Welcher Planet ist der Erde am nächsten? Die Antwort ist schwieriger als gedacht
Meist wird für die Beantwortung der Frage die durchschnittlich kleinste Entfernung genutzt. Forscher zeigten aber, dass diese Methode eine Schwäche hat.
München – „Mein Vater erklärt mir jeden Samstag unseren Nachthimmel.“ Diesen Merkspruch oder seine frühere Variante, die noch den Zwergplaneten Pluto mit einschloss, kennt wohl so gut wie jeder. Und vielleicht scheint die Frage, welcher Planet uns am nächsten ist, deshalb auf den ersten Blick vollkommen klar. Folgt man der Aufzählung, kommen eigentlich nur Venus und Mars in Betracht. Googelt man die Frage, bekommt man eine klare Antwort: Venus. Ganz so einfach ist es jedoch nicht.
Die Information stammt von der Webseite der European Space Agency (ESA), geht aber mit der Einschränkung einher, dass diese Angabe sich auf den erdnächsten Punkt in der Umlaufbahn des Planeten bezieht. Und genau das ist die Krux – die Planeten sind konstant in Bewegung und so gibt es keine allgemeingültige Antwort auf die Frage, welcher Planet der Erde am nächsten ist. Die Antwort hängt vielmehr davon ab, welchen Maßstab man anlegt.
Welcher Planet der Erde am nächsten ist, ändert sich permanent
Wie bereits erwähnt ändert sich immer wieder, welcher Planet der Erde aktuell am nächsten ist. Deshalb ist diese Antwort nicht unbedingt die praktischste, da man zur Beantwortung jedes Mal zunächst nachschauen muss, wie die aktuelle Position der Planeten ist.
Das ist beispielsweise auf der Webseite The Sky Live möglich. Aktuell (Stand 17. Januar) ist der Merkur der Erde am nächsten. Am 17. Oktober 2024 hingegen ist der Mars der erdnächste Planet unseres Sonnensystems. Einfach so im Kopf haben dieses Wissen aber wohl die wenigsten.
Venus bei durchschnittlicher Entfernung erdnächster Planet – die Berechnung hat jedoch einen Haken
Alternativ kann man die Frage damit beantworten, welcher Planet der Erde im Durchschnitt am nächsten ist. Auch diese Daten werden auf mehreren Webseiten aufgelistet. So finden sich etwa auf theplanets.org folgende Angaben zu den durchschnittlichen Entfernungen von Mars, Merkur und Venus zu unserem Heimatplaneten:
Planet | Entfernung zur Erde (in km) |
Merkur | 91.691.000 km |
Venus | 41.400.000 km |
Mars | 78.340.000 km |
Die Antwort scheint auch hier eindeutig. Tatsächlich basieren diese Zahlen jedoch auf einer Vereinfachung. „Durch ein Phänomen der Nachlässigkeit, der Unklarheit oder des Gruppendenkens haben Wissenschaftspublizisten Informationen verbreitet, die auf einer fehlerhaften Annahme über die durchschnittliche Entfernung zwischen den Planeten beruhen“, heißt es in einem Artikel zum Thema, der von Tom Stockman, Gabriel Monroe und Samuel Cordner verfasst und bei Physics Today veröffentlicht wurde.
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Im Folgenden wird die fehlerhafte Vorgehensweise kurz erklärt: „Um den durchschnittlichen Abstand zwischen zwei Planeten zu berechnen, subtrahieren (sie) den durchschnittlichen Radius der inneren Umlaufbahn, r1, vom durchschnittlichen Radius der äußeren Umlaufbahn, r2.“
Forscher entwickeln alternative Berechnungsmethode und kommen zu verblüffendem Ergebnis
Diese Berechnungsmethode kalkuliere jedoch nicht die relativen Positionen der Planeten zueinander während ihrer Umlaufbahn ein, erklärt Tom Stockman, Forschungs- und Entwicklungsingenieur am Los Alamos National Laboratory in New Mexico, gegenüber Live Science.
In dem in Physics Today veröffentlichten Artikel präsentieren er und seine beiden Co-Autoren eine genauere Alternativ-Methode, die Point-Circle Method (PCM). Diese berechne einen Durchschnitt aller Entfernungen zwischen den einzelnen Punkten auf beiden Bahnen, erläutert Stockman.
Auf Grundlage dieser Methode erstellten die drei Wissenschaftler eine Simulation. Diese ließen sie 10.000 Jahre lang laufen, um auch der Zeitkomponente Rechnung zu tragen und noch genauer zu ermitteln, wie lange jeder Planet im Durchschnitt der Erde am nächsten war. Das verblüffende Ergebnis: Merkur war über die Zeit betrachtet der Erde im Durchschnitt am häufigsten am nächsten.
Die drei Planeten, die der Erde am nächsten sind, stehen immer wieder im Fokus der Forschung. So zeigte etwa eine Studie, dass Leben auf dem Merkur möglich ist – allerdings nur sehr eingeschränkt. Auf der Venus entdeckten Forscher indes Sauerstoff. (sp)