Putin könnte in Russlands Terror-Furor weiteren Verbündeten verlieren
Nach dem Moskauer Anschlag verhört Russland vier Hauptverdächtige. Sie sollen aus Tadschikistan stammen – in Russland wächst der Druck auf zentralasiatische Menschen an.
Bishkek – Nach dem folgenschweren Anschlag auf eine Konzerthalle bei Moskau am 22. März stehen Menschen aus Zentralasien in Russland stark unter Druck. Zu ihnen zählen nicht nur Besucherinnen und Besucher, sondern auch Wanderarbeiterinnen und -arbeiter. Nun hat auch das zentralasiatische Kirgisistan seine Bürgerinnen und Bürger dazu aufgerufen, von einer Reise nach Russland abzusehen.
Infolge des Angriffs auf die Crocus City Hall in Krasnogorsk hatte sich bereits ein Ableger des Islamischen Staates aus der Provinz Khorasan (ISPK) für den Anschlag verantwortlich erklärt. Russische Beamte teilten zuvor mit, dass 11 Verdächtige festgenommen wurden.
Darunter sind vier Männer aus Tadschikistan, die als Hauptverdächtige das Unterhaltungszentrum Crocus City Hall angegriffen haben sollen. Sie wurden am Sonntagabend in Untersuchungshaft genommen, wo sie vorerst bis zum 22. Mai vernommen werden sollen. Am 25. März wurden drei weitere in Russland lebende tadschikische Männer für mindestens zwei Monate in Untersuchungshaft genommen, berichten die Rundfunkveranstalter Radio Free Europe (RFE) und Radio Liberty (RL).

Nach Anschlag in Moskau – Übergriffe gegenüber zentralasiatischen Migrantinnen und Migranten
Über eine Million Menschen aus Tadschikistan leben und arbeiten in Russland. Zwar hatte es nach RFE- und RL-Angaben zufolge bereits vor dem Terroranschlag immer wieder Anfeindungen gegenüber tadschikischen Migrantinnen und Migranten in Russland gegeben. Nun sei es aber zu einer Reihe von Übergriffen gegenüber ihnen gekommen. In der Stadt Blagoweschtschensk sei demzufolge ein Café in Brand gesetzt worden, das von einem tadschikischen Einwanderer betrieben wird. Auch sei es in der westrussischen Stadt Kaluga Berichten zufolge zu körperlichen Angriffen auf drei Tadschiken gekommen.
Von Drohungen, Beleidigungen und Belästigungen, unter anderem auch durch russische Strafverfolgungsbehörden, berichtete derweil die Nachrichtenorganisation Eurasianet. Darüber hinaus waren in Russland lebende Menschen zentralasiatischen Ursprungs nach dem Moskauer Terroranschlag vermehrt Ziel von Kontrollen, erklärte die in Bischkek ansässige Rechtsverteidigerin Aziza Abdirasulova gegenüber RFE/RL.
Mehrere kirgisische Staatsangehörige teilten RFE und RL am Sonntag telefonisch mit, dass sie bei ihrer Ankunft am Moskauer Flughafen Scheremetjewo festgenommen worden seien. Zusammen mit zahlreichen weiteren zentralasiatischen Staatsangehörigen, von denen mindestens elf kirgisische Staatsangehörige seien, seien sie anschließend in der Haftanstalt des Flughafens festgehalten worden.
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Von russischen Sicherheitsbehörden ins Visier genommen – Betroffene berichten
„Sie haben uns in eine Art Gefängnis gesteckt. Sie haben unsere Frage nach den Gründen für die Inhaftierung nicht beantwortet. Unsere Dokumente sind in Ordnung, aber diejenigen, die zum ersten Mal nach Moskau kamen, durften nicht einreisen. Unter uns befinden sich Leute aus Tadschikistan und Usbekistan. Die Behörden haben uns unsere Telefone weggenommen. Sie zwangen uns, einige Papiere zu unterschreiben“, sagte einer der festgenommenen Kirgisen gegenüber RFE/RL.
Auch die kirgisische Botschaft in Moskau reagierte am Sonntag auf die angespannte Situation für seine in Russland lebenden Staatsangehörigen. Sie erklärte: „Kirgisische Staatsangehörige, die in der Vergangenheit gegen die russischen Migrationsbestimmungen verstoßen haben, werden mit dem nächstgelegenen Flug nach Bischkek nach Kirgisistan zurückgeschickt.“
Tadschikischer Exil-Politiker: „Hinter dem Anschlag stecken definitiv einige Geheimdienste“
Der im Exil lebende Vorsitzende der oppositionellen Islamischen Renaissancepartei Tadschikistans (IRPT), Muhiddin Kabiri, bezweifelt gegenüber RFE und RL, dass Tadschiken an der Planung und Durchführung des Terroranschlags beteiligt waren. „Hinter dem Anschlag steckten definitiv einige Geheimdienste und erfahrene Leute. Wenn die tadschikischen Männer tatsächlich daran beteiligt waren, dann wurden sie höchstwahrscheinlich als Werkzeug benutzt. Sie waren nur zweit- oder drittrangig an dieser Provokation beteiligt“, erklärte Kabiri.
Mittlerweile äußerten bereits einige Insider Vermutungen darüber, dass Wladimir Putin selbst hinter der Organisation und Durchführung des Anschlags auf die Crocus City Hall stecken könnte, unter ihnen auch der Ökonom und ehemalige Jelzin-Berater Anders Åslund. Sie argumentieren, Russland hätte eine sogenannte Operation unter falscher Flagge schüren wollen, um künftige Aggressionen im Ukraine-Krieg zu rechtfertigen, heißt es.
Bislang galten die zentralasiatischen Staaten und ehemaligen Sowjetrepubliken Tadschikistan und Kirgisistan, die 1991 ihre Unabhängigkeit von Russland erklärten, Zeit als Verbündete des großen Nachbarn. Die aktuellen Geschehnisse könnten die Bündnisse jedoch ernsthaft bedrohen. (fh)