen lassen sich Richtung und mögliche künftige Hürden des demographischen Wandels aber auch in der Auswanderungsbereitschaft junger Menschen. Wie präsent diese in jungen Generationen ist, war nun Gegenstand einer kürzlich veröffentlichten Studie.
Etwa 41 Prozent der jungen Erwachsenen erwägen einen Umzug ins Ausland
Um herauszufinden, welchen Stellenwert Auswandern für die jüngeren Generationen besitzt, hat die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) eine groß angelegte, repräsentative Studie zum Thema durchgeführt. An der Studie, die der Welt vorab vorlag, beteiligten sich 2000 Studenten aus ganz Deutschland. Im Rahmen der Erhebung sollten sie unter anderem einschätzen, wie sehr sie einen beruflichen bedingten Umzug ins Ausland erwägen würden und welche Gründe ihrem Vorhaben den Weg bereiteten.

Dabei kommt die Studie zu einer Reihe von Ergebnissen, die sich vor allem mit Blick auf eine im Jahr 2022 durchgeführte Vorgängerstudie zum selben Thema zugleich als aufschlussreich, wie auch überraschend erweisen. So geht aus der Erhebung hervor, dass sich inzwischen annähernd die Hälfte aller jungen Menschen einen berufsbedingten Umzug ins Ausland vorstellen könnte: Bei den Männern sind es demzufolge aktuell 42 Prozent, unter den weiblichen Befragten 40 Prozent.
Bereitschaft junger Erwachsener zum Auswandern stieg in zwei Jahren deutlich an
Verglichen mit den Umfragewerten der Vorgängerstudie aus dem Jahr 2022 wird deutlich, wie sehr das Thema Auswandern als Option der Lebensplanung innerhalb von zwei Jahren an Stellenwert für junge Menschen gewonnen hat: Während sich 2022 rund 27 Prozent der Befragten einen Umzug ins Ausland vorstellen konnten, stieg ihr Anteil in der aktuellen Umfrage auf insgesamt 41 Prozent.
Dass die Zahlen im Vergleich zu 2022 gestiegen sind, steht zunächst im Zusammenhang mit dem damaligen Ende der Corona-Pandemie. Während viele junge Erwachsene einen Umzug ins Ausland damals auch wegen der bis dato viel weiter verbreiteten Homeoffice-Bestimmungen nicht erwogen haben dürften, stieg die Auswanderungsbereitschaft mit der weitreichenden Rückkehr zu Anwesenheit nun deutlich. Wie aus der E&Y-Studie weiter hervorgeht, fußt der Auswanderungswunsch vieler jedoch auch auf finanziellen Gründen. Demnach erhoffen sich viele der Befragten, finanzielle Vorteile aus einem Umzug ins Ausland ziehen zu können, etwa durch höhere Gehälter oder niedrigere Lebenshaltungskosten.
Doch auch die Lage der deutschen Wirtschaft nahmen viele Befragte als Grund, einen Umzug ins Ausland zu erwägen, wie die Welt berichtet. Neben der stagnierenden Konjunktur mit mäßigen Aussichten für 2025 dürften aber auch die aktuellen Probleme zahlreicher Sektoren und insbesondere der Automobilbranche sowie die Hiobsbotschaften, die im Vorjahr mitunter bei Volkswagen und weiteren Produzenten bekannt wurden, ein Mitgrund dafür sein. Nahe liegt da, dass die Krisensymptome zahlreicher Branchen inzwischen für viele zu abschreckend geworden sind. Hinzu kommt die seit Jahren in vielen deutschen Großstädten schwierige Wohnungssituation, die die jüngeren Generationen zusätzlich belastet.
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„Der mögliche Wegzug von gut ausgebildeten Fachkräften muss ein Alarmsignal für die deutsche Wirtschaft sein“
Jährlich entscheiden sich etwa 210.000 deutsche Staatsbürger zwischen 20 bis 40 Jahren für einen Umzug ins Ausland. Von ihnen besitzen rund drei Viertel einen Hochschulabschluss, wie Daten des Statistischen Bundesamts und des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) zeigen. Weil die Tendenz hierfür seit Jahren steigt, wird es damit zu einem immer bedeutenderen Aspekt des demographischen Wandels.
Beobachter warnen aber nicht nur vor den unmittelbaren demographischen Auswirkungen wie einer zunehmenden gesellschaftlichen Überalterung, die zunehmendes Abwandern junger Menschen bedeuten könnte. Denn schon gegenwärtig ist hierzulande jeder Zweite älter als 45 und jeder Fünfte älter als 66 Jahre. Hält die Tendenz an oder verstärkt sich sogar, dürfte das in der Folge auch deutliche negative Auswirkungen für die Wirtschaft haben, befürchten sie.
Davor warnt auch Nathalie Mielke, Partnerin bei EY: „Der mögliche Wegzug von gut ausgebildeten Fachkräften muss ein Alarmsignal für die deutsche Wirtschaft sein“, betonte sie gegenüber der Welt. Schon jetzt werde in zahlreichen Branchen händeringend nach Fachkräften gesucht – und das entgegen aller aktuellen Hürden der Wirtschaft. „Wenn tatsächlich in großem Stil gut ausgebildete Akademiker Deutschland verlassen, wird das den Fachkräftemangel weiter verstärken“, fürchtet Mielke. (fh)