Analyse von Gerhard Mangott - Im Gespräch mit Carlson denkt Putin wohl, dass ihm ein Trottel gegenübersitzt
Dann wirft Putin der Ukraine vor, das Minsker Abkommen zur friedlichen Konfliktregelung in der östlichen Ukraine aufgekündigt zu haben. Es folgt die große Lüge: Putin betont, nicht Russland habe den Krieg im Jahr 2022 gestartet, sondern die Ukraine habe ihn begonnen, und Russland wolle diesen Krieg mit seiner Invasion beenden. Das ist dieselbe Täter-Opfer-Umkehr, die die russische Führung seit Kriegsbeginn anwendet.
Natürlich spricht Putin über die notwendige Denazifizierung der Ukraine und weist auf die Verehrung des Nazi-Kollaborateurs Bandera hin. Putin genießt es sichtlich, seine Deutung der Geschichte und der Gegenwart des ukrainischen Staates darzulegen.
Tucker Carlson stellt ihm keine harten Fragen oder hat Einwände; er bleibt ein Stichwortgeber für Putin, ein braves Gegenüber, das nichts in Frage stellt. Er lässt Putin auch unwidersprochen behaupten, dass es im Frühjahr 2022 mit der ukrainischen Führung ein Abkommen gegeben habe, diesen Krieg zu beenden. Westliche Staaten hätten das aber verhindert.
Putin fragt, ob die USA nicht größere Probleme zuhause hätten
Es gebe keinen Grund für ihn, mit Biden zu sprechen. Der Westen müsse lediglich aufhören, Waffen an die Ukraine zu liefern. Dann wäre alles in einigen Wochen vorüber und man könnte sich über die Regelung des Konfliktes unterhalten.
- Mehr zum Thema: Gespräch mit Tucker Carlson - Umstrittenes Interview: Putin würde „nur in einem Fall“ Soldaten nach Polen schicken
Putin leugnet auch russische Absichten, Polen oder die baltischen Staaten anzugreifen. Das sei lediglich Kriegshysterie des Westens, um die eigene Bevölkerung zu verängstigen. Es sei vollkommen absurd, von solchen russischen Eroberungsplänen zu sprechen. Das Ziel des Westens sei vielmehr, Russland so weit wie möglich zu schwächen. Der Westen benutze die Ukraine dazu, dieses Ziel zu erreichen.
Natürlich tritt ein, was alle Beobachter erwartet haben: Putin fragt, ob die USA nicht größere Probleme zu Hause hätten als die Ukraine, Tausende Kilometer entfernt von den USA, zu unterstützen. Er appelliert hier an die US-Bürger, die an „America first“ glauben und einen isolationistischen Kurs unterstützen.
Dann der Angriff auf Deutschland: Die deutsche Regierung verfolge nicht ihre eigenen Interessen, sondern vertrete fremde Interessen. Deutschland werde von völlig unfähigen Personen geführt.
Letztlich bleibt der Eindruck, dass hier ein dummer Amerikaner sitzt
Letztlich bleibt der Eindruck, dass hier ein dummer Amerikaner sitzt, den zu belügen und zu täuschen Putin ein Vergnügen ist. Carlson wehrt sich nicht, nimmt sich offenbar selbst nicht ernst und bietet Putin eine Bühne zur Selbstdarstellung.
Er bietet ihm eine Bühne zur Verführung der Menschen, die sich dieses monströse Interview ansehen werden. Putin lacht immer wieder selbstgefällig und genießt die Szenerie. Er denkt wohl, dass ihm ein Trottel gegenübersitzt.
Schließlich wirft Putin den USA vor, Russland als Staat zerstören und das Land aufspalten zu wollen. Er erzählt das Narrativ, das auch vom russischen Regime gegenüber der eigenen Bevölkerung benutzt wird. Die USA würden nicht verstehen, wie sehr sich die Welt verändert und wie neue Machtzentren ihre Dominanz beschränken würden.
Schließlich ist sich Carlson nicht zu schade, das absurde Argument in den Ring zu werfen, dass die USA Russland provoziert hätten, die Ukraine anzugreifen. Nein, das war kein Interview; es gab keine bohrenden Fragen, keinen Widerspruch, keinen Dissens. Carlson begnügte sich damit, Putin ein Podium zu bieten – zu dessen Gaudium. Es lohnt sich nicht, diese 127 Minuten Putinscher Weltdeutung anzusehen.