Marion Mielsch war schwer krank, einsam und ohne Lebensfreude – bis sie Besigheim bei Stuttgart im Juli 2024 verließ und Deutschland den Rücken kehrte. Heute lebt die 64-Jährige glücklich und gesund in Athen. Im Interview erzählt sie, wie sie diesen Wandel geschafft hat, warum das griechische Gesundheitssystem besser ist als das deutsche und, sie nicht an eine Rückkehr denkt.
FOCUS online: Frau Mielsch, warum haben Sie Deutschland verlassen und sind nach Griechenland ausgewandert?
Marion Mielsch: Ich war in Deutschland sehr verzweifelt, weil ich allein war. Meine Gesundheit verschlechterte sich stark, bis ich an totalem Nierenversagen und Depressionen litt. Mein Arzt sagte damals: „Frau Mielsch, Sie sind eine schwerkranke Frau.“ Das wollte ich nicht hinnehmen und habe darüber nachgedacht, wie es für mich weitergehen soll. Mein Partner war schon ein Jahr in Griechenland. Ich hatte die Wahl: in meine Heimat Dortmund zurückkehren oder nach Griechenland gehen. Meine Urlaube dort waren immer toll. Mykonos, Kefalonia, Lefkada, Milos, Naxos – ich kenne viele Inseln, aber ich konnte mir damals gar nicht vorstellen, nach Griechenland auszuwandern. Dann habe ich meine Wohnung geräumt und wir haben einen 40-Tonner bestellt.
Das war mutig von Ihnen. Würden Sie sagen, dass sich Ihr seelisches Wohlbefinden verbessert hat, seitdem Sie in Griechenland leben?
Mielsch: Ich wäre ohne meinen Partner nicht nach Griechenland gegangen. Dafür hatte ich zu viel Angst vor der Sprachbarriere, die sich im Nachhinein als unbegründet herausgestellt hat. Jetzt fühle ich mich hier unglaublich frei. Ich genieße den Sonnenschein, das Meer, die freundlichen Menschen, die Leichtigkeit des Seins, die Möglichkeiten, jeden Tag auszugehen.
Sie könnten auch in Deutschland jeden Tag ausgehen.
Mielsch: Nein, das könnte ich so nicht. In Deutschland herrscht ein geordneter Ablauf, es gibt immer so ein „Format“, wie man zu leben hat. In Deutschland könnte ich nie so leben, wie ich hier lebe.
Wie steht es heute um Ihre Gesundheit?
Mielsch: In Deutschland musste ich neun Tabletten täglich nehmen, wurde mit Kortison behandelt und habe 20 Kilo mehr gewogen. Heute nehme ich nur noch eine Tablette am Tag. Ich konnte fast alle Medikamente absetzen und habe das Gefühl, wieder zu mir selbst zurückzufinden.
Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Mielsch: Das liegt an der Luft, der Ernährung und dem Lebensstil. Ich trinke jeden Morgen einen Esslöffel Olivenöl mit Zitrone aus eigenem Anbau im Garten. Und ich esse viele gesunde Produkte, wie Melone und Feta-Käse. In Deutschland habe ich viel Brot und Wurst gegessen, das gibt es hier kaum. Außerdem gehe ich jeden Morgen ins Fitnessstudio.
Sie sind Orthomolekular-Therapeutin, Ihr verstorbener Mann war Internist und Kardiologe. Sie kennen das deutsche Gesundheitssystem also sehr gut. Es gilt als deutlich besser als das griechische. Machen Sie sich angesichts Ihrer bisherigen Erkrankungen keine Sorgen über Ihr zukünftiges Leben in Griechenland?
Mielsch: In Deutschland hätte sich meine Gesundheit nicht so stark verbessert. Dort betrachten die Ärzte Menschen nicht als Ganzes. Hier in Griechenland geben sich die Ärzte viel mehr Mühe und behandeln ganz anders. Ich habe zum Beispiel einen MRT-Termin am selben Tag bekommen. Und man kann abends um 23 Uhr noch einen Arzt erreichen – das wäre in Deutschland undenkbar.
Natürlich gibt es auch hier Schattenseiten: Wenn man etwas dazu zahlt, wird man oft besser behandelt. Aber insgesamt fühle ich mich in Griechenland medizinisch sehr gut aufgehoben. Meiner Meinung nach ist das griechische Gesundheitssystem um ein Vielfaches besser als das deutsche.
Hat auch das Umfeld Einfluss auf die positive Entwicklung Ihrer Gesundheit?
Mielsch: Ganz sicher. Man wird hier einfach weniger krank. Schauen Sie sich um: blauer Himmel, Sonne, grüne Bäume. [Anm. d. Red.: Das Gespräch fand Ende Oktober statt. Die Temperatur betrug 25 Grad.] Die Menschen sind entspannt.
Wie unterscheiden sich die Lebenshaltungskosten in Deutschland und Griechenland?
Mielsch: Sie sind deutlich niedriger. Auf dem Wochenmarkt bekomme ich große Mengen frisches Obst und Gemüse für unter zehn Euro – in Deutschland würde das ein Vielfaches kosten. In Restaurants ist es ebenfalls günstiger: Für zwei Personen mit Wein zahlen wir etwa 40 Euro. Zudem werden nur sieben Prozent Steuer auf meine Rente erhoben.
Könnten Sie sich hier möglicherweise Dinge leisten, die Sie sich in Deutschland nicht leisten könnten, oder wäre Ihr Leben dort zumindest finanziell deutlich eingeschränkter?
Mielsch: In Deutschland kostet eine Reinigungskraft rund 25 Euro pro Stunde, hier zahle ich sieben Euro. Außerdem sind Medikamente sehr günstig – sie sind etwa ein Viertel so teuer wie in Deutschland.
Was vermissen Sie an Deutschland?
Mielsch: Ein Mettbrötchen. Wenn ich nach Deutschland fliege, dann ist das das Erste, was ich essen werde. Hier würde ich es aber nicht tun.
Vermissen Sie Familie, Freunde oder etwas aus dem Alltag in Deutschland?
Mielsch: Nein. Dank Videotelefonie bin ich in Kontakt, und ich habe hier viele neue Freunde gefunden. Wir gehen an den Strand, feiern und tanzen – anders als in Deutschland. Dort ist alles so durchstrukturiert. Wenn ich Lust habe, kann ich hier den gesamten Sommer jeden Tag an den Strand fahren.
Könnten Sie sich vorstellen, jemals nach Deutschland zurückzukehren?
Mielsch: Ich weiß nicht, was mich dazu bewegen sollte.