Wenn Menschen durch einen Unfall aus dem Berufsleben gerissen werden: Start für „Junge Pflege“-Station

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Im AWO-Seniorenzentrum in Penzberg gibt es jetzt eine eigene Station für „Junge Pflege“, eine Seltenheit in Oberbayern. © Wolfgang Schörner

Das AWO-Seniorenzentrum in Penzberg hat jetzt eine Station für „Junge Pflege“. Davon gibt es nur wenige in Oberbayern. In solchen Stationen werden Menschen im Alter von 16 bis 65 Jahren aufgenommen, die zum Beispiel nach einem Unfall querschnittsgelähmt sind, in jungen Jahren an Demenz erkrankt sind oder Multiple Sklerose haben.

Offiziell soll die neue Station für „Junge Pflege“ des Penzberger AWO-Seniorenzentrums im Mai starten. Bereits jetzt hat sie aber schon einige Bewohner. Einrichtungsleiter Christian Schulz hat Erfahrung damit. Vor etwa 15 Jahren baute er bereits im Münchner Norden eine Station für junge Pflegebedürftige auf. „Jung“ bedeutet dabei ein Alter von 16 bis 65 Jahren. Es handelt sich oft um Menschen, die durch einen Unfall oder eine schwere Krankheit aus dem Berufsleben gerissen wurden.

„Junge Pflege“-Stationen sind in Oberbayern rar

Solche Stationen seien in Oberbayern rar gesät, sagt Schulz. Die AWO München Stadt, die auch das Penzberger Seniorenzentrum betreibt, hat nun drei „Junge Pflege“-Wohnbereiche in ihren Häusern. Die dritte ist in Haidhausen. Man habe fast ein Alleinstellungsmerkmal, so Schulz. Die neue Penzberger Station mit ihren 23 Plätzen soll das südliche Oberbayern abdecken.

Das Seniorenzentrum an der Gartenstraße hat im zweiten Stockwerk des Haupthauses eigens einen Bereich mit 17 Einzelzimmern und drei Doppelzimmern eingerichtet. Der Einzelzimmer-Anteil ist relativ hoch. „Weil jüngere Menschen oftmals aus einer anderen sozialen Situation kommen“, sagt der Einrichtungsleiter. Bereits zuvor waren im Seniorenzentrum einige jüngere Menschen in der normalen Pflege betreut worden. Vor einigen Wochen konnten sie in die neue Station umziehen. Ende März lebten dort bereits sechs Pflegebedürftige.

Menschen, die aus dem Berufsleben gerissen wurden

In den Stationen für „Junge Pflege“ werden Menschen betreut, „die aus ihrem Leben gerissen wurden“, sagt Einrichtungsleiter Schulz. Aus seiner Münchner Zeit erinnert er sich an einen jungen Mann, der einen Tauchunfall hatte, an einen Testfahrer, der in einen schweren Unfall verwickelt war, und an eine Frau, die mit einem Stoß Akten stolperte, mit dem Kopf gegen eine Wand knallte und fortan querschnittsgelähmt war. Diese Stationen sind aber auch für Schlaganfallpatienten, Tumor㈠erkrankte, junge Demenzkranke oder Menschen, die durch einen früheren Drogenmissbrauch organische Schäden davongetragen haben.

„Die Nachfrage ist leider groß“, sagt Christian Schulz. Es gebe viele Unfälle, ob in der Arbeit, in der Freizeit oder im Verkehr. „Und nicht alle können ins Berufsleben zurückkehren.“ Um in so einer Station aufgenommen zu werden, ist mindestens der Pflegegrad 2 nötig.

Begleitung in Rockkonzert

Die Betreuung ist für ein Altenheim eine neue Herausforderung. Das bestätigt Schulz. Diese Menschen hätten „andere Vorstellungen und Interessen als unsere älteren Herrschaften“. Der eine will zu einem Fußballspiel, der andere zu einem Rockkonzert. „Er wird dann dorthin begleitet.“ Es kämen auch mal Spezls am Abend vorbei. Ihre Zimmer und die Station sollen die Bewohner auch selbst gestalten können. Schließlich leben sie dort sehr viel länger als normale Altenheimbewohner. In der Station gibt es auch WLAN. „Theoretisch kann man hier im Homeoffice arbeiten.“ Ein Bewohner sei in einer Behindertenwerkstatt beschäftigt.

Manchmal gibt es Enttäuschungen

Das alles hat laut Schulz einen höheren Personalaufwand und auch erhöhte Kosten zur Folge. Er berichtet, dass dem Personal im Seniorenzentrum freigestellt wurde, ob es in der „Jungen Pflege“ arbeiten will. Schließlich ist dies nicht für jeden etwas. Der Personaleinsatz soll nach und nach mit der Belegungszahl wachsen.

Manchmal gibt es auch Enttäuschung. Kommen die Leute in die „Junge Pflege“ sind sie austherapiert. Da gebe es Missverständnisse. Man versuche zwar, in einer reduzierten Form Angebote zu machen, die die Hausärzte vorschreiben, es stehe aber Pflege und Wohnen im Vordergrund, sagt Schulz. „Wir sind keine Reha.“

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