Verfassungsrichter warnt vor einem Verbot der AfD
Seit 68 Jahren wurde in Deutschland keine Partei mehr verboten. Doch die Forderungen nach einem AfD-Verbot werden immer lauter – keine gute Idee, wie ein Verfassungsrichter findet.
Karlsruhe – Es ist noch gar nicht so lange her. Vor etwa drei Monaten waren die Straßen der Bundesrepublik gefüllt von Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus und für ein Verbot der AfD einsetzten. Grund war ein geheimes Treffen in Potsdam zwischen mehreren Rechtsextremisten und einzelnen Mitgliedern der AfD. Dabei soll es auch um die „Deportation“ deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund gegangen sein, wie eine Recherche von Correctiv offenlegte.
Um die in Teilen rechtsextreme Partei ist es seitdem nicht ruhiger geworden. Die beiden Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah und Petr Bystron, stehen unter Verdacht, Kontakte zum Kreml-nahen Medium „Voice of Europe“ unterhalten zu haben. Bystron soll sogar Geld angenommen haben. Außerdem wird ein Mitarbeiter Krahs verdächtigt, für den chinesischen Geheimdienst spioniert zu haben. Und wäre das alles nicht genug, hat das Oberverwaltungsgericht in Münster die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall bestätigt – all das hat eine neue Debatte über ein mögliches AfD-Verbot losgetreten.
Parteien fordern AfD-Verbot – Bundesverfassungsgericht mahnt zur Zurückhaltung
Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz hat angekündigt, so schnell wie möglich einen Verbotsantrag gegen die AfD zu stellen. „Mein Wunsch ist es, dass wir den Verbotsantrag noch vor der parlamentarischen Sommerpause einbringen“, sagte er gegenüber Zeit Online. Er gehe davon aus, dass man der Partei nur noch gerichtlich entgegentreten könne, vor allem im Osten Deutschlands. „Die AfD ist eine große Bedrohung“, so Wanderwitz.

Die Grünen hatten sich bereits vor der Überprüfung der AfD durch das Oberverwaltungsgericht für ein Verbotsverfahren ausgesprochen. Die „Remigrations-Pläne“ oder „dass einige Abgeordnete aus Russland finanziert werden“ sollen, seien für Till Steffen, Bundestagsabgeordneter der Grünen, genug Gründe für ein Verfahren, sagte er T-Online.
Doch ganz so einfach sei das mit dem Parteienverbot nicht, bemerkt der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Habarth, im Gespräch mit der Zeit. „Es darf keine politische Auffassung einfach mundtot gemacht werden, weil sie den Herrschenden nicht passt“, so der Verfassungsrichter. Ein Parteiverbot sei immer „das letzte Mittel, zu dem gegriffen werden kann“.
„Ohne Parteiverbot zurechtgekommen“ – Verfassungsrichter zu möglichem AfD-Verbot
In der Bundesrepublik Deutschland wurden bislang lediglich zwei Parteien verboten. Laut Bundesinnenministerium betraf das die Sozialistische Reichspartei (SRP) und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Seit dem Jahr 1956 hat das Bundesverfassungsgericht damit keine weitere Partei mehr verboten.
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„Insofern sind wir jedenfalls seit Ende der Fünfzigerjahre doch recht gut ohne den Ausspruch von Parteiverboten zurechtgekommen“, sagte Harbarth dazu. Er erkenne aber die „präventive Wirkung“ eines solchen Instruments an. Weil einzelne Parteien in Deutschland wesentlich stärker seien als in anderen Ländern, gehe hier von verfassungsfeindlichen Parteien auch ein höheres „Bedrohungspotential“ aus.
AfD mit Verfassung „nicht vereinbar“ – Verbot aber trotzdem keine gute Idee?
„Ethnischer Nationalismus“ würde sich in bestimmten Äußerungen von AfD-Mitgliedern widerspiegeln, sagt Rechtsextremismus-Experte Steffen Kailitz der taz. Damit bewege sich nicht mehr auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Ein sofortiges Parteiverbot halte er aber nicht für den richtigen Weg. Kailitz plädiert zunächst für einen Stopp der staatlichen Parteifinanzierung. Denn es sei „paradox“, einerseits Projekte gegen Rechtsextremismus zu fördern und andererseits „eine bald als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei“ zu finanzieren.
Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), halte von einem Verbotsverfahren jedoch gar nichts, wie er der Süddeutschen Zeitung im Januar mitteilte. Die Aussichten auf Erfolg seien zu gering. „Wenn wir eine Partei verbieten, die und nicht passt, die in Umfragen aber stabil vorne liegt, dann führt das zu einer noch größeren Solidarisierung mit ihr“, zitiert das Redaktionsnetzwerk Deutschland den Ostbeauftragten. (nhi)