Debatte über nuklearen EU-Schirm: Trump, Europa und die Atombombe
Trumps Aussagen zur Nato schocken die von Putin bedrohten Europäer. Die nun entfachte Debatte über eine eigene nukleare Abschreckung für die EU ist längst überfällig. Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.
Es hat wohl die Zündung von Donald Trumps verbaler Atombombe gebraucht, um auch in Deutschland die überfällige Debatte über einen europäischen nuklearen Abwehrschirm in Gang zu bringen. Hoffentlich ist der Schock heilsam: Europa wird sich, ganz unabhängig von Trump, künftig selbst stärker um seine Sicherheit kümmern müssen, weil der große Bruder USA seiner Rolle als Weltpolizist müde ist und seine Kräfte zunehmend in Asien gebunden sind.
Bisherige Gesprächsangebote der Atommacht Frankreichs waren in Berlin bisher stets auf taube Ohren gestoßen; gerne verließ man sich dort auf Amerika und ging ansonsten seinen Geschäften mit dessen Rivalen Russland und China nach. Doch gehört die Frage der atomaren Abschreckung elementar zu jedem Sicherheitskonzept, wenn auch der potenzielle Gegner über volle Atomwaffenarsenale verfügt, wie es Putins Russland tut.
Die dringend benötigten Milliarden lassen sich nicht nebenbei mobilisieren
Viel wäre freilich schon gewonnen, wenn Deutschland einem möglichen Aggressor auch konventionell mehr entgegenzusetzen hätte als nur die Aufopferungsbereitschaft der benachbarten Polen und die fluguntauglichen Bomber der Bundeswehr. Über die lacht man sich im Kreml höchstens tot. Auch dazu gab es gestern einen bedenkenswerten Vorstoß. CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter ärgert seine Partei mit dem Vorschlag, die Union solle einer Verdreifachung des Sondervermögens Bundeswehr auf 300 Milliarden Euro zustimmen.
Oppositionsführer Friedrich Merz hält ziemlich wenig von der Idee, der klammen Ampel per Zweidrittelmehrheit im Bundestag neue Etatspielräume zu eröffnen. Lieber sähe er es, dass sich die Ampel im Streit ums Geld in den nächsten Wochen selbst zerlegt und die auf eine Agenda 2030 pochende FDP die ungeliebte Koalition verlässt.
Doch ist das nur die eine, taktische Seite. Die andere sind die ungeheuren Herausforderungen durch die Zeitenwende und die sträflich versäumten Investitionen der Merkel-Ära. Die dringend benötigten Milliarden für Aufrüstung, Unternehmensteuersenkung zur Standortsicherung und Sanierung der maroden Infrastruktur ließen sich selbst dann, wenn SPD und Grüne sich nicht so vehement gegen Einsparungen im Sozialetat sträuben würden, kaum nebenbei aus dem Haushalt mobilisieren.
Spätestens wenn sie selbst wieder regiert, wird auch die Merz-Union diesen Offenbarungseid leisten müssen.
Georg Anastasiadis