Stalin überflügeln: Putin ringt bei Russland-Wahl um historisches Ergebnis

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Ein Kandidat, wenig Gegner: Die Wahlen in Russland gelten als Farce. Dennoch braucht Putin bei der Scheinabstimmung ein gutes Ergebnis – zur Legitimation seiner Macht.

Moskau – Planmäßige Amtsbestätigung statt spannendem Wahl-Krimi: Bei der anstehenden Wahl in Russland darf sich Kremlchef Wladimir Putin auf seine Wiederwahl vorbereiten. Mangels ernstzunehmender Gegenkandidaten handele es sich bei der Abstimmung lediglich um eine „plebiszitäre Maßnahme“, zitierte der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) die im Exil lebende russische Politologin Jekaterina Schulmann. Dennoch steht für Putin durchaus ein wenig auf dem Spiel. Denn das Ergebnis wird ein Indikator für seine wahre Macht sein.

Ab kommenden Freitag (15. März) wird in Russland gewählt. Die Wahl dauert drei Tage – ein Novum. Das Ergebnis soll dann am Sonntag (18. März) verkündet werden. Neben Wladimir Putin stehen der Nationalist Leonid Sluzki, der Kommunist Nikolai Charitonow und der Geschäftsmann Wladislaw Dawankow auf dem Wahlzettel.

Kremlkritiker werten die Zulassung der drei Gegenkandidaten als Versuch, die Unzufriedenheit in der Bevölkerung zu kanalisieren und der Wahl einen pluralistischen Anstrich zu geben, während die Opposition seit Jahren gewaltsam unterdrückt wird. Die Präsidentschaftsbewerber Boris Nadeschdin und Jekaterina Dunzowa, die sich beide offen gegen den Militäreinsatz in der Ukraine gestellt hatten, wurden nicht zugelassen – wegen angeblicher Formfehler. Und Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist tot.

Länger als Stalin: Putin steuert bei Russland-Wahl 2024 laut Umfragen auf Rekord-Ergebnis zu

Dementsprechend eindeutig dürfte das Ergebnis bei der Russland-Wahl 2024 ausfallen. Die letzten Umfragen bescheinigen Putin ein Rekordergebnis. Wie der Nachrichtensender ntv unter Berufung auf das kremlnahe Meinungsforschungsinstitut Wziom berichtet, darf sich der Amtsinhaber auf eine Zustimmung von 82 Prozent freuen, während die drei anderen Bewerber zusammen nur auf rund sechs Prozent der Stimmen kommen. Sollten sich die Umfragewerte bestätigen, dann wäre es das höchste Ergebnis in der Geschichte russischer Wahlen.

Alle lieben Wladimir? Putin plant bei der Russland-Wahl mit vielen Inszenierungen und Manipulationen ein Rekordergebnis ein.
Alle lieben Wladimir? Putin plant bei der Russland-Wahl mit vielen Inszenierungen und Manipulationen ein Rekordergebnis ein. © Mikhail Metzel/dpa

Mit seinem zu erwartenden Wahlsieg kann Putin sich auch in einem anderen Punkt in die Geschichtsbücher eintragen. Denn wenn er eine weitere sechsjährige Amtszeit im Kreml beendet, wird er Josef Stalin überholen, der die Sowjetunion von 1924 bis 1953 führte. Putin wäre dann der am längsten amtierende Staatschef Russlands seit Zarin Katharina der Großen im 18. Jahrhundert. Für Putin, der in geschichtsträchtigen Dimensionen denkt und der damit auch den Ukraine-Krieg begründet, ist das sicherlich ein erstrebenswertes Ziel.

Putin auf Rekordjagd bei Russland-Wahl – das sind die russischen Präsidenten seit 1945

  • Josef Stalin (1924-1953)
  • Nikita Chruschtschow (1953-1964)
  • Leonid Breschnew (1964-1982)
  • Juri Andropow (1982-1984)
  • Konstantin Tschernenko (1984-1985)
  • Michail Gorbatschow (1985-1991)
  • Boris Jelzin (1991-1999)
  • Wladimir Putin (1999-2008)
  • Dmitri Medwedew (2008-2012)
  • Wladimir Putin (seit 2008)

Legale Verfahren halten Gegner in Schach – warum die Wahl für den Kreml wichtig ist

Doch warum braucht es die Wahl überhaupt? Putin könnte seine historische Jagd nach Rekordwerten ja auch anders betreiben als mit einer fadenscheinigen Abstimmung zu seiner Zukunft. Doch das sehen viele Beobachter anders. Die Wahl absagen und beispielsweise das Kriegsrecht verhängen, gehe für Putin nicht, sagte der Politologe Alexander Kynew dem MDR. Denn der Kremlchef erhalte seine Macht vor allem dadurch, dass er seine Feinde mit dem Gesetz unterdrücke.

Würde Putin erklären, dass er das Land regiere, weil er die Macht dazu habe, dann würde dies im Umkehrschluss auch Gewaltakte gegen die Machthaber selbst rechtfertigen, ist sich Kynew sicher. Deshalb brauche Putin unbedingt legale Verfahren. Dass die Gesetze dabei offensichtlich im Interesse des Regimes geschrieben worden seien, falle eben unter den Teppich.

Putin steckt viel Aufwand in gutes Wahlergebnis bei Russland-Wahl

Vor diesem Hintergrund verwundert es auch nicht, dass Putin trotz des zu erwartenden Wahlergebnisses viel Zeit und Geld in einen Wahlkampf steckt. Denn eine massive Unterstützung an den Urnen soll Putins Macht im In- und Ausland legitimieren. So will der Kremlchef Medienberichten zufolge vor allem eine hohe Wahlbeteiligung bei der Russland-Wahl erreichen. Angepeilt wird auch hier ein Rekordergebnis. Laut aktuellen Umfragen sollen rund 71 Prozent der insgesamt 112 Millionen Wahlberechtigen bereit sein, bei der Abstimmung mitzumachen.

In den vergangenen Wochen trat der Staatschef deshalb häufiger in den Medien auf und zeigte sich mit Studierenden, in Fabriken und flog in einem Atombomber. Eine Fernsehdebatte mit Putin gab es jedoch diesmal genauso wenig wie in den vergangenen 24 Jahren. Ende Februar versprach Putin in seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation Milliarden Rubel für die Modernisierung der Infrastruktur, zur Bekämpfung der Armut und des Bevölkerungsrückgangs sowie für die Digitalisierung.

Besonders unter den jungen Menschen ist die Politikverdrossenheit groß. Im ganzen Land appellieren deshalb Plakate an den Patriotismus der Russen und fordern sie zum Wählen auf. „Gemeinsam sind wir stark, stimmen wir für Russland!“, lautet einer der Slogans. Auch Tombolas und Unterhaltungsprogramme sollen die Wähler animieren, ihre Stimme abzugeben. Gleichzeitig warnt der Kreml vor einer möglichen Einmischung der Ukraine und ihrer westlichen Verbündeten bei der Wahl, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete.

Kreml will Manipulation der Russland-Wahl möglichst gering halten

Geleakte Unterlagen, die der Spiegel und das ZDF veröffentlichten, offenbarten zuletzt, wie viele Millionen Rubel der Kreml gezielt in die Wahlbeeinflussung der Wählerinnen und Wähler investierte. Strategiepapiere, Excel-Tabellen und Abrechnungen offenbarten dabei, wie gezielt der Kreml Einfluss auf die öffentliche Debatte in allen Bereichen des sozialen Lebens nimmt.

Der Aufwand zahlt sich aus. Denn je mehr Wählerinnen und Wähler im Vorfeld überzeugt werden, umso weniger Zeit und Geld müssen die Putin-Getreuen in die Manipulation des eigentlichen Wahlergebnisses stecken. „In gewisser Weise wird versucht“, so sagte es der Historiker und Russland-Experte Mark Galeotti, „die Wahlmanipulation an den Wahltagen zu minimieren, durch etwas, was man als Vorabmanipulation bezeichnen könnte.“ (jkf)

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