Merz-Regierung am Scheideweg: Vier Möglichkeiten können die Koalition noch retten

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Die verpatzte Richterwahl stürzt Union und SPD in die Krise. Welche Möglichkeiten hat Friedrich Merz? Zieht sich die Richterin zurück?

Berlin – Union und SPD in der Krise: Nach der verpatzten Richterwahl steht die Regierung von Friedrich Merz auf dem Prüfstand. Doch Merz gibt sich dennoch positiv: Es gebe in jeder Regierung „immer mal wieder Meinungsverschiedenheiten“, sagte er in seiner Sommer-Pressekonferenz in Berlin. Die aktuelle Auseinandersetzung über die Richterwahl sei aber keine Krise, auch wenn die Situation besser sein könnte. „Das wollen wir, das schaffen wir“, fügte er hinzu.

Wahrscheinlich ungewollt lehnte er sich damit an die damalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an, die im selben Saal der Bundespressekonferenz vor fast genau zehn Jahren zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge gesagt hatte: „Wir schaffen das.“ Es ist bis heute das bekannteste Zitat aus den bisherigen Sommer-Pressekonferenzen der Bundeskanzler. 

Merz schließt bei Richterwahl keine Option aus

Nach der gescheiterten Wahl von drei Verfassungsrichtern bleibt Merz bei seiner bisherigen Linie, dass dies die Koalition nicht erschüttere und man nun in aller Ruhe nach einer Lösung suchen werde. Dabei sei noch alles offen. „Ich schließe jedenfalls aus heutiger Sicht keine Option aus.“ Damit meint er auch einen Rückzug von Kandidaten. „Wir wissen nicht, wer die Kandidatinnen und Kandidaten bei der Wiederholungswahl sein werden.“ 

Man müsse nun „besser in die Fraktion hineinhören“, sagt Merz und betont, dass er sich selbst in die Entscheidungsfindung einschalten werde - auch wenn es Sache der Bundestagsfraktionen sei. Über seine eigene Einstellung zu der wegen ihrer Haltung zu Abtreibungen umstrittenen SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf schweigt der Kanzler aber: „Ich bilde mir ein Urteil, sobald die nächste Entscheidung im Deutschen Bundestag ansteht.“

Sommer-Pressekonferenz von Bundeskanzler Friedrich Merz
Etwa 90 Minuten lang stellte sich Kanzler Merz den Fragen der Hauptstadtjournalisten. © Bernd von Jutrczenka/dpa

Wie könnte die Koalition die Krise nach der Richterwahl überstehen?

Könnte die Koalition aber gar an der Richterwahl zerbrechen? Von welchen Optionen spricht Merz? Es gibt mehrere Szenarien, wie Union und SPD die Krise überstehen könnten. Von der SPD hieß es laut Süddeutscher Zeitung, dass Brosius-Gersdorf bereit sei, sich persönlich bei der Unionsfraktion vorzustellen. Das wiederum soll die Union nicht in Betracht ziehen wollen, zumal die nächste Fraktionssitzung erst im September ist.

Ein weiteres Szenario ist laut des Mediums der Austausch aller drei Kandidaten. Über die bisherigen anderen Kandidaten Günter Spinner von der Union und Ann-Katrin Kaufhold von der SPD war gar nicht abgestimmt worden. Diese Möglichkeit, die einen klaren Schnitt symbolisiert, werde laut der Zeitung von beiden Seiten „höchst skeptisch“ gesehen.

Szenarien aus der Koalitionskrise: Zieht sich Brosius-Gersdorf zurück?

Auch ein Szenario, in dem der Bundesrat zeitnah Spinner als Nachfolger für den altersbedingt ausscheidenden Richter Josef Christ wählt, der Bundestag später Kaufhold und eine andere SPD-Kandidatin wählt, wäre demnach denkbar. Der Bundesrat kann diese Funktion erfüllen, wenn sich der Bundestag nicht rechtzeitig einig wird – was wiederum ein schlechtes Licht auf die Koalition werfen würde.

Schließlich gibt es noch ein Szenario ganz ohne Brosius-Gersdorf: Wenn sie sich freiwillig zurückzöge, wäre das ein Ausweg für die Koalition. „Ich möchte auch nicht verantwortlich sein für eine Regierungskrise in diesem Land, weil wir nicht wissen, was dann hinterher passiert“, sagte die Juristin und deutete damit diesen Schritt an. Die SPD will sie nach jetzigem Stand offenbar nicht fallen lassen.

Merz stichelt Richtung Merkel: „Offenkundig nicht geschafft“

Merz stellte sich eineinhalb Stunden den Fragen der fast 200 Journalisten deutscher und internationaler Medien. „Wir haben die Wende eingeleitet“, sagt der Kanzler in seinem Eingangsstatement. Die Stimmung in der Wirtschaft verbessere sich. Erste Institute korrigierten Prognosen nach oben. Das Interesse von Investoren sei deutlich gestiegen. Ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag löste die Regierung zudem noch unmittelbar vor der Sommer-Pressekonferenz ein. Dort heißt es: „Nach Afghanistan und Syrien werden wir abschieben – beginnend mit Straftätern und Gefährdern.“ Am Morgen startete ein Flugzeug von Qatar Airways mit 81 Afghanen von Leipzig Richtung Kabul.

Auf das Merkel-Zitat „Wir schaffen das“ wurde Merz auch noch angesprochen und erklärte lapidar: „Heute wissen wir, dass wir es in diesem Bereich, den sie damals gemeint hat, offenkundig nicht geschafft haben.“ Ob er mit seinen Kollegen allerdings einen Weg aus der Koalitionskrise schafft, bleibt abzuwarten. (cgsc mit dpa)

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