Gas und Kohle helfen aus: Deutschlands Energiewende hat ein großes Wind-Problem

Über die Windkraft in Deutschland lassen sich derzeit zwei Geschichten erzählen, und die eine geht so: Der Drang auf Windenergieanlagen ist so groß wie nie zuvor, Investoren stehen Schlange, der Ausbau von kleinen Windparks an Land wie auch von Riesenparks in Nord- und Ostsee geht so schnell voran wie nie. Wie wichtig die Windkraft für das deutsche Stromsystem ist, zeigte sich bereits 2024: Mit einem Anteil von 33 Prozent war sie Deutschlands wichtigster Energieträger.

Die andere Geschichte geht so: Trotz der installierten Kapazitäten gibt es Momente, in denen die Windkraft einfach nicht liefert. Und der gerade abgelaufene März war im Prinzip ein einziger großer Moment dieser Art. Nur 6,3 Gigawattstunden (Gwh) Strom lieferten die Windkraftanlagen an Land („Onshore“) im vergangenen Monat nach Angaben der Statistik-Plattform „Energy Charts“, das ist der niedrigste Wert für einen März seit 2016. Und damals waren deutlich weniger Windräder in Betrieb. Nimmt man die Windparks in Nord- und Ostsee („Offshore“) noch hinzu, sieht die Lage nur unwesentlich besser aus.

Gleich 30 Euro Unterschied

In die Bresche sprangen dafür die fossilen Energien: Braun- und Steinkohle kamen gemeinsam auf einen Anteil von 28,4 Prozent an der deutschen Stromerzeugung – ein auch für die kalten Monate mittlerweile ungewöhnlich hoher Wert. Erdgas machte noch einen Anteil von 15,4 Prozent aus.

Das ist nicht nur schlecht fürs Klima, sondern macht den Strom auch teurer. Denn Kohle und Erdgas sind längst die kostspieligsten Formen der Energieerzeugung geworden. An der Strombörse schlug der sogenannte „Day Ahead“-Preis für Strom in diesem März oft mit mehr als 100 Euro pro Megawattstunde (Mwh) zu Buche – im vergleichsweise windigen März 2024 lag der Preis im Schnitt bei circa 70 Euro. 

Windarme Monate? „Gibt es immer wieder mal“

Prinzipiell gilt natürlich: Ein Kohle-Anteil von 28,4 Prozent an der deutschen Stromerzeugung ist für Klima und Geldbeutel immer noch besser als ein Anteil von mehr als 40 Prozent, wie er vor Beginn der Energiewende üblich war. Aber dennoch: Ist der Ausbau der Windkraft nutzloser als gedacht? 

„Monate mit wenig Windstromerzeugung gibt es immer wieder mal“, sagt Bruno Burger, Energieexperte am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg und Betreiber der „Energy Charts“, zu FOCUS online Earth. Seit 2015 habe es insgesamt zehn Monate gegeben, in denen die Ausbeute an Land weniger als sieben Gigawattstunden betragen habe. Ursächlich für die derzeitige Flaute ist ein hartnäckiges Hochdruck-Gebiet, das auch zur momentanen Dürre-Gefahr entscheidend beigetragen hat – in dieser Form ein seltenes Phänomen. Generell sei es immer hilfreich, mehr Windräder zu bauen, so Burger.

„Windstrom ist nicht so zuverlässig wie Solarstrom“ 

Dennoch, sagt der Energieexperte, sollte man sich nicht zu sehr auf die Erzeugung durch Windkraft verlassen. „Windstrom ist nicht so zuverlässig wie Solarstrom“, erklärt Burger. Geht die Windgeschwindigkeit zurück, nehme die Ausbeute von Windkraftanlagen viel stärker ab als bei Solarpanels, wenn im gleichen Maße die Sonnenstrahlung abnimmt. „Solar erzeugt auch bei Bewölkung Strom, weil die sogenannte Diffusstrahlung auch verwertet wird“, sagt Burger. „Sowas gibt es beim Wind nicht.“

Ohnehin hat die Windflaute auch eine positive Kehrseite: Der Solarsektor lieferte im März viel mehr Strom als üblich. Mit 6,5 Gigawattstunden war der abgelaufene Monat der ertragreichste März für Solarstrom überhaupt. Noch nie wurde im März mehr Strom aus Solaranlagen erzeugt als aus Windkraftanlagen an Land, bis jetzt. Sonne und Wind ergänzen sich gut: Geht wenig Wind, scheint meistens die Sonne – und wenn die Sonne nicht scheint, ist das Wetter meistens windig. 

Der Sommer-Winter-Unterschied

Aber auch die Solarenergie kann natürlich nicht alle Probleme lösen. Im Sommer, sagt Burger, könne Deutschland windarme Phasen gut überstehen – die installierte Solarleistung plus Batteriespeicher seien ausreichend.

Im Winter jedoch gestalte sich die Lage anders. „Der Wind kommt im Winter nicht täglich, sondern eher eine Woche und er ist dann auch wieder mehrere Tage oder eine Woche weg“, erklärt der Experte. „Solche lange Zeiten lassen sich nicht mit Batterien überbrücken.“ Deswegen werde Deutschland vor allem im Winter auf Gaskraftwerke angewiesen bleiben. Und Flaute-Monate wie der März werden immer wieder vorkommen.