Analyse von Hugo Müller-Vogg - Jetzt beginnt der „Kampf gegen Merz“ – es ist der letzte Strohhalm von Linksgrün
Die Parteien links der Mitte – SPD, Grüne, Linke – bringen es in allen aktuellen Umfragen auf rund 33 Prozent. Das ist sehr weit entfernt von einer Mehrheit.
Doch diese Minderheit dominiert die öffentliche beziehungsweise die veröffentlichte Meinung. Und teilweise die Straße – demonstrierend, protestierend, teilweise gewalttätig.
Die Bundestagswahl schien eigentlich gelaufen; SPD und Grüne kämpften um Platz drei hinter der CDU/CSU und der in Teilen rechtsextremen AfD. Doch seit Mittwoch verspürt Rot-Grün-Rot Aufwind – jedenfalls in den Medien und auf den Straßen.
Merz’ Zustrombegrenzungsgesetz: Rot-Grün zwischen Prinzipien und AfD-Zuspruch
Zwei Anträge der CDU/CSU zur Begrenzung der Migrationspolitik haben das Land durcheinandergewirbelt. Denn Oppositionsführer Friedrich Merz wollte hier eine Zeitenwende durchsetzen – unter Inkaufnahme der Stimmen von Rechtsaußen.
Mit dem „Zustrombegrenzungsgesetz“ stellte Merz Rot-Grün vor die Wahl, entweder zuzustimmen oder die AfD zum Zünglein an der Waage zu machen. Was in dem Gesetz stand, hatte zu großen Teilen bereits die Billigung der Ministerpräsidenten von SPD, Grünen und Union gefunden. SPD und Grüne hätten zustimmen können, ohne ihre Prinzipien zu verraten.
SPD und Grünen war bewusst, dass ihr „Nein“ Weidel, Höcke & Co. abermals aufwerten würde. Das hat sie – allen pathetischen Bekundungen zum Trotz – aber nicht abgeschreckt, im Gegenteil.
SPD und Grüne setzen auf die Dämonisierung von Merz
Die rot-grünen Strategen wussten genau, wofür die Erzählung vom „Tabubruch“, dem „Einsturz der Brandmauer“, von der „Zusammenarbeit von CDU und AfD“, von der CDU als „Steigbügelhalter der Nazis“ oder einem „schwarzen Tag für die Demokratie“ gut ist: für die Dämonisierung von Merz und die Mobilisierung der eigenen Anhänger.
Merz und die CDU wollten mit dem Versuch einer asylpolitischen Zeitenwende demonstrieren, dass sie mit der „Wir-lassen-jeden-rein“-Politik à la Merkel rigoros Schluss gemacht haben. Und vor allem die SPD zwingen, hier Farbe zu bekennen.
CDU hatte Hetz- und Hasskampagne unterschätzt
Aufschlussreich ist, dass SPD und Grüne sich seit Tagen kaum mit den Inhalten der CDU-Anträge auseinandersetzen. Sie haben es verstanden, die öffentliche Diskussion auf die angeblich eingestürzte Brandmauer der CDU zur AfD zu konzentrieren. Das ist viel einfacher als zu erklären, warum ausgerechnet die Regierung Scholz/Habeck mit ihrer Politik die Zahl der AfD-Anhänger in ungeahnte Höhen getrieben hat.
Doch offenbar haben Merz und die CDU völlig unterschätzt, welche Hetz- und Hasswelle ihnen entgegenschlagen werde, falls sie die Zustimmung der AfD in Kauf nimmt, um ihr Ziel zu erreichen. Was folgte, war noch schlimmer, als selbst Pessimisten befürchtet hatten.
Merkels „Blutgrätsche“ gegen Merz
Kaum einkalkuliert hatte Merz wohl die „Blutgrätsche“, zu der seine alte Gegenspielerin Angela Merkel ansetzte. Sie fiel ihm so brutal in den Rücken, wie das noch nie ein Altkanzler gegenüber einem potenziellen Nachfolger getan hatte – schon gar nicht gegenüber einem aus der eigenen Partei.
Merkel kann offenbar nicht verkraften, dass die Bevölkerung inzwischen erkannt hat, wie fahrlässig ihre Flüchtlingspolitik war. Und dass die eigene Partei längst davon abgerückt ist.
Merkel will Merz wohl nicht im Kanzleramt sehen
Vor allem will Merkel wohl verhindern, dass ihr ewiger Gegenspieler Merz eines Tages in ihrem einstigen Kanzlerbüro sitzt. Da hilft sie lieber der vereinten Linken, den Partei-„Freund“ niederzumachen.
Merkels Ansehen in der Bevölkerung ist längst nicht mehr so gut wie einst. Aber als Stichwortgeberin gegen Merz wird sie in vielen Kreisen außerhalb der CDU unverändert sehr geschätzt.
Schon am Mittwoch hatten 9 von 196 Mitgliedern der CDU/CSU Merz die Gefolgschaft verweigert; am Freitag waren es 12. Fast ausnahmslos „Merkelianer“, die ihre politische Zukunft hinter sich haben.
Merkels Einlassung zur „großen staatspolitischen Verantwortung“, die sie bei Merz vermisst, fiel außerhalb der Union auf fruchtbaren Boden. Gut möglich, dass ihr Abrücken von Merz auch in der FDP-Bundestagsfraktion Eindruck hinterließ. Anders als noch am Mittwoch ging am Freitag ein Viertel der FDP-Abgeordneten von der Fahne.
Links sind plötzlich alle „Angie“-Fans
Selbstverständlich waren links der Mitte plötzlich alle „Angie“-Fans. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zitierte sie genüsslich. Selbst ein Redner der Linken sprach von „unserer“ Kanzlerin. Mehr Scheinheiligkeit war selten.
Völlig unterschätzt hat Merz auch, mit welcher Wucht die meisten Medien – allen voran ARD und ZDF – in die theatralische Empörung der vereinten Linken einstimmen würden. Der linke „Haltungsjournalismus“ in den Funkhäusern hat freie Bahn.
Linker „Haltungsjournalismus“
Zwei Beispiele. Bei „Maybrit Illner“ ging es am Donnerstag offiziell um den „Asylstreit“, in Wirklichkeit gegen die CDU. Die „Schlachtordnung“ war typisch für das ZDF: Robert Habeck (Grüne), die ZDF-Hausjuristin und der ZEIT-Chefredakteur vereint gegen CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann – mit einer „neutralen“ Moderatorin.
Ebenso typisch die „Tagesthemen“-Ausgabe in der ARD am Freitag. Ingo Zamperoni interviewte Olaf Scholz und Friedrich Merz. Beim Oppositionsführer agierte er wie ein Journalist, stellte kritische Fragen, beim SPD-Kanzler wie ein beflissener Stichwortgeber.
Kampf gegen rechts als letzte Patrone
Die SPD weiß, dass ihr Kanzler so schlechte Umfragewerte hat wie noch keiner seiner Vorgänger. Ihr ist bewusst, dass sie weder mit ihrer wirtschaftspolitischen Bilanz noch mit ihrer Migrationspolitik beim Wähler punkten kann. Der „Kampf gegen rechts“ ist ihre letzte Patrone.
Bereits am Mittwoch hatte Mützenich die üblichen Verdächtigen zum Kampf gegen CDU/CSU und AfD aufgerufen. In der parlamentarischen Mehrheit von CDU/CSU, FDP und AfD sah er „die Lebensader der Demokratie beschädigt, aber noch nicht durchschnitten“.
Hysterische Machtergreifungs-Vergleiche
Bisher verzichteten die Spitzenpolitiker von SPD und Grünen noch auf hysterische Machtergreifungs-Vergleiche. Die sind jetzt landauf landab zu hören, wenn die vereinte Linke die Demokratie zu retten vorgibt.
Der SPD kommt der „Kampf gegen den Faschismus“ als Rettungsanker gerade recht. Auf der Homepage der SPD heißt es: „Im ganzen Land gehen Tausende auf die Straße, um gegen eine Zusammenarbeit von CDU/CSU und AfD zu protestieren. Sei dabei und zeige: Demokratie, Vielfalt und Zusammenhalt sind nicht verhandelbar!“
Auf die Straße gehen Sozialdemokraten und Grüne, Gewerkschaften und Umweltschützer, kirchliche Verbände, die Linke und linke Splittergruppen. Selbstverständlich sind auch gewaltbereite Linksextremisten dabei.
Linke Gewalttäter werden als „Aktivsten“ verharmlost
Diese Aufmärsche wiederum liefern den Medien willkommenen Stoff zur Berichterstattung über und vor allem gegen die CDU. Selbstverständlich werden selbst Gewalttäter als „Aktivisten“ verharmlost – Haltungsjournalismus pur.
Es ist absehbar, dass Friedrich Merz bis zum Wahltag nirgends mehr auftreten kann, ohne dass die vereinte Linke versucht, die Zugänge zu blockieren. Den Aktionsradius einer demokratischen Partei einzuschränken, gilt wohl als Einsatz für „Demokratie, Vielfalt und Zusammenhalt“.
Wahlkämpfer der CDU leben gefährlich
Überall im Land sind Geschäftsstellen der CDU bereits blockiert oder besetzt worden, wurden Mitarbeiter bedroht. Vielerorts hat die CDU den Straßenwahlkampf an diesem Wochenende abgesagt. Bei so viel Hass und Hetze ist es manchenorts zu gefährlich, sich als CDU-Anhänger zu erkennen zu geben.
Drohungen gegen CDU-Politiker und Angriffe auf ihre Geschäftsstellen beschädigen aus der Sicht von Mützenich sicherlich nicht „die Lebensader der Demokratie“. Auch den meisten Medien ist diese Art des Wahlkampfes kein kritisches Wort wert.
Ob die Rechnung von Sozialdemokraten, Grünen und ihren Unterstützern unter den Meinungsmachern aufgehen wird? Eine Stoppt-Merz-Kampagne könnte das eigene Lager mobilisieren, auch von der Regierung Scholz/Habeck enttäuschte Wähler bei der Stange halten, „um die Demokratie“ zu retten.
Was bewegt Wähler mehr: Asylpolitik oder „Kampf gegen rechts“?
Friedrich Merz und die CDU/CSU wissen bei ihrer Asylpolitik die große Mehrheit der Bevölkerung hinter sich; da sind die Umfragen eindeutig. Von der AfD werden sie wohl kaum Wähler zurückholen können. Die Abweichler in der CDU und Merkels Intervention bestärken alle, die der Union den neuen Kurs nicht abnehmen wollen.
Die entscheidende Frage ist, was potentiellen SPD- und Grünen-Wählern wichtiger ist – eine realistische Migrationspolitik oder das diffuse Gefühl, bei den „Guten“ zu sein. SPD und Grüne werden genau auf diese Karte setzen – und die meisten Medien auch.
In ihrer theatralischen Empörung schreckte Rot-Grün vor hysterischen Machtergreifungs-Vergleichen gerade noch zurück. Die werden jetzt landauf, landab zu hören sein, wenn die vereinte Linke auf die Straße geht, um gegen Merz und die Union zu demonstrieren. Mützenich rief die üblichen Verdächtigen zum Kampf auf, vor allem die Gewerkschaften und die Kirchen. Erstere werden gern unter vermeintlich staatsbürgerlicher Flagge gegen die Union Front machen. Von den Kirchen werden sich – vor allem auf evangelischer Seite – viele nicht lange bitten lassen, ihren parteipolitischen Präferenzen und Abneigungen freien Lauf zu lassen.