FDP will „widersinnige“ Rente mit 63 endgültig abschaffen: „Für Millionen Menschen eine Ohrfeige“
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VonAmy Walkerschließen
Die FDP blockiert weiter das Rentenpaket II der Ampel-Koalition und fordert Anpassungen wie die Abschaffung der Rente mit 63. Sozialverbände und Gewerkschaften sind empört.
Berlin – Die Blockade der FDP gegenüber dem noch immer nicht beschlossenen Rentenpaket II der Bundesregierung geht weiter. Anstatt den Kompromiss, der zwischen Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) erarbeitet und vorgestellt wurde, im Kabinett zu beschließen, wird nun das Fass um die Rentenpolitik generell aufgemacht. Die Liberalen fordern ein Ende der sogenannten Rente mit 63, eine Begrenzung der Beitragserhöhungen ab 2028 und eine Ausweitung der Aktienrente.
Das Arbeitsministerium von Heil und das FDP-geführte Finanzministerium hatten sich im März auf eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung geeinigt. Das Rentenniveau soll für die Zeit nach 2025 bis zum Jahr 2039 auf 48 Prozent festgeschrieben werden. Die Beiträge sollen mittelfristig steigen, bis 2035 auf 22,3 Prozent. Um einen weiteren Anstieg zu verhindern, soll ab Mitte der 2030er Jahre die Rendite aus der Kapitaldeckung zur Verfügung stehen.
FDP-Blockade des Rentenpakets: „Immer mehr Menschen sind von Altersarmut bedroht“
Die neue FDP-Blockade sorgt nun nicht nur in der Koalition für Unmut, sondern auch bei Sozialverbänden und Gewerkschaften. Gegenüber IPPEN.MEDIA sagt die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier: „Immer mehr Menschen in Deutschland sind von Altersarmut bedroht, unser Rentensystem muss darum weiter gestärkt werden. Das Rentenpaket II ist hier ein zwingend erforderlicher Schritt.“ Zwar sei das Rentenpaket noch lange nicht ausreichend, um viele Rentner und Rentnerinnen vor der Altersarmut zu bewahren, so Engelmeier weiter. Doch besser als nichts ist es allemal.
„Diese Blockade der FDP ist darum für Millionen Menschen eine Ohrfeige, denn die langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent ist zu wichtig, um hier zu feilschen. Die FDP sollte das Wohl aller im Blick haben und sich als Regierungspartei nicht nur für die eigene Wählerschaft einsetzen.“
FDP will Rente mit 63 abschaffen: „Kein Herz für die Leute“
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisiert das Vorgehen der FDP scharf. Vor allem das Aus der Rente mit 63 – die eigentlich die Rente für besonders langjährig Versicherte heißt – stößt bei der Gewerkschaft auf heftigen Widerstand. „Die FDP hat kein Herz für Leute, die sich lange Jahre krumm gearbeitet haben“, so DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel.
Sie warf den Liberalen Wahlkampf „auf dem Rücken lang arbeitender Menschen“ vor. „Den Bundeshaushalt zu Lasten der jahrzehntelang hart arbeitenden Menschen sanieren zu wollen, ist absurd“, erklärte die Gewerkschaftsvertreterin. „Wir sagen: Wer fast ein halbes Jahrhundert gearbeitet und Beiträge gezahlt hat, hat sich eine Rente ohne Abzüge vor dem 67. Lebensjahr redlich verdient.“
Rente mit 63: So funktioniert die Rente für besonders langjährig Versicherte
Die „Rente mit 63“ wurde 2014 eingeführt und ermöglichte damals vielen Menschen, nach Vollendung des 63. Lebensjahres in den Ruhestand zu gehen - ohne Abschläge auf die Rente in Kauf nehmen zu müssen. Das geht allerdings nicht mehr, weshalb der umgangssprachliche Begriff irreführend ist. Mit der Anpassung der Regelaltersgrenze wird die Rente für besonders langjährig Versicherte aktuell auf 65 Jahre angehoben. Wer zwischen 1953 und 1963 geboren wurde, kann mit 64 Jahren in die vorgezogene Rente. Alle späteren Jahrgänge müssen bis 65 warten.
Um von der Rente für besonders langjährig Versicherte zu profitieren, muss man aber erst die sogenannte Wartezeit von 45 Jahren erreicht haben. Also: Man muss seit mindestens 45 Jahren in die Rentenkasse eingezahlt haben, um dann auch vorzeitig mit der Arbeit aufzuhören. Wer das geschafft hat, darf, ohne Abschläge in Kauf zu nehmen, in Rente gehen.
Viele Menschen sind der Meinung, dass das bedeutet: Wer 45 Jahre in die Kasse eingezahlt hat, darf abschlagsfrei in Rente. Das ist aber nicht so: Es müssen beide Voraussetzungen erfüllt sein: 45 Jahre Wartezeit und das 64. oder 65. Lebensjahr erreicht haben. Wer nur das eine oder das andere erfüllt, kann noch nicht den Ruhestand antreten, ohne Abschläge zu zahlen. Wer Abschläge in Kauf nimmt – 0,3 Prozent pro Monat vorzeitigem Ruhestand – kann trotzdem vorzeitig in Rente gehen.
Dem schließt sich auch SoVD-Chefin Engelmeier an. „Wer 45 Jahre gearbeitet und das entsprechende Alter erreicht hat, sollte auch in Rente gehen können. Wer das nicht möchte, kann aus rentenrechtlicher Sicht selbstbestimmt weiterarbeiten. Ziel darf es doch nicht sein, die Menschen so lange arbeiten zu lassen, bis sie nicht mehr können. Denn damit werden auch keine Fachkräfte gewonnen und die Sozialkassen an anderer Stelle ‚belastet‘“.
FDP will Aus für Rente mit 63 aufgrund des Fachkräftemangels
Die FDP ist aus Gründen des Fachkräftemangels gegen das Fortbestehe der Rente mit 63. „Die Statistik zeigt, dass die Rente mit 63 dem Arbeitsmarkt wertvolle Fachkräfte entzieht“, sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der Bild am Sonntag (BamS). Aus seiner Fraktion kam der Vorschlag, die Rente mit 63 vor einer kompletten Abschaffung nur noch für Geringverdiener zu erlauben. Der sozialpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober, sagte der Zeitung, die Rente mit 63 sei „sehr teuer“ und schade dem Arbeitsmarkt. „Das muss jetzt einfließen in die parlamentarischen Beratungen zum Rentenpaket II. Denn klar ist: Die Rentenkosten müssen runter“, fügte er hinzu.
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Max Mordhorst, der die FDP im Finanzausschuss des Bundestags vertritt, bezeichnete es in der BamS als „denkbar“, dass „die Rente mit 63 künftig nur noch für Geringverdiener möglich ist.“ Mittelfristig müsse sie komplett abgeschafft werden. „Solche demografisch widersinnigen Wahlgeschenke sollten wir uns nicht leisten“, sagte Mordhorst. (Mit Material von AFP)
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