Kritik an Rathaus und Bürgermeister: Lebensraum seltener Krebse zerstört
Der Edelkrebs ist vom Aussterben bedroht und daher streng geschützt. Einer Population in Emmering hat das aber wenig genützt. Beim Ausbaggern eines kleinen Baches wurde ihr Lebensraum zerstört. Die Aufregung unter Anwohnern und Tierschützern ist groß.
Diesen Spaziergang werden Anja Groth und Robert Hoffmann so schnell nicht vergessen. An dem kleinen Graben nahe ihres Hauses sehen sie einen Bagger, der das Gewässer an der Olchinger Straße ausbaggert. Beim Blick in den bearbeiteten Abschnitt des Bacherls schrillen bei dem Ehepaar die Alarmglocken. Das Wasser ist größtenteils weg. Fische zappeln auf dem Boden. Und dann sind da noch jede Menge Krebse, die verzweifelt versuchen, die jetzt fast senkrechten Wände des Grabens empor zu klettern.
Groth ruft im Rathaus an. Die Mitarbeiterin am Telefon habe abgewiegelt. „Es hieß, alles sei genehmigt.“ Also versucht die 46-Jährige im Landratsamt jemanden zu erreichen – vergeblich. Erst nach Stunden habe sie jemanden ans Telefon bekommen. Als sie die Situation geschildert habe, sei es plötzlich ganz schnell gegangen: Mitarbeiter der Behörde seien angerückt und hätten begonnen, die Krebse einzusammeln.
Doch das Aufatmen währte laut Groth und ihrem Ehemann nur kurz. „Das Wasser im Graben wurde aufgestaut, die Krebse in ihren zerstörten Lebensraum zurückgesetzt. Dann sind alle wieder abgerückt“, berichtet Groth fassungslos. Am nächsten Tag sei gar nichts passiert. Eingreifen hätten die beiden nicht gedurft, berichten sie. Ohne Genehmigung darf niemand die Tiere aus dem Bach holen. Doch im Rathaus sei niemand zu erreichen gewesen. „Wir sind erschüttert über die Tatenlosigkeit der Gemeinde und des Bürgermeisters“, sagt sie.
Überfahrene Tiere auf der Straße
Als die beiden am darauffolgenden Tag überfahrene Tiere auf der Straße finden, ist für sie das Maß voll. Eine Freundin Groths veröffentlicht einen Bericht über das Geschehene auf Facebook. „Erst da hat der Bürgermeister reagiert“, sagt Groth. Wenig später sei Rathauschef Stefan Floerecke am Bach aufgetaucht. Vom Landratsamt beauftragte Krebs-Fachleute kamen hinzu. Dann ging alles ganz schnell: Mit Mitgliedern des Vereins Wörthseefischer konnten die noch lebenden Krebse eingesammelt und in einen noch nicht bearbeiteten Bereich des Baches gebracht werden.

Doch warum dauerte die Rettung der Krebse so lange? Bürgermeister Floerecke sagt, dass er als Chef der Verwaltung einen „kühlen Kopf“ bewahren müsse und nicht vorschnell handeln könne. Eine Genehmigung zum Umsiedeln der Krebse habe er als Bürgermeister nicht geben dürfen. Dafür sei die Untere Naturschutzbehörde zuständig.
Der Rathauschef weist auf ein weiteres Problem hin. Es habe die Gefahr bestanden, dass die Tiere die sogenannte Krebspest in sich tragen. Eine unbedachte Evakuierung hätte die Krankheit potenziell auf andere Populationen übertragen können. Den Vorwurf, tatenlos gewesen zu sein, weist Floerecke entschieden zurück.
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Fehler bei Arbeiten am Bachlauf
Dass bei den Arbeiten am Bach aber tatsächlich einiges schiefgelaufen ist, bestätigen Rathaus und Landratsamt. „Das Gewässerprofil wurde verändert, die ursprüngliche Gewässersohle größtenteils mit ausgehoben und das Gewässer dadurch weiter eingetieft. Der durch den massiven Eingriff stark gesunkene Wasserspiegel sorgte dafür, dass viele Tiere nicht flüchten konnten“, heißt es von der Kreisbehörde.
Eingriff nötig wegen Hochwasserschutz
Unabhängig davon seien die Arbeiten an dem Bach unvermeidbar, erklärt Floerecke. Hintergrund sei der Hochwasserschutz. „Die Durchführung entsprechender Maßnahmen ist eine Pflichtaufgabe der Gemeinde.“ Der Graben sei zum letzten Mal 2015 ertüchtigt worden. Wegen Zuwucherungen und Ablagerungen habe er kaum mehr Wasser aufnehmen können.
Der betroffene Bereich soll jetzt möglichst bald renaturiert werden, verspricht Floerecke. Und bei der 2025 anstehenden Ausbaggerung der oberen Bereiche des Grabensystems werde man genau prüfen, welche Bewohner der Bach dort beherbergt.